Open-Air-Ausstellung: 40 Zeitzeugengeschichten ersetzen Konew-Denkmal in Prag
„Nikogda ně zabuděm“ oder auf Deutsch: „Wir werden nie vergessen“. Diesen russischen Titel hat eine Open-Air-Ausstellung, die am vergangenen Samstag im Prager Stadtteil Bubeneč enthüllt wurde. Sie beschreibt die Beziehungen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion von 1945 bis zum Anfang der 1990er Jahre.
Fotografien, Texte und eine audiovisuelle Säule illustrieren die Rolle der Sowjetunion in der tschechoslowakischen Geschichte. Die Ausstellung dokumentiert die Befreiung des Landes von den nationalsozialistischen Besatzern, die stalinistischen 1950er Jahre, die Okkupation der Tschechoslowakei von 1968 sowie den Abzug der sowjetischen Truppen Anfang der 1990er Jahre. Zusammengestellt wurde dieser Blick in die júngere Geschichte vom Verein „Post Bellum“. Er ist an jenem Ort zu sehen, an dem von 1980 bis 2020 ein Denkmal für den Sowjetmarschall Iwan Konew stand. Der Historiker Michal Šmíd ist Kurator der Schau:
„Wir, die das Zeitzeugenprojekt Paměť národa betreuen, sind vor allem Sammler von Menschengeschichten. Schon seit 20 Jahren sammeln wir die Lebensgeschichten von Zeitzeugen. Wir bemühen uns, sie aufzubewahren, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie in einer verständlichen und möglichst attraktiven Form weiterzuerzählen. Als wir vom sechsten Prager Stadtbezirk dazu angefragt wurden, am Ort der Statue von Marschall Konew eine Ausstellung zu zeigen, haben wir das Angebot gerne angenommen.“
Die Eröffnung der Schau war dem Historiker zufolge schon früher geplant gewesen, wurde aber wegen der Corona-Pandemie mehrere Male verschoben. Am Samstag, dem 76. Jahrestag des Kriegsendes, ist es nun aber dazu gekommen. Šmíd findet das Datum sehr passend.
„Das Motiv des Kriegsendes, die Befreiung, hat für die tschechisch-russischen oder in diesem Fall eher tschechoslowakisch-sowjetischen Beziehungen eine tragende Bedeutung. Wir erzählen die Zeitzeugengeschichten direkt vor Ort - dort wo sich das Denkmal befand.“
Insgesamt 40 Zeitzeugengeschichten wurden in vier Themenkreise eingepasst: Es beginnt mit der „Befreiung“, zu der die Kriegsjahre sowie 1945 gehören. Es folgen der thematische Teil „Aufsicht“, in dem die 1950er Jahre im Mittelpunkt stehen, der „Einmarsch“, der das Jahr 1968 betrifft, sowie der „Abzug“. Der letzte Teil beleuchtet den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und den Abzug der sowjetischen Truppen aus der Tschechoslowakei.
Die Ausstellung wirft auch einen Blick auf jene russischen Familien, die 1917 vor den Bolschewiki in die Tschechoslowakei geflüchtet waren und 1945 vom sowjetischen Geheimdienst in die Sowjetunion verschleppt wurden, wo sie meist im Gulag landeten. Der Historiker:
„Das Thema haben wir auch aus dem Grund aufgegriffen, weil viele der nicht-kommunistischen russischen Emigranten in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gerade in den Prager Stadtvierteln Dejvice und Bubeneč lebten. Dies ist ein interessantes, aber leider oft tragisches Kapitel aus unserer Geschichte. Denn das Sowjetregime hat sich auch Jahrzehnte später an diesen Menschen gerächt. Auf die sowjetischen Armeetruppen folgten sofort Agenten des Militärnachrichtendienstes, die Vertreter der Exilanten verhafteten und nach Sibirien schickten.“
Die Ausstellung „Wir werden nie vergessen“ ist auf dem Platz Náměstí Interbrigády im sechsten Prager Stadtbezirk zu sehen – und zwar noch bis Ende Januar kommenden Jahres. Die Zeitzeugengeschichten aus der Ausstellung sind auch auf der Webseite des Projekts Paměť národa veröffentlicht. Die Adresse lautet https://konev.pametnaroda.cz/. Alle Geschichten gibt es auf Tschechisch und Englisch.