Picknick aller Generationen: Ackermann-Gemeinde feiert 75 Jahre Bestehen
Durch die Corona-Pandemie ist die Zahl der grenzüberschreitenden Begegnungen in den vergangenen anderthalb Jahren stark zurückgegangen. Schon deswegen war das Deutsch-Tschechische Picknick am Samstag auf dem Prager Vyšehrad eine schöne Gelegenheit für Menschen aus beiden Ländern, sich endlich auch einmal wieder in der tschechischen Hauptstadt zu treffen. Die Ackermann-Gemeinde feierte damit ihr 75-jähriges Bestehen. Sie wurde 1946 von vertriebenen katholischen Sudetendeutschen gegründet und engagiert sich heute im Dialog über die Grenzen hinweg. Entsprechend war das Angebot bei dem Picknick breit: Es reichte von Diskussionen mit Zeitzeugen über Filmvorführungen und Lesungen bis zu einem „meditativen Konzert“ auf der Karlsbrücke. Matthias Dörr ist der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde. Beim Treffen am Samstag entstand das folgende Gespräch.
Herr Dörr, die Ackermann-Gemeinde begeht ihren Geburtstag mit einem Picknick. Warum dieses Format?
„Wir wollten zu unserem Fünfundsiebzigsten etwas Besonderes machen und uns in die Öffentlichkeit trauen. Es sollte ein Projekt sein, mit dem wir auch Personen ansprechen, die weder unsere Mitglieder sind noch zu unserem engeren Freundeskreis gehören. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Themen auch für andere interessant sind. Dieses Wagnis sind wir eingegangen – und bislang läuft es ganz gut.“
Hatten Sie keine Bedenken, dass Corona vielleicht im letzten Moment noch Ihre Pläne zunichtemacht?
„Natürlich sind wir ein bisschen auf Risiko gegangen. Aber wir hatten die Hoffnung, dass es klappen wird. Ansonsten hätten wir das nicht mit diesem Engagement gestartet.“
Beschreiben Sie doch für unsere Hörer ein bisschen, was hier auf dem Vyšehrad alles passiert. Es gibt hier mehrere Zelte, in denen Vorträge und Diskussionen laufen. Sie haben einen Gottesdienst gefeiert. Und ich glaube, es gab sogar ein Bootsrennen auf der Moldau…
„Es war kein Bootsrennen, um mit dem gestrigen Tag anzufangen, sondern eine Wette mit dem tschechischen Außenminister Jakub Kulhánek. Wir haben gesagt, dass wir es schaffen, 27 Boote – oder besser: schwimmende Objekte – mit den 27 Fahnen der EU auf die Moldau zu bringen. Und es hat geklappt. Wir haben letztlich sogar 29 Boote losgeschickt. Sehr schön war, dass Minister Kulhánek auch gekommen ist und seine Wette direkt eingelöst hat. Dafür brachte er ein Fass Bier mit, was der Stimmung gut getan hat. Hier auf dem Vyšehrad gibt es ein sehr buntes Programm. Und ich glaube, dass es auch widerspiegelt, was die Ackermann-Gemeinde ist. Zum einen sind wir ein christlicher Verband und hatten, wie Sie richtig erwähnt haben, den Gottesdienst. Wir haben zudem ein ‚Gotteszelt‘, in dem Personen aus dem kirchlichen Umfeld berichten und erzählen. Aber gleichzeitig engagieren wir uns in der deutsch-tschechischen Nachbarschaft – das ist ein wichtiges Thema im Nachbarschaftszelt. Zudem ist für uns die Kultur von Bedeutung, weil sie verbindet und wir sie leben. Unter anderem gab es gestern ein Konzert, heute wird Musik auf der Wiese gespielt. Ebenso wird über Kultur gesprochen – über Literatur und Film. Die böhmische Kultur verbindet Deutsche und Tschechen. Sie ist so reich, und vieles Neues ist am Entstehen. Zahlreiche Menschen, die auch eine deutsch-tschechische Biographie haben, sind im künstlerischen Bereich tätig. Und nicht zuletzt sind wir ein Verband aller Generationen, deswegen gibt es ebenso ein Kinderzelt. Tatsächlich sind auch alle Generationen hier vertreten – vom Kleinkind bis zu Zeitzeugen, die noch den Zweiten Weltkrieg und Flucht und Vertreibung erlebt haben. Und das freut mich sehr.“
Sind Sie mit dem Besucherzulauf zufrieden?
„Wir haben ja Glück mit dem Wetter – und ich glaube, das wirkt sich positiv auf den Zulauf aus. Die Programmpunkte sind so besucht, wie wir uns das gewünscht haben. Zugleich hoffe ich, dass noch ein paar mehr Menschen kommen, denn es ist jetzt erst frühen Nachmittag. Der Vyšehrad ist ein wunderschöner Ort, um spazieren zu gehen. Und wir hoffen, dass wir den einen oder anderen Prager beziehungsweise die eine oder andere Pragerin noch mit unserem Programm einfangen können. Denn wir wollen ihnen gerne zeigen, wie lebendig das deutsch-tschechische Miteinander ist. Wir sind ja nur ein Teil dieser Nachbarschaft. Und neben uns präsentieren sich noch andere, die sich einbringen. Auch das wollen wir nämlich zeigen – dass da ein Miteinander entstanden ist zwischen unseren Ländern. Von dieser Situation haben unsere Gründer-Väter und -Mütter 1946 nur träumen können: dass es wieder ein solches Miteinander gibt, in dem man offen über die Vergangenheit reden kann, aber auch gemeinsam aktiv wird. Dass man Dinge anpackt und gemeinsam die Zukunft gestalten möchte.“