Perle der Industriearchitektur: alte Kläranlage in Bubeneč
Auch wenn es weder ein Schloss, noch ein Sakralbau ist, steht es unter Denkmalschutz. Das Areal der ehemaligen Kläranlage im sechsten Prager Stadtbezirk gehört zu den bedeutendsten Industriebauten in der tschechischen Hauptstadt. Zur Rettung der Einrichtung trug eine Gruppe von passionierten Bewunderern technischer Sehenswürdigkeiten bei, die sich noch vor der Wende für das Schicksal der Kläranlage zu interessieren begannen. Seit 1996 ist der Industriebau, in dem das Ökologisch-Technische Museum eingerichtet wurde, für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die Kläranlage wurde Holota zufolge nach einem Entwurf des Ingenieurs William Heerlein Lindley errichtet, der Ende des 19. Jahrhunderts als Baurat in Frankfurt wirkte. Mit dem Bau wurde Architekt Quido Bělský beauftragt und am 27. Juni 1906 begann man mit dem Testbetrieb. Der größte Teil der Einrichtung ist bis heute im Gebäude erhalten geblieben. Martin Holota:
„Die Besucher können hier eine Kläranlage aus dem Jahr 1906 besichtigen. Man findet hier die Originaltechnologie sowie zwei immer noch betriebsfähige Dampfmaschinen, die früher die Pumpen betrieben. Die Kläranlage verfügte über einen eigenen elektrischen Generator. Diese Ausstattung bildet die Grundlage der Ausstellung dieses Museums. Die Maschinen kann man in schönen, gewölbten unterirdischen Räumen bewundern, die aus Ziegeln gebaut sind.“
Wie Martin Holota bemerkt, sammeln die Freunde des Museums eigentlich verschiedenste Gegenstände, die mit der Kanalisation zusammenhängen – wie beispielsweise die Ausstattung alter Baderäume, Waschmaschinen, aber auch Nachttöpfe. Sie bemühen sich außerdem darum, alte Dampfmaschinen zu retten und zu reparieren. In der Museumssammlung gibt es auch verschiedene Maschinen zur Energieproduktion und historische Motoren.
Heute ist das Prager Ökologisch-Technische Museum Treffpunkt tschechischer sowie ausländischer Bewunderer technischer Sehenswürdigkeiten. Denn die ehemalige Kläranlage ist Schauplatz vieler Veranstaltungen der Biennale, die unter dem Titel „Spuren der Industriekultur“ seit Mitte September an verschiedenen Orten Tschechiens stattfindet. Neben einigen Konzerten und einer internationalen Konferenz über das Industrieerbe kann man im Museum einige Ausstellungen zum Thema der Industriekultur sehen. Vladislava Valchářová arbeitet im Forschungszentrum für das Industrieerbe an der Technischen Universität in Prag. Im Rahmen der Biennale hat sie eine Ausstellung unter dem Titel „Was haben wir abgerissen“ in der Kläranlage zusammengestellt:
„Während unserer Suche nach dem Industrieerbe mussten wir leider feststellen, dass die Industriearchitektur allmählich liquidiert wird. Die Industriebauten werden immer rasanter beseitigt. Vor zehn Jahren wurde beispielsweise Ringhoffers Fabrik im Prager Stadtteil Smíchov abgerissen. In der Ausstellung beschreiben wir technische Sehenswürdigkeiten, die in den Jahren 1999 – 2009 verschwunden sind. Im Bildband, der anlässlich der Biennale erschien, sind zudem auch die zehn am stärksten gefährdeten Industriebauten vorgestellt, die wahrscheinlich diesem traurigen Schicksal nicht entgehen werden.“
Auf der Wand des Museums werden Bilder von nicht mehr existierenden Bauten projiziert – so wie sie einst ausgesehen und wie sie sich bis zu ihrem Abriss entwickelt haben. An deren Stelle befinden sich heutzutage entweder Parkplätze, Supermärkte oder aber auch Brachflächen. Der Abriss war manchmal völlig sinnlos, weil anstelle der Industriegebäude gar nichts Neues gebaut wurde. Insgesamt seien während der letzten zehn Jahre in Tschechien etwa 200 technische Sehenswürdigkeiten verschwunden, sagt Vladislava Valchářová. In der Ausstellung sind 130 dieser Bauten beschrieben. Hinzu kommen die zehn noch existierenden Gebäude, die jedoch bald abgerissen werden sollen. Die Expertin:
„Einige Teile des Prager Bahnhofs Bubny wurden vor einigen Jahren zum Kulturdenkmal erklärt. Jedoch wurde auf Wunsch des neuen Besitzers des Geländes dieser Status wieder aufgehoben. Der Bahnhof wird abgerissen werden und sich in eine große Baustelle verwandeln, sobald die Firmen wieder Geld haben. Eine weitere gefährdete Prager Sehenswürdigkeit ist der funktionalistische Güterbahnhof im Stadtteil Žižkov. Dieses Gelände wurde zwar nicht zum Kulturdenkmal erklärt, aber er ist ein Wahrzeichen des Stadtteils. Anstelle des Bahnhofs sollen Wohnungen für 15.000 Menschen erbaut werden. Ich meine, dass dieser Stadtbezirk so viele Wohnungen gar nicht braucht. Außerdem soll vom Bahnhof gar nichts erhalten bleiben, was schade ist.“
Zu den stark gefährdeten Industriebauten gehören der Expertin zufolge nicht nur die beiden Prager Bahnhofareale, sondern auch einige Industriegebäude außerhalb von Prag. Vladislava Valchářová erinnert beispielsweise an die Baumwollspinnerei im nordböhmischen Bystřany, die vom damals sehr bekannten Teplitzer Architekten David Ferber erbaut wurde. Industriebauten sollen der Expertin zufolge aus mehreren Gründen erhalten bleiben:
„Sie sind Bestandteil unserer Geschichte. In vielen Familien sind einige Generationen – der Großvater, Vater und Enkel - einhundert Jahre lang irgendwohin zur Arbeit gegangen. Das Industriewerk gehörte zu ihrem Leben. Zudem darf man nicht vergessen, dass viele der tschechischen Industriezweige zur Weltspitze gehörten. Es gibt auch Romantiker einer besonderen Art, die eine historische Fabrik mehr fasziniert als eine romanische Kirche. Die Industriearchitektur ist eindeutig ein wichtiger Bestandteil unseres Kulturerbes.“
Zum Kulturerbe gehört zweifelsohne auch die alte Kläranlage, in der das Ökologisch-Technische Museum eingerichtet wurde. Geöffnet ist das Gebäude nur samstags und sonntags vom 25. April bis zum 25. Oktober. Führungen für Besuchergruppen kann man für einen beliebigen Termin vereinbaren, und zwar unter der Telefonnummer +420 777 170 636. Mehr über das Museum erfahren Sie unter www.ekotechnickemuseum.cz .