Ostern zu Corona-Zeiten – eine Herausforderung

Tomas van Zavrel (Foto: YouTube Kanal von Tomas van Zavrel)

Für die Gläubigen ist es in diesem Jahr ein ganz besonderes Osterfest. Wegen der Corona-Pandemie können sie nicht bei Gottesdiensten in den Kirchen zusammentreffen. Es gibt aber doch Möglichkeiten, das größte Kirchenfest miteinander zu feiern. Auch die Pfarrgemeinde im südböhmischen Hluboká / Frauenberg hat sich schon zuvor auf die Ostertage vorbereitet. Martina Schneibergová hat darüber mit dem dortigen Pfarrer, Tomas van Zavrel, gesprochen. Das Interview entstand noch vor dem Osterbeginn.

Tomas van Zavrel  (Foto: YouTube Kanal von Tomas van Zavrel)
Pater van Zavrel, die Zeit der Corona-Pandemie ist eine besondere Zeit für die Gläubigen. Sie haben inzwischen schon Live-Übertragungen der Gottesdienste aus der Kirche in Hluboká organisiert, in der Sie jedoch allein waren. Wie haben Sie sich mit ihrer Pfarrgemeinde auf das Osterfest vorbereitet?

„Es ist eine große Herausforderung, da wir nicht zusammen sein können. Die Gemeinschaft fehlt uns jetzt. Wir leben in einer modernen Zeit, und da habe ich mit meinem Team vom Bistum überlegt, wie wir die modernen Tools nutzen können, um andere zu erreichen. Für die Kirche in Hluboká, in der es eine Livestream-Kamera gibt, haben wir uns ein Programm ausgedacht, mit dem wir die Menschen, die zu Hause sind, in die Liturgie irgendwie einbeziehen. Die Liturgie ist zu Ostern sehr reich und symbolisch und geht sehr tief. Wir können jedoch vieles nicht machen, weil die Leute nicht in der Kirche sind, ich bin dort allein. Aber beispielsweise am Donnerstag gibt es die Fußwaschung. (Am Vorabend seines Todes wusch Jesus Christus während des letzten Abendmahls seinen Jüngern die Füße. Anm. d. Red.) Dies können wir in der Gegenwart nicht in der Kirche machen, aber ich habe einige Familien gebeten, die Fußwaschung zu filmen. Leute, die allein zu Hause sind, können dann die Videoaufnahmen sehen. Am Karfreitag fordern wir die Menschen auf, dass sie ein Kreuz auf den Tisch legen. Wir haben die Mitglieder der Pfarrgemeinde gefragt, ob sie die Lesungen auf Video aufnehmen und die Psalmen singen können. Der Mitarbeiter in seinem Studio ist imstande, die Lesungen, Psalmen und Fürbitten in den Livestream rein zu bringen, sodass die Leute virtuell an der Messe teilnehmen können.“

Wie wird es in der Osternacht sein?

„Wir versuchen, die Menschen in die Messe miteinzubeziehen.“

„Mit der Osternacht wird es ganz speziell sein. Normalerweise ist es kalt in der Kirche, die Leute haben nicht so viel Geduld – das ist meine Erfahrung. Ich habe noch nie alle Lesungen in der Kirche während der Osternacht gelesen. Jetzt, wenn die Leute in der Wärme zu Hause sind, werden alle Lesungen gelesen, und zwar von den Mitgliedern der Pfarrgemeinde. Wir werden alle Psalmen singen und Kommentare dazu haben. Wir haben ein Video, auf dem Menschen das Osterfeuer auf dem Hof ihres Hauses machen. Wir haben ein Video machen lassen, in dem ein Mädchen zeigt, wie die große Osterkerze gemacht wird. Auf diese Weise versuchen wir, die Menschen in die Messe miteinzubeziehen. Ich glaube, dass es sehr schön sein kann.“

Foto: YouTube Kanal von Tomas van Zavrel
Ich denke, dass die Menschen in der letzten Zeit viele Alltagsprobleme haben, die mit der Corona-Krise zusammenhängen. Wenden sie sich mit diesen Problemen auch an Sie?

„Ich bin sehr stolz auf die Tschechen, dass sie imstande sind, sich gegenseitig zu helfen. An mich als Priester wenden sich nicht so viele Leute. Ich versuche, die älteren Leute anzurufen, um ihnen Mut zuzusprechen oder die Kranken telefonisch zu erreichen. Aber ich habe den Eindruck, dass die Menschen wirklich einander helfen und das sich nicht alles um den Priester herum dreht. Meine Kollegen und ich haben ein Programm für die Senioren in den Seniorenheimen zusammengestellt. Denn sie sind in diesen Tagen wirklich von der Welt isoliert, sie können keine Besuche empfangen. Wir haben ein fünfteiliges Programm mit Musik und mit Geschichten aufgenommen und es den Seniorenheimen zur Verfügung gestellt, um die Menschen dort aufzumuntern. In der Gegenwart arbeiten wir an einem Programm für die Hospize. Auf diese Weise möchten wir helfen und auch inspirieren. Diese Zeit ist nicht nur eine anstrengende Zeit der Pandemie, in der wir nicht wissen, ob wir uns anstecken oder nicht. Sie stellt auch eine Herausforderung in der Fastenzeit dar, einen Fortschritt zu machen.“

Meinen Sie, dass diese Zeit eine Herausforderung für die Menschen sein kann, den Glauben zwar bescheidener, aber tiefer zu erleben?

„Ich bin davon überzeugt, dass die Leute jetzt – wer will – nach einer Tiefe suchen und erkennen, wie schwierig das ist.“

„Ja, bestimmt, nicht nur sein kann, aber sie ist es. Ich sehe jetzt auch viele Möglichkeiten dafür, die digitale Welt zu nutzen. Die evangelischen Gläubigen waren schon früher imstande, die virtuellen Möglichkeiten zu nutzen. Das haben wir in Tschechien bisher selten gemacht. Ich sehe für mich als Pfarrpriester so viele Möglichkeiten, und es ist überhaupt nicht schwierig, damit zu arbeiten. Ich denke, es ist für uns auch eine Herausforderung, zu begreifen, dass unser Glaube nicht nur mit dem Gottesdienst zusammenhängt. Ich glaube, dass der Katholik das Problem hat, dass die Messe das Maximum ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Leute jetzt – wer will – nach einer Tiefe suchen und erkennen, wie schwierig das ist. Natürlich gibt es Leute, die gerne ausschlafen und froh sind, dass sie am Sonntag nicht in die Kirche gehen müssen. Das ist nicht schlimm, denn es ist besser, realistisch zu sein, und nicht in die Kirche zu gehen. Jesus sagt, dass Christ nicht derjenige ist, der nur ,ja, ja‘ sagt, sondern derjenige, der geht und das Leben lebt, wie es Christus gelebt hat. Ich hoffe, dass wir nach der Pandemie nicht wieder zum alten Leben zurückkehren. Viele Katholiken gehen am Sonntag in die Kirche und beten am Abend und am Morgen ein Vaterunser und fertig. Ich hoffe, dass wir wachgerüttelt werden. Dies gilt auch für die Gesellschaft, dass Leute, die Gott nicht kennen, aber einander geholfen haben, so auch weiterhin handeln werden. Es wäre traurig, wenn wir zum alten Leben in der Konsumgesellschaft zurückkehren würden.“

Kirche Sankt Johannes Nepomuk in Hluboká nad Vltavou  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prague International)
Ich habe Sie als Pfarrer vor einigen Jahren im Böhmerwald erlebt: in Kašperské Hory / Bergreichenstein, in St. Maurenzen und an anderen Orten. Seit Sommer 2016 sind Sie Pfarrer in Hluboká und leiten das Diözesanzentrum. Hat sich für Sie damit etwas grundsätzlich geändert? Zieht es Sie noch in den Böhmerwald?

„Der Böhmerwald bleibt die erste Liebe, das kann man nicht vergessen. Mein Leben hat sich wirklich geändert, weil ich jetzt einem sehr breiten Kreis von Menschen diene: Es sind Familien mit Kindern, Jugendliche, Senioren usw. Ich habe eine relativ große Gruppe von 25 Mitarbeitern, mit denen ich zusammenarbeite.“

Was würden Sie den Menschen zum Osterfest wünschen?

„Ich würde jedem wünschen, dass dieses Osterfest unvergesslich wird – nicht nur, dass nie mehr das, was jetzt passiert ist, passiert, sondern dass es uns auf eine unvergessliche Weise beeinflusst und verändert. Ich würde uns wünschen, dass die Auferstehung nicht nur eine theoretische Sache ist, die wir aus der Bibel kennen, sondern dass wir auch auferstehen aus dem alten Leben, dass wir wirkliche Zeugen Christi werden. Das Schöne am Christentum ist, dass wir nicht jemand überzeugen müssen, es reicht, dass wir Zeugen sind. Ich hoffe, dass unsere Kirche aus der Lethargie auferstehen wird, in der wir drin sitzen.“

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