Pilsen feiert – mit Amerikanern und Bayern

Befreiung der Stadt Pilsen (Foto: Archiv der US-Botschaft in Prag, Public Domain)

Der 1. Mai gilt in Tschechien als Staatsfeiertag. Darum haben wir für Sie ein Sonderprogramm vorbereitet. Wir laden Sie in die westböhmische Metropole Pilsen ein. Am 1. Mai werden dort die Feiern zum 70. Jahrestag des Kriegsendes eröffnet. Wir informieren Sie zuerst über das Programm der Feierlichkeiten. Außerdem präsentierten sich in Pilsen am vergangenen Sonntag verschiedene Vereine und Institutionen, die sich für die tschechisch-deutschen Beziehungen engagieren.

George Patton  (Foto: US national archives,  Public Domain)
Vor 70 Jahren näherte sich der Zweite Weltkrieg in Europa dem Ende. Am 4. Mai 1945 gab US-General Patton den Befehl zum Angriff auf Westböhmen. Am Morgen des 6. Mai begrüßten die Bewohner von Pilsen die ersten amerikanischen Panzer in der Stadt. Der deutsche Historiker Tobias Weger schrieb ein Buch über die Stadtgeschichte von Pilsen, über die Befreiung Pilsens durch die US-Armee sagte er:

„Die Alliierten haben an und für sich ausgemacht, dass es klare Einflusszonen geben sollte. Nun war es aber so, dass die Amerikaner bei ihrem Vormarsch bei der Besetzung Deutschlands schneller vorrücken konnten, als sie es geplant hatten und praktisch an der böhmischen Grenze standen. In Pilsen war die Situation sehr vertrackt. Es gab gerade in der Endphase eine sehr brutale deutsche Besatzungsherrschaft, und es gingen an die Amerikaner Hilferufe, sie mögen doch weiter vordringen und die Stadt befreien. Das hat dann auch geklappt. Die Russen waren noch im Osten der Tschechoslowakei aufgehalten und konnten die Stadt nicht befreien. Es gab eine Vereinbarung zwischen den Russen und den Amerikanern: Es wurde festgelegt, dass der Vormarsch in Pilsen enden sollte. Die Amerikaner sollten sich nicht an der Befreiung Prags beteiligen. Das wollten die Russen selber machen. General Patton als Oberbefehlshaber der US-Armee hat Stadt Pilsen befreit. In der kommunistischen Zeit wurde diese amerikanische Episode, wie ich sie nennen würde, bewusst verdrängt. Es wurde den Schulkindern erzählt, dass die Russen die Stadt befreit haben. Natürlich konnten sich alle älteren Menschen in Pilsen erinnern, wer die tatsächlichen Befreier sind. So ist unmittelbar nach der Wende ein Denkmal ´Díky, Ameriko´ (Danke, Amerika) errichtet worden und es werden auch Befreiungsfeste organisiert.“

Martin Baxa  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Bei den Befreiungsfeiern werden in diesem Jahr in Pilsen zwei Jahrestage begangen, sagt der stellvertretende Oberbürgermeister der Stadt, Martin Baxa.

„Erstens handelt es sich um den 70. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Stadt Pilsen. Zudem erinnern wir daran, dass vor 25 Jahren die Bewohner Pilsens die Befreiung der Stadt erstmals wieder feiern durften. Es ist nicht ganz selbstverständlich. Denn vor 65 Jahren haben die Kinder beispielsweise in der Schule gelernt, dass unsere Stadt durch sowjetische Soldaten befreit wurde, die US-amerikanische Uniformen trugen.Foto: Europäische Kommission Es wurde sogar behauptet, dass mehrere der Soldaten ihre Gesichter schwarz angemalt hatten. Damit wurden die verschiedenen Hautfarben der Soldaten erklärt. 40 Jahre wurde darüber gelogen, wer die Stadt befreit hat. Dies ist einer der Gründe dafür, warum seit der Wende von 1989 bei uns die Befreiung so spontan und mit so viel Freude gefeiert wird.“

Alltag im US-Militärcamp im Mai 1945

Jana Komišová  (Foto: Carlos Ferrer)
Die Freiheitsfeste können in Pilsen vor allem dank verschiedener militärhistorischer Vereine veranstalten werden, sagt Jana Komišová vom Pilsener Magistrat. Historische Fahrzeuge und andere Militärtechnik werden in diesen Tagen an drei Orten zu sehen sein.

„Es handelt sich um keine Demonstration von Macht oder Gewalt, sondern die Interessenten können sich ein Bild davon machen, mit welchen Fahrzeugen und welcher Ausrüstung die US-Soldaten 1945 nach Pilsen kamen. Eines der Militärcamps wird sich im Park in Pilsen-Bory befinden, wo es vor 70 Jahren wirklich ein Militärlager gab. Ein historischer Verein gestaltet jedes Jahr im Stadtzentrum im Křižík-Park eine Erinnerung an Pilsen 1945. Dort wird vor allem das Alltagsleben in Pilsen beschrieben – anhand von historischen Plakaten und Artikeln aus der damaligen Tagespresse. Zudem wird es Präsentationen der historischen Militärtechnik im Park beim Kaufhaus Plaza geben.“

Huldigung an Kriegsveteranen am D-Day+334

Václav Marhoul  (Foto: NoJin,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Die Freiheitsfeste finden vom 1. bis zum 6. Mai statt. Als deren Höhepunkt gilt der Samstagabend (2. Mai). Das Programm auf dem Hauptplatz in Pilsen gestalteten zwei Regisseure, Václav Marhoul und Michal Caban. Václav Marhoul:

„Als wir über das Programm nachgedacht haben, kamen wir zum Schluss, dass in Pilsen zwar jedes Jahr gefeiert wird. Aber zweimal waren diese Feierlichkeiten ganz speziell und wichtig: 1945 und 1990. Denn es war ganz spontan. Im Mai 1990 war es nur ein paar Monate nach der Wende. Ich kann mich gut daran erinnern, wie chaotisch und euphorisch es hier war. Wir wollen, dass sich auch diesmal alle gut amüsieren und den Abend auf dem Hauptplatz genießen.“

Der Festabend heißt „Aus der Normandie nach Pilsen oder D-Day+334“. Václav Marhoul über den seltsamen Titel:

Befreiung der Stadt Pilsen  (Foto: Archiv der US-Botschaft in Prag,  Public Domain)
„Als D-Day wird der 6. Juni 1944 bezeichnet – der Beginn der Landung der Alliierten in der Normandie. Die US-Armee bezeichnete seitdem die Tage, an denen Militäroperationen durchgeführt wurden, als D-Day plus eine Ziffer. Der 7. Juni 1944 war also D-Day+1. Ich habe ausgerechnet, an welchem Tag die US-Armee nach Pilsen kam. Es war der D-Day+334.“

Vor allem die Kriegsveteranen, die Pilsen als junge Soldaten vor 70 Jahren befreit haben, sollen am Samstagabend im Mittelpunkt stehen, sagt Michal Caban.

„Wir möchten sie einzeln mit Jeeps zum Podium bringen, dort ihre Geschichte kurz schildern und einige Fotos aus ihrem Leben zeigen. Möglicherweise werden sie das Gefühl haben, an einen Ort zurückzukehren, der auch für sie von Bedeutung war. Mit dieser ´Huldigung an die Kriegsveteranen´ wird der Abend eröffnet.“

Widerstandskämpfer in Pilsen  (Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts in Prag)
In Pilsen werden 17 Kriegsveteranen aus den USA und fünf aus Belgien erwartet. Denn auch belgische Soldaten waren an der Befreiung der Stadt beteiligt. Zwei der Veteranen besuchen Pilsen seit 1945 zum ersten Mal wieder. Die anderen haben schon in den vergangenen Jahren an den Feierlichkeiten teilgenommen. Neben den Amerikanern und Belgien wird auch ein Vertreter der Pilsener Widerstandskämpfer mit dabei sein, sagt Václav Marhoul:

„Ich muss zugeben, dass man die hiesigen Widerstandskämpfer manchmal vergisst, wenn die Rede von der Befreiung der Stadt ist. Der Aufstand brach am 5. Mai in Pilsen aus – einen Tag vor der Ankunft der US-Armee. Viele Menschen fielen damals vor allem im Kampf um den Radiosender. Darum möchte ich, dass die Pilsener Widerstandskämpfer bei der Huldigung an die Kriegsveteranen auch vertreten sind.“

Melody Makers  (Foto: Archiv Melody Makers)
Unter dem Podium wird ein Tanzparkett aufgebaut. Die Kriegsveteranen dürfen bei diesem Parkett auf einer Tribüne Platz nehmen. Zum Tanz werden die Melody Makers mit Ondřej Havelka spielen. Regisseur Marhoul hat an die Besucherinnen und Besucher im Vorfeld noch eine Bitte:

„Unser Wunsch wäre, dass sich alle, die zum Festabend am 2. Mai nach Pilsen kommen, soweit möglich in etwa so anziehen wie es 1945 üblich war. Auch Volkstrachten sind gefragt. Bei den Herren ist es mit der Kleidung einfacher, denn einen Hut, ein Sakko und einen Schlips hat jeder im Schrank. Bei den Damen ist es schwieriger, aber man kann auch improvisieren. Letztes Jahr haben wir uns die Feiern in der Normandie angesehen. Auch die dortigen Bewohner haben sich für die Feiern entsprechend angezogen.“

Foto: Archiv von Ladislav Sitenský
Gefeiert wird in Pilsen nicht nur am Samstag, sondern bis zum 6. Mai. Es werden Sonderführungen durch die Stadt organisiert. Zudem gibt es mehrere Ausstellungen zum Thema Kriegsende, viele Konzerte und Gedenkveranstaltungen. In der Großen Synagoge werden beispielsweise Fotografien des bedeutendsten tschechoslowakischen Fotografen des Zweiten Weltkriegs, Ladislav Sitenský, gezeigt. Auch die Fußballfans kommen auf ihre Kosten: am 4. Mai werden Ex-Spieler von Viktoria Pilsen auf eine Mannschaft der US-Armee treffen. Die Begegnung erinnert an ein Spiel der Pilsner Kicker gegen eine Mannschaft von US-Soldaten im Mai 1945.

Radio Prag meldet sich aus Pilsen

Ondřej Nováček  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Bei den diesjährigen Feiern in Pilsen wird der Tschechische Rundfunk besonders präsent sein. Dies sei kein Zufall, sagt Ondřej Nováček vom Programmzentrum des Senders:

„Vor 70 Jahren entstand nämlich der Rundfunksender in Pilsen. Am 5. Mai begann eine Gruppe tschechischer Patrioten aus Pilsen zu senden. Im Funkhaus in Pilsen wird am 1. Mai ein Tag der offenen Tür veranstaltet. Vor dem Rundfunkgebäude auf dem Platz Náměstí Míru findet zudem ein Open-Air-Festival statt.“

Im Rahmen der sogenannten „Woche mit dem Tschechischen Rundfunk“ werden sich in Pilsen während der Feiern die einzelnen Sender vorstellen, Radio Prag wird am 5. Mai dabei sein.

Bayern zu Gast in Pilsen

Drache aus Furth im Wald  (Foto: Martina Schneibergová)
Festlich geht es in Pilsen nicht nur in diesen Tagen zu. Am vergangenen Sonntag wurde in der Europäischen Kulturhauptstadt ein Blumenfest veranstaltet, mit dem die Bayerischen Kulturtage in Pilsen zu Ende gingen. Zu den Hauptmagneten auf dem Hauptplatz gehörte zweifelsohne der Drache aus Furth im Wald. Der Feuer speiende Roboter begeisterte vor allem die Kinder. Wie vor Ort zu hören war, fassten viele Familien den Entschluss im Sommer nach Furth im Wald zu reisen, um sich das Volksschauspiel „Further Drachenstich“ anzuschauen. In Pilsen stellte sich aber nicht nur der Drache vor, sondern auch einige Bands und Liedermacher aus Bayern, die auf zwei Podien musizierten. An den Info-Ständen konnten sich die Besucher des Festes über Reiseziele in Bayern oder auch die Arbeit von Vereinen und Organisationen informieren, die sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen engagieren. Albert Seidl ist Tourismusreferent beim Landratsamt Cham:

Albert Seidl  (Mitte). Foto: Martina Schneibergová
„Der Landkreis Cham präsentiert sich hier mit seinem Freizeitangebot, insbesondere mit dem Radtourismus, und unseren vielen Festspielen. Die größte Attraktion haben wir hier – den Drachen aus Furth im Wald. Die tschechischen Besucher unseres Info-Standes interessieren sich vor allem für Einrichtungen wie Freizeitbäder, Freizeitzentren und Parks. Mit dem Nationalpark Böhmerwald verbinden uns sehr viele Wanderwege und unsere Naturschützer arbeiten sehr gut zusammen. Wir haben einen verbindenden Wanderweg, den Baierweg von Straubing nach Domažlice / Taus, der 20. Jubiläum beging. Neu gibt es Jahren einen Radweg von München nach Prag, der sehr beliebt ist. Er beginnt in München, führt nach Regensburg, über Cham und Furth im Wald nach Domažlice, von dort über Pilsen nach Prag. In Tschechien ist es der Radweg Nr. 4.“

Josef Weilhammer  (Mitte). Foto: Martina Schneibergová
Beim Info-Stand der Fachakademie für Übersetzen und Dolmetschen, die zur Europa-Berufsschule in Weiden gehört, konnten die Interessenten mehr über die Möglichkeiten erfahren, die diese Schule bietet. Der Schulleiter Josef Weilhammer:

„Das Interesse für unser Angebot ist sehr groß. Wir sind selbst überrascht. Man muss dazu sagen, dass es etwas Neues ist. Die Idee ist, dass tschechische Jugendliche neben Englisch Deutsch als zweite Fremdsprache und deutsche Jugendliche neben Englisch Tschechisch als zweite Fremdsprache lernen. Die tschechischen Jugendlichen können nach dem Abitur bei uns an der Akademie anfangen und werden dann geprüfte Dolmetscher auf deutscher Seite – sie werden dann den Bachelor-Abschluss haben und können nach einem Jahr noch einen Master-Abschluss machen. Die Voraussetzung für das Studium ist Abitur und natürlich Interesse an Sprachen.“

Foto: Martina Schneibergová
Nächstes Jahr veranstaltet Bayreuth in Oberfranken die Landesgartenschau. Die westböhmische Stadt Cheb / Eger wird sich an der Schau beteiligen. Mirko Streich ist Pressesprecher der Landesgartenschau. Sein Info-Stand in Pilsen war ständig von Menschen umgeben:

„Das Interesse ist sehr groß, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Cheb. Wir haben viele deutsche und tschechische Besucher, die sich speziell für die Zusammenarbeit bei der Schau interessieren. Es gibt leider keine direkte Verbindung von Cheb nach Bayreuth. Möglicherweise wird aber ein Traditionszug an einem Tag fahren. Das planen wir gerade noch. Da bitte ich unsere tschechischen Besucher, regelmäßig auf unsere Internetseite oder die Internetseite der Stadt Cheb zu schauen. Dort steht alles Wichtige. Ich habe davon gehört, dass Cheb vor kurzem zur Tschechischen historischen Stadt des Jahres gekürt wurde. Das ist toll für die Stadt. Wahrscheinlich werden sich mehrere historische Städte aus Tschechien zu einem Bund zusammenschließen und möglicherweise in Bayreuth einen gemeinsamen Beitrag auf der Landesgartenschau machen. Das wäre sehr schön.“

Foto: Martina Schneibergová
Ihre Arbeit stellte in Pilsen auch die katholisch orientierte Ackermann-Gemeinde vor. Deren Bundesgeschäftsführer Matthias Dörr war am späten Sonntagnachmittag mit der Präsentation zufrieden:

„Es ist ein sehr schönes Fest hier mit wirklich vielen Menschen. Das Interesse für die Informationen ist groß: Alle unsere Flyer sind schon weg, das ist ein gutes Zeichen. Zuerst sind viele Menschen aus Bayern gekommen. Mit dem heutigen Fest ist es gelungen, das Interesse für die Kulturhauptstadt im Nachbarland zu wecken. Am Nachmittag sind wiederum viele Pilsner vorbeigekommen. Wir haben da viel Neugierde und Interesse am Nachbarn gespürt. Ich glaube, wenn das mit diesem Fest gelungen ist, dass man sich füreinander interessiert, dass man miteinander in Kontakt kommt, dann ist es eine erfolgreiche Veranstaltung gewesen.“