Poesie, kalte Nächte und Franz Kafka
Der April verspricht im Tschechischen Zentrum in Berlin besonders vielfältig zu werden. Eigentlich sind so ziemlich alle Künste vertreten im Programm. Alles Weitere im Interview mit der stellvertretenden Leiterin des Zentrums, Christina Frankenberg.
„Der Titel ist ein Zitat, nämlich ein Gedichttitel von Jaromír Typlt. An drei Abenden besteht die Chance, drei Generationen von tschechischen Dichtern kennenzulernen. Dabei wird auch etwa ein Blick auf die tschechisch-deutsche Nachbarschaft geworfen, vor allem beim ersten Abend am 10. April. Da erwarten wir im Tschechischen Zentrum zwei Gäste: den deutschen Dichter Wulf Kirsten und seinen tschechischen Kollegen Vít Slíva, die sich über den Austausch von Dichtern ab 1968 zu Zeiten des Eisernen Vorhangs unterhalten. Die beiden folgenden Abende finden im Haus für Poesie statt, bis vergangenen Herbst den Berlinern noch als Literaturwerkstatt bekannt. In der Veranstaltung am 11. April geht es um die Antipoden der 1990er Jahre. Dort werden Petr Borkovec und Jaromír Typlt ihre Gedichte vorstellen und über die Zeiten des politischen Umbruchs diskutieren. Musikalisch umrahmt wird das von Tomáš Jamník am Cello und Franka Herwig am Akkordeon. Sie spielen die Erstaufführung eines Stücks von Miroslav Srnka. Und am dritten Abend, dem 12. April, geht es um Poesie zwischen Politik und Konzept, also um die jüngste Prager Dichtergeneration. Zu Gast sind dann Olga Pek, Adam Borzič und Oldřich Buddeus.“
Ebenfalls nächste Woche wird bei Ihnen im Zentrum auch eine Ausstellung eröffnet, die wir bei uns in den Sendungen schon vorgestellt haben. Es handelt sich um Malerei von jungen Künstlern aus Prag und aus Berlin, die bereits in der tschechischen Hauptstadt zu sehen war. Vielleicht können Sie für unsere Hörer in Kürze einfach die Grunddaten zu der Ausstellung nennen…„Bei der Ausstellung ‚Junge Prager, junge Berliner‘ handelt es sich, wie der Titel schon andeutet, um junge Malerei aus Prag und Berlin. Vertreten sind hier junge Absolventen der Universität der Künste in Berlin und der Akademie für Bildende Künste in Prag. Bei der Vorbereitung haben wir mit der Prager Galerie Cermak Eisenkraft zusammengearbeitet. Die Ausstellung wird von 13. April bis 5. Mai in unserer Galerie TZB zu sehen sein, und zwar dienstags bis samstags von 14 Uhr bis 18 Uhr. Die Vernissage findet am 12. April ab 19 Uhr statt.“
Da der April im Tschechischen Zentrum in Berlin thematisch sehr bunt ist, darf auch Musik nicht fehlen. Und zwar kommt am 21. dieses Monats die Band Cold Cold Nights aus Prag zu ihnen, zu einer weiteren Unplugged-Session. Auf welche Musik darf man sich freuen?„Cold Cold Nights sind eine Indie-Rock Band aus Prag, die bereits als kleine Perle des alternativen Rock bezeichnet wurde. Sie haben viele progressive Nuancen in ihrer Musik, man könnte ihren Stil als Post-Rock bezeichnen. Die Band erzählt in ihren Songs Geschichten von einsamen jungen Menschen, die sich mit traditionellen Rollenbildern, nationalen Zugehörigkeiten, dem Verfall der westlichen Werte, aber auch mit Fernbeziehungen herumschlagen. Frontmann Jakub Jirásek macht schon sehr lange Musik, er hat sich aber vor drei Jahren mit drei weiteren Musikern zu dieser Formation zusammengetan. Mit sehr wenig Technik ausgestattet, fast unplugged also, kann man dann die vier Musiker am 21. April um 20 Uhr im Tschechischen Zentrum hören. Die Besetzung bietet Gesang, Gitarre, Akkordeon, Bass, Trompete und Schlagzeug. Einen Abend vorher spielt die Band schon in Leipzig im Club Helmut.“
Modernen Tanz gibt es bei einer weiteren Veranstaltung zu sehen. Der Choreograf Andrej Petrovič hat vor einiger Zeit ein neues Projekt einüben lassen. Worum geht es dabei, und wer wird in Berlin auftreten?„Andrej Petrovič ist ein slowakischer Choreograf, der viele Jahre in Ausland bei verschiedensten Tanz-Kompanien tätig war, unter anderem bei der Akram Khan Company. Jetzt ist er wieder nach Mitteleuropa zurückgekehrt, und das mit einem neuen Projekt: sieben Solo-Abende, die den sieben Todsünden gewidmet sind. Bisher ist der erste Teil fertig, er heißt ‚L wie Lust‘, bei dem es um Leidenschaft, Begierde, ja sogar um Unzucht geht. Bei der Aufführung in unserer Galerie am 25. April um 19 Uhr steht die Tänzerin Martina Hajdyla Lacová auf der Bühne. Sie wurde 2015 zur tschechischen Tänzerin des Jahres gekürt. Bei ihrer Aufführung wird sie von dynamischer, fast rockiger Musik begleitet. Wer schon jetzt einen Eindruck von dieser Veranstaltung erhalten möchte, kann sich einen kurzen Trailer auf unserer Webseite anschauen.“
Den Monat schließen zwei Theaterinszenierungen ab. Und zwar ist das Dejvické divadlo, also das Theater aus dem Prager Stadtteil Dejvice zu Gast. Schon das erste Stück klingt äußerst spannend, weil es sich mit einer historischen Person beschäftigt, deren Name nur wenigen ein Begriff sein dürfte. Doch seine Erfindung führte zum Bau des ersten Synthesizers. Beim zweiten Stück hingegen ist die Titelfigur äußerst prominent: Es ist Franz Kafka…„Genau. Von meinen Prager Freunden höre ich immer wieder, dass man in Prag praktisch keine Karten für das Dejvické divadlo bekommt. Deshalb sollte man die Gelegenheit nutzen, die Bühne hier an einem der beiden Abende in Berlin zu sehen. Am ersten Abend geht es um den russischen Physiker und Erfinder Lew Sergejewitsch Theremin. Nach ihm ist auch das Theremin benannt, das erste Instrument, das elektronische Töne erzeugen konnte. Theremin ging 1929 nach New York und kehrte 1938 unter ungeklärten Umständen in die Sowjetunion zurück, wurde dort verhaftet und zum Gulag verurteilt. Später war er in einer Akademie für gefangene Wissenschaftler in Moskau tätig und dort an der Entwicklung von Flugzeugen beteiligt. Zuletzt entwickelte er Wanzen für den KGB. Theremin lebte von 1896 bis 1993, er hat also fast das ganze 20. Jahrhundert erlebt. Dieser faszinierenden und zugleich geheimnisvollen Persönlichkeit hat sich Petr Zelenka in seinem Stück ‚Theremin‘ angenommen, das am 30. April hier in Berlin in den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu sehen sein wird. An diesem Abend ist im Anschluss noch ein Gespräch mit dem Regisseur Petr Zelenka und dem Hauptdarsteller Ivan Trojan geplant. Am 1. Mai geht es dann um Kafka. Das Stück ,Kafka 24‘ spielt im letzten Lebensjahr des Schriftstellers, in dem er mit Dora Diamant im Berliner Vorort Steglitz wohnte. Dieses Stück wurde von Karel František Tománek extra für das Dejvické divadlo geschrieben. Regie hat Jan Mikulášek geführt. Beide Stücke werden übrigens mit deutschen Untertiteln gezeigt.“