Perspektiva 2009: Oberfrankens Wirtschaft stellt sich vor
Oberfränkische Unternehmen haben sich in Prag vorgestellt. Vom 24. bis 26. Juni fand hier die Perspektiva 2009 statt, das erste oberfränkisch-tschechische Wirtschaftstreffen in Prag. Veranstaltet wurde es von der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken in Bayreuth. Die Wirtschaft des nordostbayerischen Bezirks ist breit gefächert, eine Stärke sind – neben Kunststoffwaren, Maschinenbau, Keramik und Glas – auch regionale Spezialitäten des Nahrungsmittelsektors. Genau diese standen auf der Perspektiva 2009 im Mittelpunkt. Damit die oberfränkischen Spezialitäten ihren Weg auf den tschechischen Markt finden, sind aber auch Landeskenntnis und Vernetzungen nötig. Auch sie half die Perspektiva 2009 aufzubauen. Maria Hammerich-Maier war vor Ort.
Norbert Raps ist der Projektleiter der Perspektiva 2009 an der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken in Bayreuth. Er erklärt, warum die Wirtschaft Oberfrankens in Prag ausgerechnet mit regionalen Spezialitäten vorgestellt wurde.
„Wir versuchen über Emotionen, über Gaumenfreuden, über Genuss, auch über Kultur hier in Prag ins Gespräch zu kommen. Wir sprechen über Bier, über Wurst, Fleisch, über Backwaren auch über Tabak, in Bayreuth gibt es die größte Tabakfabrik Europas.“Diese emotional besetzten Themen kämen besser an, als das kalte Eisen, der harte Kunststoff oder die spröde Keramik, zumal wenn es um allgemeines Networking der Region geht. Außerdem seien die oberfränkischen Spezialitäten-Hersteller gut aufgestellt:
„Wir haben vor zwei Jahren einen Verein mit dem Namen ‚Großregion Oberfranken’ gegründet. Darin sind Lebensmittelfirmen vereinigt, Metzgereien, Bäckereien, Bierbrauereien, die versuchen, Märkte gemeinsam zu erobern. Diese Betriebe haben festgestellt, dass sie durch Synergien, durch Zusammenschlüsse und gemeinsame Qualitätsoffensiven mehr erreichen können.“
Bei der Perspektiva 2009 bewirteten diese Unternehmen mit ihren Spezialitäten die Gäste. Oberfranken weist die größte Dichte an Metzgereien, Bäckereien und Brauereien pro Einwohner weltweit auf. An Tschechien angrenzend, wollen die Hersteller ihre Lebensmittel-Spezialitäten auch auf dem Absatzmarkt des Nachbarlandes durchsetzen, wie zum Beispiel diese Kleinbrauerei aus dem grenznahen Ahornberg:
„Wir sind eine kleine, private Brauerei im oberfränkischen Raum, und wir erwarten uns, dass wir unser Bier in der Tschechischen Republik bekannt machen können, damit der tschechische Kunde auch einmal sieht, dass es ein anderes, ein handwerklich gebrautes Bier gibt. Ich bringe es einmal auf einen einfachen Nenner: Unser Bier ist wie Frischmilch, im Unterschied zur H-Milch. Und wir hoffen, dass wir hier vielleicht einen Verleger finden, der sich unseres Bieres annimmt, sodass wir es hier verbreiten können.“
Die Ahornberger Brauerei setzt also auf erlesene Qualität, einige Firmen haben mit dieser Strategie bereits reüssiert. Norbert Raps:„Eine Firma hat sich auf Schokoladenherstellung spezialisiert, auf hochwertigste Pralinen in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Und diese Firma hat in der Tat bei Fünfsterne-Hotels in Tschechien Erfolg gehabt. Sie hat Aufträge bekommen in Tschechien, denn es gibt bei den einheimischen Herstellern noch keine Nische für diesen Luxusartikel.“Damit die Klein- und Mittelbetriebe aus Oberfranken in Tschechien Fuß fassen können, bedarf es aber nicht nur hochwertiger Produkte, sondern die Unternehmer müssen auch über die hiesigen Verhältnisse Bescheid wissen. Um diesen Aspekt kümmerte sich die Perspektiva 2009 mit Vorträgen zur Wirtschafts- und Rechtslage in Tschechien.
Mit Bedacht gewählt war auch der Ort, an dem sie stattfand: Das Botel GolfYacht. Ein „Vier-Ankerchen-Hotel“, wie sein Besitzer Jan Vlček stolz erklärt, das unterhalb der Liben-Brücke in Prag liegt.
„Dieses Schiff lag ursprünglich in Hamburg vor Anker, es war das Clubschiff der einstigen Tschechoslowakischen Binnenschifffahrts-Gesellschaft. Fast jeder in Hamburg kannte das Schiff. Und jetzt ist es hier in Prag, also ist ein Stück Hamburg nach Tschechien gekommen.“
Der in der Bremer Werft erbaute, 80 m lange Kahn, getauft auf den Namen „Praha“, hatte schon ausgedient und war dabei zu verrosten, da ersteigerte ihn Jan Vlček für eine beträchtliche Summe und beauftragte den Bayreuther Designer Miro Pistek, den Kahn zu einem Hotel umzugestalten. Das Botel sei eine Attraktion für Hamburger Prag-Touristen, sagt Jan Vlček; um diese bemüht sich der Botel-Besitzer daher ganz besonders. Die GolfYacht ist somit selbst ein schillerndes Beispiel für eine gelungene oberfränkisch-tschechische Kooperation.Das Projekt beeindruckte allgemein, Konsul Antonín Nádvorník vom tschechischen Generalkonsulat in München machte da keine Ausnahme. Das Generalkonsulat ist ein viel gesuchter Ansprechpartner für bayerische Unternehmen, die nach Tschechien expandieren wollen. Antonín Nádvorník:
„Das Interesse der Firmen lässt nicht nach, es hält weiterhin an, ändert sich jedoch in der Ausrichtung. Heute fragen bei uns hauptsächlich Firmen an, die in Tschechien solare Kraftwerke bauen wollen. Das hat damit zu tun, dass Tschechien im Bereich der Solartechnik besonders günstige Bedingungen bietet.“
Die tschechischen Stromversorger sind nämlich verpflichtet, den Solarstrom abzunehmen, und der Preis ist nicht nur per Gesetz festgelegt, sondern auch auf 10 Jahre hinaus garantiert. Doch nicht nur die Branchen ändern sich.
„Interessant ist auch die Art der Anfragen. Sie geht in letzter Zeit mehr in Richtung einer Zusammenarbeit der bayerischen und tschechischen Seite“,
berichtet Antonín Nádvorník. Früher wollten die bayerischen Unternehmen in Tschechien vor allem ihre Produkte verkaufen, jetzt wollen sie also mehr. Ein Anzeichen dafür, dass sich die Verhältnisse in den beiden Regionen immer mehr angleichen.
Die Industrie und Handelskammer für Oberfranken hat die Firmen schon seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bei ihrem Engagement im Nachbarland stetig begleitet, mit der Perspektiva 2009 setzte sie dieses Engagement fort.Auf ihre Initiative wurde der tschechische Landesverband der Wirtschaftsjunioren ins Leben gerufen. Der Verband der Wirtschaftsjunioren ist eine weltweite Vereinigung junger Unternehmer. In Deutschland vereinigt er 11 000 Führungskräfte im Alter bis zu 40 Jahren. In Tschechien gibt es mittlerweile drei Regionalverbände, in Cheb / Eger, Prag und České Budějovice / Budweis. Vertreter aller drei tschechischen Regionalverbände etablierten nun zusammen den tschechischen Landesverband.
„Meiner Ansicht nach ist die Gründung des Landesverbands wichtig für die Vernetzung zwischen den jungen Unternehmern. Denn es gibt zwar zahlreiche andere Medien, mit denen wir kommunizieren können, aber hier handelt es sich um einen persönlichen, langfristig Kontakt“,
begründet Petr Pultar aus Cheb seine Mitgliedschaft. Die Gründung des Landesverbandes fand im Captains-Lounge der GolfYacht statt – ein passender Ort für den Anlass.
Ein Höhepunkt der Perspektiva 2009 war die Teilnahme am diesjährigen Sommerfest der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer im Garten der deutschen Botschaft in Prag. Die oberfränkischen Spezialitäten mögen da vielleicht noch nicht ihre Abnehmer gefunden haben, die Gaumen der Gourmets eroberten sie jedoch bestimmt.