Olympia: Tschechien bilanziert äußerst erfolgreiche Spiele in Tokio

Von den Olympischen Spielen in Tokio kehrt das tschechische Team mit elf Medaillen nach Hause. Vier Mal Gold, vier Mal Silber und drei Mal Bronze bedeuten zugleich die erfolgreichste Olympiateilnahme von Tschechien seit der Gründung des Landes im Jahr 1993.

Silber und Bronze im Speerwerfen als krönender Abschluss

Jakub Vadlejch und Vítězslav Veselý | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

Bis zum vorletzten Wettkampftag lag das tschechische Olympia-Team knapp hinter seinen bisherigen Top-Leistungen. Wie in Atlanta 1996 und in London 2012 hatte es bereits vier Gold- und drei Silbermedaillen gewonnen, was fehlte waren noch zwei bronzene. Doch es kam besser. Im Speerwerfen der Männer nutzten Jakub Vadlejch und Vítězslav Veselý die Anlaufprobleme des haushohen Favoriten, Johannes Vetter aus Deutschland, um sich selbst auf Medaillenkurs zu bringen. Das gelang: Mit Weiten von 86,67 und 85,44 Meter eroberten sie Silber und Bronze hinter dem siegreichen Inder Neeraj Chopra. Der 38-jährige Veselý erzielte seine Bestweite im dritten Versuch, und damit traf er offenbar den Nerv seines acht Jahre jüngeren Landsmanns Vadlejch:

„Das war genau der Moment, der mich motiviert hat, es Vítězslav zu zeigen. Ich habe mir gedacht: Wenn er 85,5 Meter weit wirft, dann kann ich das auch. Gesagt, getan – ich habe ihn noch übertroffen.“

Vítězslav Veselý | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

Oldie Veselý bestritt in Tokio seine vierten Spiele. 2012 beendete er die Konkurrenz in London als undankbarer Vierter, bekam aber im Nachhinein noch Bronze zugesprochen. Der Grund: Der Ukrainer Oleksandr Pjatnyzja wurde wegen nachgewiesenen Dopings nachträglich disqualifiziert. Diesmal konnte sich der Mähre aus Hodonín / Göding direkt vor Ort über Bronze freuen. Und er tat es ausgiebig – aus gutem Grund:

„Niemals war es so schwer, zu Olympia zu kommen. Wegen Corona wurden die Spiele um ein Jahr verschoben. Mich trotzdem auch 2021 für Tokio zu qualifizieren, sah ich als Belohnung an. Der Vorkampf eines olympischen Wettbewerbs ist stets eine Lotterie, was sich erneut gezeigt hat. Mehrere gute Speerwerfer blieben da schon auf der Strecke, ich nicht. Folglich hatte ich im Finale nichts mehr zu verlieren, und so bin ich es dann auch angegangen. Im Sport sollte man jeden Wettkampf genießen und versuchen, das Maximale herauszuholen. Das ist mir gelungen.“

Martin Doktor | Foto: Elena Horálková,  Tschechischer Rundfunk

Als sehr gut gelungen sieht auch der Chef der tschechischen Olympia-Mannschaft, Martin Doktor, den Gesamteindruck an, den die Athletinnen und Athleten des Teams in Tokio hinterlassen haben. Und dies nicht nur wegen der erfreulichen Medaillenausbeute, so Doktor:

„Es gibt einige Sportarten, die kaum im Rampenlicht stehen und daher in punkto Popularität von Olympia abhängig sind. Gelingt hier ein Erfolg, hat dies Einfluss auf die Sportbegeisterung der Kinder. Doch egal, ob die Mehrzahl von ihnen nun Eishockey oder Fußball spielt oder aber als einzelner einen populären Sport betreibt – wichtig ist nur, dass die Eltern ihre Kinder zum Sport bringen. Denn es zeigt sich immer wieder: Im Leben werden sie es dann einfacher haben.“

Foto: Themba Hadebe,  ČTK/AP Photo

Mit am Ende vier Mal Gold, vier Mal Silber und drei Mal Bronze belegte Tschechien in der Medaillenwertung den achtbaren 18. Platz. Doch es war nicht alles Gold, was glänzt. Über die Panne bei der Anreise von 18 Olympioniken samt ihren Betreuern mit einer Chartermaschine, bei der sich sechs Personen mit dem Coronavirus infizierten, wird noch zu reden sein. Insbesondere deshalb, damit sich solch ein Vorfall für die bevorstehenden Winterspiele in Peking nicht wiederhole, betonte der Chef des Tschechischen Olympischen Komitees, Jirí Kejval.

Zufriedene Trainer sehen Potenzial auch für Paris 2024

Lukáš Krpálek | Foto: Libor Plíhal,  ČTK

Ein sportlicher Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Neben Fleiß und Siegeswillen, den die Athleten als Grundvoraussetzung dazu einbringen, sind es nicht zuletzt die Trainer, die ihre Schützlinge auf den Erfolgsweg führen. Lukáš Krpálek hat den Judosport in Tschechien wieder salonfähig gemacht. Dank seines schier unglaublichen Triumphzuges, der mit dem Olympiasieg in Tokio seine vorläufige Krönung fand, hat der 30-Jährige gewiss vielen Kindern und Jugendlichen Mut gemacht, sich auch einmal auf einer Judomatte auszuprobieren. Dabei könnten sie dann vielleicht ebenso herausfinden, dass es in dieser Sportart nicht allein auf Größe und Gewicht ankommt, um einen Kontrahenten ins Straucheln zu bringen. Krpálek hat es bewiesen, denn der Wahl-Prager ist jetzt zweifacher Olympiasieger und Weltmeister in zwei verschiedenen Gewichtsklassen! Nach seinem Gold-Coup bei Olympia 2016 in Rio, als er im Halbschwergewicht dominierte, hat sich Krpálek in Tokio nun auch im Schwergewicht durchgesetzt. Damit aber muss seine Erfolgsstory noch längst nicht abgeschlossen sein, denn schon in drei Jahren erklingt in Paris ein weiteres Mal die olympische Hymne. Und bis dahin wolle Krpálek womöglich erneut die Gewichtsklasse wechseln, verrät sein Trainer Petr Lacina:

Petr Lacina | Foto:  Tschechisches Fernsehen

„Dieser Weg mit den übermäßig schweren und beleibten Gegnern gefällt ihm mittlerweile nicht mehr. Lukáš überlegt deshalb, in die Gewichtsklasse bis 100 Kilogramm zurückzukehren. Das könnte für ihn auch eine neue Motivation sein, indem er dann wieder im Halbschwergewicht für Furore sorgt. Und gewiss wäre dies eine weitere tolle Geschichte, wenn er trotz zweier Wechsel von unter 100 Kilo zu über 100 und zurück immer noch in der Weltspitze mitmischt.“

Wie man eine olympische Goldmedaille gewinnt, das wissen tschechische Sportschützen mittlerweile zur Genüge. Ganz oben auf der Erfolgsskala steht dabei die Disziplin Trap des Wurftaubenschießens. In diesem Wettbewerb hat Tschechien in Tokio durch Jiří Lipták und David Kostelecký Gold und Silber geholt. Doch nicht nur das: 2008 in Peking war Kostelecký selbst der beste Olympionike in dieser Konkurrenz. Und 16 Jahre zuvor hat es den Erfolgsschützen von Tokio einer vorgemacht, den sie bestens kennen: Ihr Trainer Petr Hrdlička wurde 1992 Olympiasieger in Barcelona. Der 53-Jährige ist optimistisch, dass der Triumph seiner Schützlinge nicht ungehört verpufft:

Jiří Lipták  (Mitte) und David Kostelecký  (rechts) | Foto: Alex Brandon,  ČTK/AP Photo

„Größtenteils ist es so, wenn ein Athlet in irgendeiner Sportart eine Medaille gewinnt – am besten natürlich die goldene –, dann finden auch die Kinder den Weg zum Sport. Sie wollen dann ihrem Idol nacheifern, dem sie vor dem Fernseher die Daumen gedrückt haben. Im Sportschießen ist dies etwas umständlicher, doch einige Kinder kommen immer. Wir werden sehen, wie es diesmal ist.“

Der tschechische Tennissport hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt zu einem Erfolgsgaranten gemausert. Vor allem die Damen zeigen immer wieder ihre internationale Klasse und gewinnen regelmäßig Turniere auf der WTA-Tour, darunter auch Grand-Slam-Veranstaltungen. Keiner weiß das besser als Nationaltrainer Petr Pála. Unter seinen Fittichen hat das Damenteam von 2011 bis 2018 insgesamt sechs Mal den Fed Cup geholt, der mittlerweile in Billie Jean King Cup umbenannt wurde. Der 45-Jährige hat den Auftritt seiner Schützlinge in Tokio mit vielen Emotionen verfolgt und war dann auch sehr zufrieden mit dem Endergebnis:

Barbora Krejčíková und Kateřina Siniaková | Foto: Seth Wenig,  ČTK/AP Photo

„Ich bin hocherfreut über den Gewinn von zwei Medaillen. Noch dazu ist es Gold und Silber geworden, das halte ich für einen Erfolg. Ich bin stolz auf das gesamte Team, das hier am Start war. Das gilt auch für die Spielerinnen, bei denen es nicht ganz nach ihren Vorstellungen lief. Doch von allen vier Starterinnen hätte es jede bis ins Finale schaffen können, wenn man die ersten Hürden übersprungen hätte.“

Die Goldmedaille ging auf das Konto von Barbora Krejčíková und Kateřina Siniaková im Damen-Doppel. Die beiden 25-jährigen Frauen sind seit 2018 ein sehr erfolgreiches Tennispaar. In den zurückliegenden drei Jahren haben sie drei Grand-Slam-Turniere gewonnen, darunter in diesem Jahr die French Open. Weil das Pariser wie auch das Tokioter Turnier jeweils auf Sandplatz ausgetragen wurden, gingen die Tschechinnen als Favoritinnen in die olympische Konkurrenz. In fünf zum Teil sehr engen Spielen mussten sie dann aber auch alles zeigen, um sich ihren großen Traum zu erfüllen. Petr Pála erklärt, warum dies gelungen ist:

Petr Pála | Foto: Tschechischer Rundfunk

„Sie verstehen sich gut, und sie spielen beide variantenreich. Barbora übernimmt meist die Spielführung und verteilt die Bälle, Kateřina agiert sehr rasant und ist stark am Netz. Barbora behält die Übersicht im hinteren Feld und hat ein gutes Aufschlagsspiel. Beide ergänzen sich einfach gut.“

Markéta Vondroušová hat zudem Silber im Damen-Einzel erkämpft. Damit hat der tschechische Tennissport nun schon acht Medaillen geholt seit der Staatsgründung 1993. Und nur einmal war mit Radek Štěpánek ein Mann beteiligt. 2016 in Rio gewannen er und Lucie Hradecká Bronze im Mixed.

Stefflová sieht Choupenitchs Bronze als Fanal für den Fechtsport an

Tereza Stefflová | Foto:  Archiv von Tereza Stefflová

Was der Gewinn einer Bronzemedaille indes alles auslösen kann, zeigt der dritte Platz von Alexander Choupenitch im Florettfechten der Männer. Es war das erste olympische Edelmetall für den Fechtsport des Landes seit 113 Jahren! 1908 in London hatten Vilém Goppold von Lobsdorf im Einzel sowie die Mannschaft jeweils Bronze im Säbelfechten erkämpft, damals noch für das selbständige Team der Böhmischen Länder. Tereza Stefflová ist Generalsekretärin des heutigen tschechischen Fechtverbands. Sie hat die Entwicklung des 27-jährigen Choupenitch genau verfolgt und sagte zu dessen Erfolg:

„Für mich war nur die Art und Weise eine kleine Überraschung. Ich habe daran geglaubt, dass Alex eine Medaille gewinnen kann, aber bis zum Ende der Konkurrenz kann man sich nie sicher sein. Doch Alex hat den gesamtem olympischen Wettkampftag über hervorragend performt, von daher hat er sich die Medaille verdient. Und wie gesagt, völlig überrascht hat mich das nicht.“

Alexander Choupenitch | Foto: Tschechisches Fernsehen

Ähnlich wie die Sportschützen erhofft sich Stefflová von Choupenitchs Husarenstück ebenso positive Auswirkungen auf den Fechtsport:

„Immer dann, wenn jemand erfolgreich ist, gerät der jeweilige Sport in den Fokus von Kindern und deren Eltern. Und weil Fechten ein schöner Sport ist, rechnen wir ab September mit einem zunehmenden Interesse unter den Kindern. Zudem sollte die coronabedingte Pause nun langsam zu Ende gehen und der Hunger auf Sport wieder steigen. Von daher freuen wir uns schon darauf, viele neue Gesichter begrüßen und aus den besten Talenten künftige Olympioniken formen zu können.“

Allerdings seien die Trainingsmöglichkeiten im Land begrenzt, gesteht die Generalsekretärin:

Alexander Choupenitch | Foto: Tschechisches Fernsehen

„In Tschechien gibt es mehrere Fechtklubs, in denen man entweder nur Degen-, Florett- oder Säbelfechten erlernen kann. Deswegen haben viele Fechteleven, wenn sie einen Klub in ihrer Region aufsuchen, keine Auswahl, mit welcher Waffe sie trainieren und später kämpfen wollen. Es gibt auch einige Klubs mit einer umfassenden Fechtausbildung. Dort liegt es dann schon mehr an den körperlichen Voraussetzungen und Talenten des jeweiligen Kindes, an welcher Waffe es ausgebildet wird. Das entscheiden in der Regel dann die Trainer. Es sei denn, das Kind sagt beispielsweise, es habe gerade Choupenitch bei Olympia kämpfen sehen und möchte ihm nacheifern. Dann wird man diesen Wunsch respektieren und das Kind dabei unterstützen, ein guter Florettfechter zu werden.“

Nichtsdestotrotz will der tschechische Fechtsport Choupenitchs tolle Olympiavorstellung dazu nutzen, um sich der Weltspitze wieder Schritt für Schritt zu nähern. Dies sei man der Tradition dieses Sports im Land auch schuldig, meint Tereza Stefflová.

„Die Tschechoslowakei war ein Gründungsmitglied des internationalen Fechtverbandes (FIE, Anm. d. Red.). Wir können also auf eine lange Tradition zurückblicken. Nichtsdestotrotz kann man nicht konkret von einer tschechischen Fechtschule sprechen. In unserem Sport unterscheidet man vielmehr drei große Fechtschulen – die italienische, die französische und die ungarische. Wir sind dabei lange Zeit wesentlich von der ungarischen Schule beeinflusst gewesen. Heutzutage aber versucht jeder, irgendwie seinen eigenen Weg zu finden. Dabei schauen sich die Trainer von den drei genannten Ausrichtungen jeweils das Beste ab und bringen es ihren Schützlingen bei.“

Autoren: Lothar Martin , Jakub Marek , František Kuna , Petr Kadeřábek , David Nyč
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