Olympia: Tschechien holt sieben Medaillen in Südkorea

Ester Ledecká (Foto: ČTK)

Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang sind seit Sonntag Geschichte. Das tschechische Team bringt sieben Medaillen aus Südkorea mit nach Hause.

Ester Ledecká  (Foto: ČTK)
Die tschechischen Sportler haben in Pyeongchang zweimal Gold, zweimal Silber und dreimal Bronze gewonnen. Das ist die zweitbeste Ausbeute nach den Winterspielen in Sotschi, wo acht Medaillen erkämpft wurden, darunter ebenso zwei goldene. Die beiden Olympiasiege in Südkorea sind das Werk einer einzigen Athletin: Ester Ledecká. Die gebürtige Pragerin sorgte dabei für eine Sensation: In der alpinen Skidisziplin Super-G der Frauen düpierte sie die gesamte Weltelite. Alle Favoritinnen rieben sich verwundert die Augen, dass ihnen die Goldmedaille von einer Konkurrentin weggeschnappt wurde, die in dieser Saison nicht zu den Top 25 des Weltcups gehört und deren Paradesport eigentlich das Snowboarden ist. Die Olympiasiegerin war gleichfalls überrascht:

„Nein, nein, ich kann es einfach nicht glauben. Ich habe das Rennen genossen, es hat mir großen Spaß gemacht, aber das Erstaunlichste ist das Ergebnis.“

Ester Ledecká  (Foto: ČTK)
Und fast schon entschuldigend fügte Ester Ledecká hinzu:

„Ich wollte bei Olympia in beiden Sportarten teilnehmen, und das ist mir gelungen. Der heutige Sieg ist ein Riesenbonus.“

Im Parallel-Riesenslalom der Snowboarderinnen ging Ledecká hingegen als Favoritin an den Start, denn in dieser Disziplin ist die 22-Jährige amtierende Weltmeisterin. Sie wurde dieser Rolle gerecht und schaffte so etwas Außergewöhnliches: Die Tschechin ist erst der fünfte Sportler, der bei Olympia zwei Goldmedaillen in zwei verschiedenen Sportarten gewann. Bei ein- und denselben Spielen schafften dies sogar nur zwei, die Norweger Haug und Gröttumsbraten. Dies war aber schon vor 94 beziehungsweise 90 Jahren…

Janek Ledecký: „Ester liebt ihren Sport. Sie mag auch die Schinderei, die damit verbunden ist. In jedem Training bereitet es ihr Spaß, bis an ihre Grenzen zu gehen – oder manchmal auch darüber.“

Ihre Begabung scheint Ester Ledecká in die Wiege gelegt bekommen zu haben, denn schon mit zwei Jahren stand sie auf Skiern. Das Erfolgsgeheimnis der Doppel-Olympiasiegerin sei jedoch ein anderes, sagt ihr Vater Janek Ledecký:

„Sie liebt ihren Sport. Sie mag auch die Schinderei, die damit verbunden ist. In jedem Training bereitet es ihr Spaß, bis an ihre Grenzen zu gehen – oder manchmal auch darüber. Am meisten aber mag sie den Moment, wenn sie am Start steht. In den alpinen Skiwettbewerben klopft sie dann ihre Skistöcke gegeneinander, und beim Snowboardfahren schaukelt sie auf dem Board hin und her, um sofort auf die Strecke zu springen. Das macht ihr wirklich Spaß.“

Eva Samková  (Foto: ČTK)
Die erste Sportlerin aus Tschechien, die das Olympiastadion in Pyeongchang betrat, war Eva Samková. Die 24-Jährige war die Fahnenträgerin des tschechischen Olympiateams bei der Eröffnungsfeier. In ihrer Sportart, dem Snowboardcross, war die Titelverteidigerin von Sotschi zugleich eine der großen Medaillenhoffnungen. Im Finallauf von Pyeongchang lag sie jedoch lange Zeit ganz hinten auf Platz sechs, bis der Zielhang kam:

„Bis zum letzten Sprung vor dem Ziel habe ich an meine Chance geglaubt. Ich wusste, dass ich auf dem Schlusshang noch angreifen kann. Es war dann auch ein tolles Gefühl, alles gegeben zu haben und mit Platz drei belohnt zu werden.“

Für Samková selbst war es der Lohn für ihre harte Arbeit:

„Die zurückliegenden vier Jahre bin ich konstant in der Weltspitze mitgefahren, auch wenn ich ein paar Wellentäler durchlaufen musste. Aber hier habe ich erneut mein Können umgesetzt. Eine zweite olympische Medaille gewonnen zu haben, macht mich stolz. Auch deshalb, weil ich stets nur eine Chance habe.“

Karolína Erbanová  (Foto: ČTK)
Ihre Bronzemedaille wurde dann auch im Tschechischen Haus groß gefeiert.

Wie Eva Samková ist auch Eisschnellläuferin Karolína Erbanová im nordostböhmischen Vrchlabí / Hohenelbe aufgewachsen – dem Tor zum Riesengebirge. Beide Sportlerinnen sind nahezu gleich alt und auch gute Freundinnen. Und die Snowboarderin Samková war, den eigenen Worten zufolge, bei Karolínas Rennen noch nervöser als beim eigenen Finallauf. Sie drückte ihrer Freundin die Daumen, und es half: Erbanová gewann Bronze auf der 500-Meter-Sprintstrecke. Karolína sei für ihre Entbehrungen belohnt worden, merkte Samková an. Die Eisschnellläuferin lebt und trainiert seit vier Jahren in den Niederlanden, weil die Bedingungen für ihren Sport in Tschechien nicht auf Spitzenniveau sind. Die Umstellung sei ihr jedoch nicht leicht gefallen, betont die Bronzemedaillengewinnerin:

„Als ich dort begann, musste ich zunächst mein privates Leben, das sehr einsam wurde, mit dem Eisschnelllaufen in Einklang bringen. Dazu musste ich mich um das Sponsoring kümmern und ein Management finden, das alles unter einen Hut bringt. Und ich habe mir immer wieder bestätigen müssen, dass dies der richtige Schritt ist. Das war aber manchmal ziemlich schwer.“

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK)
Nun aber durfte sie den Lohn für ihre Mühen ernten:

„Für mich ist es wunderbar, dass ich quasi diese holländische Ära derart krönen konnte. Ich habe mir das alles selbst erarbeitet, daher bin ich auch sehr stolz auf mich.“

Bis zum Ende der Saison 2013/14 gehörte sie noch zur Trainingsgruppe von Eisschnelllauf-Coach Petr Novák, der auch Martina Sáblíková betreut. Die 30-Jährige war in Pyeongchang als dreifache Olympiasiegerin auf den langen Distanzen angereist. Und auf der 5000-Meter-Strecke war die Läuferin aus Žďár nad Sázavou sogar seit elf Jahren ungeschlagen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Doch ausgerechnet in der laufenden Saison klagte sie häufig über Rückenschmerzen, die ihre Vorbereitung auf Olympia stark beeinträchtigten. Deswegen war die Titelverteidigerin letztlich froh, in Südkorea auf ihrer Paradestrecke überhaupt eine Medaille gewonnen zu haben:

Martina Sáblíková: „Als ich an den Start ging und die Anfeuerung von den Rängen hörte, dachte ich nur: Ich darf wirklich keinen enttäuschen. Und erst recht nicht meinen Trainer, denn er hat in dieser Saison am meisten von allen mit mir gelitten.“

„Als ich die Ziellinie überfuhr und gesehen habe, dass ich Zweite bin, war ich überglücklich. Das kann sich keiner vorstellen, was für eine Genugtuung das für mich ist. Ich muss nur zurückschauen: Noch im November war ich beim Training nicht imstande, mehr als drei Runden zu laufen. Das war schrecklich.“

Doch in dieser schwierigen Phase hätten sie ihre Fans immer wieder aufgebaut, sagt Sáblíková. Sie hätten ihr mehrere Hunderttausend Textnachrichten mit aufmunterndem Inhalt geschickt. Das sei auch nach dem Olympiawettkampf über 3000 Meter nicht anders gewesen, als sie nur undankbare Vierte wurde, dankte die Eisschnellläuferin allen für die moralische Unterstützung. Und beim 5000-Meter-Rennen wurde sie von ihren Fans auch 8300 Kilometer weiter westlich, im Olympiazentrum von Brno / Brünn, angefeuert. Nicht minder stark war die unmittelbare Unterstützung durch tschechische Teamkameraden und Fans direkt vor Ort:

Petr Novák  (Foto: Milan Kopecký,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Als ich an den Start ging und die Anfeuerung von den Rängen hörte, dachte ich nur: Ich darf wirklich keinen enttäuschen. Und natürlich erst recht nicht meinen Trainer, denn er hat in dieser Saison am meisten von allen mit mir gelitten.“

Trainer Petr Novák gab das Kompliment aber prompt zurück:

„Wir haben voll auf die 5000 Meter gesetzt, denn diese Strecke kann Martina auch noch nach einer leichten Ermüdung gut laufen. Wir haben also nichts dem Zufall überlassen, denn wir wollten unbedingt eine Medaille. Es hat geklappt, weil wir im Training die richtige Dosierung gefunden haben. Aber in allererster Linie ist das das Verdienst von Martina. Darüber gibt es keine Diskussion.“

Michal Krčmář  (Foto: ČTK)
Der Löwenanteil der Erfolgsbilanz vor vier Jahren in Sotschi ging auf das Konto der Biathletinnen und Biathleten – sie gewannen fünf Medaillen. Zu den Spielen in Pyeongchang aber konnte ihre Beste, Sprint-Weltmeisterin Gabriela Koukalová, verletzungsbedingt nicht antreten. Und auch erprobte Wettkämpfer wie Ondřej Moravec und Michal Šlesingr waren nicht in optimaler Form. Deswegen waren die Erwartungen weit niedriger gesteckt als früher. Dennoch: Gleich zum Auftakt erkämpften Veronika Vítková Bronze und Michal Krčmář Silber in den beiden Sprintwettbewerben. Der 27-jährige Krčmář, der ebenso aus Vrchlabí stammt, gilt dabei als Hoffnungsträger für die Zukunft. Er sieht es ähnlich:

„In gewisser Weise wurden von den Biathleten gute Ergebnisse erwartet. Mich persönlich freut es, dass Veronika und ich mit unseren Medaillen in den Einzelkonkurrenzen an die Erfolge von Ondřej, Michal und Gabriela anknüpfen konnten. Es freut bestimmt auch die Trainer, dass sich der Kreis der Top-Athleten erweitert hat.“

Michal Krčmář: „Von den Biathleten wurden gute Ergebnisse erwartet. Mich persönlich freut es, dass Veronika und ich mit unseren Medaillen in den Einzelkonkurrenzen an die Erfolge von Ondřej, Michal und Gabriela anknüpfen konnten.“

Überhaupt nicht Spitze, sondern ein großer Flop waren indes die Ergebnisse der tschechischen Skispringer. 50 Jahre nach dem Olympiasieg von Jiří Raška gelangte keiner von ihnen bei den Einzelspringen unter die Top 20, und auch im Mannschaftsspringen reichte es nicht für das Finale der besten acht Teams. Roman Koudelka gab dann auch unumwunden zu:

„Wir haben uns gesagt: Versuchen wir was zu ändern und etwas zu reißen. Doch von Anfang an habe ich gemerkt, dass die Stimmung nicht ideal war, weil uns die ganze schlechte Saison in den Kleidern hängt. Ich habe versucht, die anderen aufzurichten und anzustacheln, doch das ist mit nur zum Teil gelungen. Denn dazu hätte auch ich noch ein paar Meter weiter springen können. Von daher haben wir als Team versagt.“

Foto: ČTK
Die zweite größere Enttäuschung war das Abschneiden der Eishockeyspieler. Sie wollten möglichst Gold, zumindest aber eine Medaille holen. Am Ende verloren sie aber das Halbfinale gegen Russland wie auch das Spiel um Platz drei gegen Kanada und wurden Vierte. So konnte Cheftrainer Josef Jandač letztlich nur konstatieren:

„Wir hatten die große Chance, hier eine olympische Medaille zu gewinnen. Vor allem deshalb, weil die Spieler aus der National Hockey League (NHL, Anm. d. Red.) nicht dabei waren. Wir haben die Chance nicht genutzt, umso größer ist unsere Enttäuschung. Und der Ärger darüber wird auch noch eine Zeitlang anhalten.“

Autor: Lothar Martin
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