Ondřej Černý – neuer Leiter des Tschechischen Zentrums München kommt vom Theater

Ondřej Černý (Foto: Šárka Ševčíková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Im Januar wird der Posten des Leiters des Tschechischen Zentrums in München neu besetzt. Die Direktorin Zuzana Jürgens wird nach vier Jahren durch Ondřej Černý abgelöst. Der neue Chef kommt aus der Theaterbranche: er war unter anderem als Direktor des Theaterinstituts in Prag und als Intendant des Prager Nationaltheaters tätig. Am Dienstag wurde Ondřej Černý in Prag als neuer Direktor des Münchner Zentrums offiziell vorgestellt. Im Folgenden ein Interview mit ihm.

Ondřej Černý  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Herr Černý, Sie kommen eigentlich aus der Theaterbranche. Sie waren bisher als Theaterwissenschaftler, aber auch als Theaterintendant tätig. Wie viele Stationen hatten Sie auf dem Weg nach München und welche waren es?

„Meine Karriere war eigentlich immer mit dem Theater verknüpft. Ich habe zehn Jahre lang das Theaterinstitut in Prag geleitet und danach fünfeinhalb Jahre das tschechische Nationaltheater in Prag. Nun bin ich sozusagen an einen Wendepunkt gekommen, mein Interesse wird sich jetzt erweitern. Nicht nur das Theater, sondern die ganze tschechische Kunstszene wird nun mein Thema sein - und natürlich auch die Medien, die tschechische Wissenschaft und die Universitäten. Das sind alles Bereiche, die ich in Süddeutschland – also in Bayern und Baden-Württemberg – in meiner neuen Rolle präsentieren werde.“

Prager Theaterfestival deutscher Sprache
Wenn wir über Ihre bisherige Tätigkeit im Theaterbereich sprechen, muss ich Ihr Engagement beim Prager Theaterfestival deutscher Sprache erwähnen. Als Dramaturg haben Sie dieses Festival deutlich geprägt...

„Ja, das stimmt, beim Theaterfestival war lange Jahre tätig. Ich wurde damals von Pavel Kohout gefragt, ob ich – neben Josef Balvín – als Dramaturg dabei sein will. Ich war dort dann fast zehn Jahre lang Dramaturg und stehe immer noch mit dem Festival in Kontakt. Natürlich hat sich meine Sicht inzwischen ein wenig verändert. Ich werde jetzt die so genannte zweite Schiene prägen und das verfolgen, über das wir im Rahmen des Festivals seit langem diskutieren: Ich werde versuchen, das tschechische Theater in Deutschland zu präsentieren. Denn da besteht noch ein Mangel, den man beheben sollte. Natürlich ist für mich das Dasein in München sehr interessant, weil die Stadt wirklich eine Theatermetropole ist. Hier zu wohnen, wo die Münchner Kammerspiele ihren Sitz haben, das ist schon eine Ehre für mich.“

Illustrationsfoto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Sie haben es eben erwähnt, Ihre Aufgabe ist jetzt nicht mehr, das deutsche Theater oder die deutsche Kultur in Tschechien zu präsentieren, sondern Sie verfolgen nun die Gegenrichtung. Welche Akzente wollen Sie dabei setzen? Möchten Sie sich gerade auf das Theater konzentrieren?

„Ich finde, dass man in dieser Berufung sein Know-how und seine Erfahrungen nutzen sollte. Natürlich habe ich relativ viel Erfahrung mit dem Theater, und deswegen will ich sie auch nutzen und versuchen, die Spur des tschechischen Theaters im deutschsprachigen Kontext deutlicher zu machen. Auf der anderen Seite aber ist es so: Mein Programmkonzept für das Tschechische Zentrum in München ist sozusagen noch in seiner Urversion in meinem Computer - ich bin in der Brainstorming-Phase. Ich möchte sehr gern an die Tätigkeit von Zuzana Jürgens anknüpfen, die zurzeit noch das Tschechische Zentrum in München leitet. Aber natürlich sollen meine eigenen Akzente hinzukommen. Was für mich sehr interessant ist, ist die Konzentration auf die tschechische Wissenschaft. Man sollte nicht nur die Kunstszene präsentieren, sondern auch versuchen, Persönlichkeiten der tschechischen Wissenschaft vorzustellen. Was mich weiter sehr interessiert, sind die tschechischen Hochschulen. Ich möchte bei der Vernetzung tschechischer Universitäten mit dem süddeutschen Raum behilflich sein. In der Kunstszene ist das tschechische Design ein großes Thema. Allgemein ist dies eine Priorität der Tschechischen Zentren, sie kann in München in Zusammenarbeit mit der Neuen Sammlung auch sehr konkret umgesetzt werden. Es gibt in der bayerischen Landeshauptstadt wirklich viele Möglichkeiten und große Herausforderungen. Man muss offen sein und immer die Kontexte verfolgen.“

Maxmilian-Straße in München  (Foto: Andreas Praefcke,  Wikimedia CC BY 3.0)
Als Dramaturg des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache haben Sie sicher bereits schon mehrmals München besucht. Sie sprachen auch vom Ensemble der Münchner Kammerspiele, das oft in Prag gastiert. Wie ist Ihre Beziehung zu dieser Stadt?

„Ich muss ehrlich sagen, dass die Beziehung wirklich sehr theaterorientiert ist. Ich würde sogar sagen, sie ist fachidiotisch theaterorientiert. Ich war wirklich schon viele Male in München, aber sehr oft wirklich nur in der Maxmilian-Straße. Für mich wird es jetzt eine große Ehre und große Chance sein, München komplex zu erfahren und zu sehen. Diese Stadt ist eine Kombination aus Kreativität und Abgeschiedenheit. Sie ist ganz anders als Berlin. München trägt Züge einer altertümlich konservativen Stadt. Das Leben ist dort ganz unaufgeregt und ordentlich, andererseits ist die Stadt eine sehr dynamische Kunstmetropole. Das ist eine Kombination, die fast nicht besser sein könnte für die Mission, die ich jetzt übernehme.“

Tschechisches Zentrum München  (Foto: Google Street View)
München und Bayern sind auch im tschechisch-deutschen Kontext sehr spezifisch. Einerseits leben dort viele Tschechen, die auch ihre eigenen Vereine haben, andererseits viele Sudetendeutsche, die aus der Tschechoslowakei gekommen sind. Beabsichtigen Sie, auch mit diesen Vereinen und Organisationen zusammenzuarbeiten?

„Ja natürlich, dies gehört dazu. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Man muss aber auch auf die eigentliche Rolle und Funktion des Tschechischen Zentrums achten: tschechische Themen im dortigen Umfeld zu prägen. Zugleich sind Menschen aus Tschechien, die in Bayern leben, die besten Vermittler. Ich darf mich also sehr darüber freuen, dass es dort eine so starke tschechische Präsenz gibt. Auf der anderen Seite muss ich auch andere Ziele und Rollen verfolgen.“

Freuen Sie sich schon auf München?

„Ja, sehr. Ich muss sagen, dass ich hier in Prag schon etwas nervös bin. Jetzt läuft die Vorbereitungsphase auf meine Mission, ich bin schon sehr gespannt. Aber ehrlich gesagt, man kann von hieraus nicht alles vorbereiten. Man muss schon dort sitzen, die Stadt spüren, die Münchner Luft atmen. Erst dann ist man wirklich fähig, ein Programm zu gestalten und auch neue Wege zu finden, wie man die tschechisch-bayerischen beziehungsweise tschechisch-süddeutschen Beziehungen in allen Bereichen verbessern kann.“