Parteiporträt Nr. 3: Top 09
Top 09 – wie der Namenszusatz 09 schon sagt, ist sie die jüngste Partei, die in wenigen Tagen im Abgeordnetenhaus Platz nehmen wird. So ziemlich genau ein Jahr ist sie alt und hat bei den Wahlen einen Stimmenanteil abgeräumt, der nicht nur als Achtungserfolg bezeichnet werden kann.
Zunächst einmal zwei bekannte Gesichter. Eines von beiden ist umstritten, das andere äußerst beliebt. Umstritten ist der Macher der Partei, Miroslav Kalousek. Er war bis vor gut einem Jahr Christdemokrat (KDU-ČSL) und Finanzminister der letzten gewählten Regierung Topolánek. 2008 wurde er vom Magazin Emerging Markets zum „Finanzminister des Jahres“ der mittelosteuropäischen Region gekürt.
Umstritten ist Kalousek vor allem deshalb, weil er häufig auf Posten saß, die weniger Publicity, dafür aber mehr Macht und Einfluss mit sich brachten. Wirtschaftexperte in Diensten der Regierung, ab 1993 stellvertretender Verteidigungsminister; und als solcher hielt er die finanziellen Fäden des Ressorts und der Armee fest in der Hand - inklusive lukrativer Ausschreibungen. Seine persönliche Nähe zur Rüstungslobby war und ist vielen verdächtig. Dies und andere Affären konnten Kalousek aber nicht das Genick brechen. Er ist ein Polit-Pragmatiker und das hat er erneut bewiesen, als er sich seine eigene Partei Top 09 schuf und Fürst Karel zu Schwarzenberg als Parteichef gewann.
Der 72-jährige Schwarzenberg ist nämlich einer der beliebtesten, wenn nicht der beliebteste Politiker, den die tschechische Parteienlandschaft zu bieten hat. Seine Stationen: Die einflussreiche Adelsfamilie musste 1948 nach Österreich fliehen, seit den 60er Jahren unterstützte Schwarzenberg vom Ausland aus die tschechoslowakischen Dissidenten, setzte sich als Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für die Menschenrechte ein, wurde nach der Wende einer der engsten Vertrauten von Präsident Václav Havel und 2004 Senator. Von den Grünen berufen, saß er seit 2007 als Außenminister in derselben Regierung wie Miroslav Kalousek. In dieser Zeit sammelte der unabhängige Schwarzenberg Kredit bei der Bevölkerung.
Das Gemeinschaftsunternehmen der beiden Polit-Profis hat klare Konturen. Sie sind im Namen Top 09 erkennbar: Tradition – Verantwortung – Prosperität. Die Partei versteht sich als konservative, pro-europäische Alternative und konnte genau mit diesen Eckpfeilern auch und vor allem bei der jungen gebildeten Wählerschaft punkten. Die regionalen Mitgliederstrukturen sind jedoch noch dürftig. Trotzdem: ein kometenhafter Start für eine Newcomer-Partei mit alten Hasen an der Spitze. Eine Partei mit Zukunft? Der Politologe Robert Schuster:„Es ist sicherlich eine regierungsfähige Partei. Dafür bürgen schon die wichtigsten Vertreter, Karel Schwarzenberg und Miroslav Kalousek. Das Problem bei der Partei ist dieses „09“ hinter dem Parteinamen. Ist diese Partei nicht nur für die einen Wahlen konzipiert worden, für die (nicht stattgefundenen, Anm. d. Red.) Wahlen 2009? Wird es diese Partei auch in vier, fünf oder zwölf Jahren noch geben? Das ist die Frage für die Zukunft, denn auch wenn sie noch so sehr auf Internet, auf neue Medien setzt – eine Partei ohne Basis ist keine Partei. Jede Partei wird früher oder später von Krisen eingeholt und dann passiert es, dass das Führungspersonal zurücktritt, und dann muss neues her. Das heißt, für die Zukunft dieser Partei ist die Rekrutierung einer tragfähigen Mitgliederbasis die essentielle Frage.“