Österreichischer Bundespräsident Heinz Fischer in Prag: Neues und weniger Neues
Am Donnerstag und Freitag hielt sich der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, begleitet von einer hochkarätigen Delegation aus Wirtschaft und Politik, zu einem Staatsbesuch in Prag auf. Die Visite fiel in eine politisch nicht gerade ruhige Zeit: Außer den bilateralen Fragen zwischen Tschechien und Österreich gab es diesmal noch eine ganze Reihe anderer Themen zu besprechen, etwa den jüngsten Regierungswechsel in Prag oder das weitere Schicksal des EU-Reformvertrags von Lissabon.
In Österreich war Kritik an der Ordensverleihung laut geworden, weil Klaus mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Vertrag von Lissabon zu einer Symbolfigur der EU-Skeptiker geworden ist. Ein Punkt, in dem beide Staatsoberhäupter eine grundsätzlich unterschiedliche Ansicht vertreten, wie Fischer am Donnerstag auf der gemeinsamen Pressekonferenz noch einmal bestätigte:
„Wir haben über das Thema Lissabon-Vertrag gesprochen, wo die Formel lautet: We agree not to agree. Und das ist ja auch nichts Neues.“We agree not to agree. – Wir einigen uns darauf, uns nicht zu einigen. In Tschechien selbst war die Lissabon-Debatte in den letzten Wochen um eine Gangart härter geführt worden. Nachdem beide Kammern des Parlaments den Vertrag mit Verfassungsmehrheit ratifiziert hatten, Klaus seine Unterschrift jedoch bisher verweigert, haben einige Parlamentarier dem Präsidenten Missachtung des Parlamentarismus vorgeworfen. Sogar das Wort Hochverrat ist in Prag bereits gefallen. Václav Klaus auf der Pressekonferenz mit Heinz Fischer:
„Ich werde die Aussagen von diversen Mitgliedern unseres Parlaments nicht kommentieren. Die sind schon eine Art politische Folklore. Aber was den Kern des Problems betrifft: Unsere Verfassung sagt klar, dass das Parlament dem Präsidenten die Einwilligung zur Ratifizierung erteilt, und nicht, dass der Präsident nach der Zustimmung des Parlaments die Ratifizierung vollstreckt. Mit anderen Worten: Die Ratifizierung vollzieht laut Verfassung der Präsident und nicht das Parlament. Aber ich habe heute nicht vor, mich zum Lissabonner Vertrag zu äußern. Das Thema steht nicht auf der Tagesordnung.“
Und mit einem Seitenblick auf die ORF-Korrespondentin, die ihn zum Thema Lissabonner Vertrag gefragt hatte, fügte Klaus hinzu:„Nichts Neues in dieser Hinsicht. Leider – für Sie.“
Mitglied der österreichischen Besuchsdelegation war auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Radio Prag hat Leitl am Rande einer zeitgleich stattfindenden Konferenz europäischer Industrie- und Handelskammern getroffen. Wie sieht er die jüngsten Entwicklungen in Tschechien?
„Ich muss zunächst einmal sagen, dass ich stolz bin auf meine tschechischen Freunde, die den Lissabon-Vertrag, der für die demokratische Entwicklung Europas ungeheuer wichtig ist, in beiden Häusern des Parlaments ratifiziert haben.“
Europa, so Leitl, braucht eine gemeinsame Interessensvertretung, um der nächsten Generation vernünftige Chancen auf Arbeit, Einkommen und Sicherheit geben zu können:
„Die Amerikaner wissen, was zu tun ist, die Asiaten sind stark im kommen, andere Kontinente fordern uns heraus. Wir können uns in Europa eine Zersplitterung nicht leisten. Auch große europäische Länder können die Probleme nicht alleine bewältigen. Wir brauchen eine handlungsfähige europäische Gemeinschaft, eine Union, die uns in der Welt erfolgreich vertritt.“
Bei der Unterredung von Václav Klaus und Heinz Fischer wurden auch Fragen der gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung sowie die unterschiedliche Haltung zur Kernenergie angesprochen. Bezüglich der Differenzen beim Thema Reaktorsicherheit ersuchte Fischer darum, auch die Sorgen der Bevölkerung eines Nachbarlandes ernst zu nehmen. Einen wichtigen Stellenwert in den Gesprächen nahm auch die politische Situation Tschechiens nach dem Sturz der Regierung von Mirek Topolánek und der Ernennung des neuen Experten-Kabinetts von Jan Fischer ein.
Er sei überzeugt, so Klaus, dass die neue Regierung die Politik der bisherigen fortsetzen werde und es zu keinen revolutionären Veränderungen kommt. „Mehr Kontinuität als Diskontinuität.“
Diesen Eindruck hatte auch Bundespräsident Heinz Fischer: Nach einem Treffen mit seinem Namensvetter Jan Fischer wies er im Pressegespräch am Freitag darauf hin, dass der neue tschechische Premier bereits als Chef des Statistikamts regelmäßig an den Sitzungen der Regierung teilgenommen hatte:
„Er kennt daher die Dossiers, er kennt die Vorsitzführung und die Themen im Ministerrat. Er ist jemand, der offenbar sofort und ohne Probeperiode oder Anpassungsschwierigkeiten in dieses Amt einsteigen konnte und im Gespräch bei allen Dossiers sattelfest ist.“
Keine Bewegung gibt es vorerst bei den Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt. Österreich und Deutschland sind ja die letzten beiden EU-Länder, die ihren Arbeitsmarkt für Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Mitgliedstaaten, also auch aus Tschechien, noch teilweise verschließen. Die entsprechende Übergangsregelung, die spätestens 2011 ausläuft, soll nicht vorzeitig beendet werden. Die österreichische Regierung habe Brüssel die Gründe dafür bereits mitgeteilt, so Fischer:
„Sie stützt sich dabei darauf, dass zu den mehr als 100.000 Arbeitskräften, die wir seit der letzten Erweiterung der Europäischen Union aufgenommen haben, gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation nicht noch weitere in großer Zahl dazukommen sollen. Und sie stützt sich auch auf eine Parallelität der Interessen zwischen Deutschland und Österreich.“
Das Thema ist seit der EU-Erweiterung 2004 ein Dauerbrenner in den tschechisch-österreichischen Beziehungen. Václav Klaus aber gibt sich geduldig:
„Als liberaler Ökonom teile ich das Motto der tschechischen Ratspräsidentschaft ‚Europa ohne Barrieren’. Mich stört die Sache aber eher auf der symbolischen als auf der realen Ebene, und ich glaube auch nicht, dass sie für die Tschechen ein großes Problem ist.“
Auch der österreichische Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl meint, die Übergangsfristen seien in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit vor allem eine Frage der Psychologie. Für immerhin 80 Berufe habe Österreich seinen Arbeitsmarkt bereits jetzt geöffnet.