Polemik und Dämonisierung – das Fernsehen über die Sudetendeutschen Tage der 80er Jahre
Der Sudetendeutsche Tag am vergangenen Wochenende in Augsburg war den großen tschechischen Medien meist nur unaufgeregte Kurzmeldungen wert. In der Vergangenheit waren die Sudetendeutschen Tage alljährlich der Anlass für wechselseitige Hasstiraden, vor allem als in Prag noch die Kommunisten an der Macht waren. Trotz aller Spannungen, die das Thema Vertreibung zwischen Deutschland und Tschechien auch heute noch begleiten, sind in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht worden. Ein Blick auf die tschechoslowakischen Fernsehnachrichten am 24. Mai 1985 beweist es.
Der 36. Sudetendeutsche Tag fand vom 25. bis 27. Mai 1985 in Stuttgart statt, traditionell am Pfingstwochenende. Motto damals: „Recht bleibt Recht – trotz Vertreibung!“ Noch bevor der erste sudetendeutsche Redner das Wort ergriffen hatte, starteten die tschechoslowakischen Staatsmedien ihre Antikampagne:
„Bis heute nennen sie sich Vertriebene, bis heute behaupten sie, dass ihnen Unrecht zugefügt wurde, bis heute fordern sie irgendein Recht auf die Rückkehr in die freie Heimat“, so der Fernsehreporter auf Slowakisch. Illustriert wurden seine Worte mit amateurhaften Fernsehbildern vom Sudetendeutschen Tag 1984 in München.„Im vergangenen Jahr ließen sie ihre Beschwerden und Forderungen vom Egerländer Marsch untermalen, einem Marsch, zu dessen Tönen die Wehrmachtsoldaten in die Tschechoslowakei einmarschierten und ihr die Selbständigkeit für Jahre nahmen. Mit einer einzigen Handbewegung radierten sie die Tschechoslowakei von der Landkarte Europas und setzten friedliebende Völker grausamer Unterdrückung und Terror aus.“
Im diffusen Licht eines schwachen Kamerascheinwerfers sind greisenhafte Männer zu sehen, alte Frauen in sudetendeutschen Trachten und die Redner auf dem Podium – in Untersicht. Bedrohlich soll das wirken, so wie die Zahlen, die der Reporter nennt: 200.000 Mitglieder habe die Sudetendeutsche Landsmannschaft, von denen sich 50.000 in München getroffen hätten - allesamt Altnazis, will der Sprecher glauben machen:„Diejenigen, die den Soldaten Hitlers mit eigenen Händen halfen die Grenzschranken zu beseitigen, die zu den Tönen des Egerländer Marsches ihre Brust herausstreckten und ihre vom Alter gekennzeichneten Figuren stramm aufrichteten, diejenigen haben wieder ein Treffen vorbereitet – in den nächsten Tagen kommen sie nach Stuttgart.“
Ganz im Gegensatz zu dieser kommunistischen Propaganda steht die heutige Berichterstattung der großen tschechischen Medien. Artikel würdigen die Rolle sudetendeutscher Widerstandskämpfer gegen Hitler. Und selbst als Erika Steinbach, die Präsidentin des deutschen Bundes der Vertriebenen, im März ihre Behauptung verteidigt hatte, die Tschechen hätten im Zweiten Weltkrieg „fast nicht gelitten“, blieb der früher übliche Sturm der Entrüstung aus. Zum 65. Jahrestag des Prager Aufstandes gegen die deutschen Besatzer zeigte das Tschechische Fernsehen sogar eine Dokumentation über tschechische Gräueltaten an deutschen Bewohner Böhmens unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch wenn das Festhalten der Tschechischen Republik an den so genannten Beneš-Dekreten immer noch die Annäherung zwischen beiden Seiten erschwert: Es hat sich etwas getan in Tschechien seit 1985.