Politiker einig: Neuwahlen herbeiführen durch wasserdichte Verfassungsänderung
Die tschechischen Politiker stehen unter Druck. In der vergangenen Woche hatte das Verfassungsgericht in Brno / Brünn durchblicken lassen, eine gesetzliche Grundlage für die Verkürzung der Legislaturperiode möglicherweise zu kippen. Vorausgegangen war eine Verfassungsbeschwerde des fraktionslosen Abgeordneten Miloš Melčák, die – sollte sie Erfolg haben – das Aus für die vorgezogenen Neuwahlen bedeuten würde. Sie wurden für den 9. und 10. Oktober ausgerufen. Obwohl das Urteil der Verfassungsrichter noch aussteht, suchen die Politiker nun fieberhaft nach einer wasserdichten Alternativlösung. Am späten Montagabend sind sie der einen Schritt näher gekommen.
Die Tschechische Republik wird seit Anfang Mai von einem Übergangskabinett parteiloser Experten mit eingeschränktem Mandat regiert. Aufgrund dieser schwachen Position kann auch ihr Entwurf für den Staatshaushalt 2010 nur als Provisorium gelten. Kein gutes Zeichen vor dem Hintergrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die entschlossene Entscheidungen erforderlich macht. Auch deshalb sind sich die Vorsitzenden der fünf Parlamentsparteien und der unlängst gegründeten Partei Top 09 bei ihrem Spitzentreffen am Montagabend relativ schnell einig geworden, erklärte der Parteichef der Kommunisten (KSČM), Vojtěch Filip, am Dienstagmorgen im Tschechischen Fernsehen:
„Alle Vorschläge, die gestern von den Vorsitzenden der führenden politischen Parteien debattiert wurden, gingen in ein- und dieselbe Richtung: Wir wollen eine Novelle zum Verfassungsgesetz verabschieden, nach der das Abgeordnetenhaus auf eine andere Weise aufgelöst wird. Demzufolge sollen die vorgezogenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus neu ausgerufen werden und zu einem Termin zwischen Ende Oktober bis Ende November stattfinden. Der Termin hängt davon ab, welche Frist von der Verkündung bis zur Durchführung der Wahlen letztlich beschlossen wird.“
Seit Dienstag debattiert nun auch das Abgeordnetenhaus in Prag über die dauerhafte Verfassungsänderung zur Selbstauflösung der unteren Parlamentskammer. Sie soll erreicht werden, wenn drei Fünftel der Abgeordneten dafür stimmen. Danach kann oder muss der Staatspräsident die Kammer auflösen, so der Vorschlag.Bis Donnerstag wollen die Abgeordneten die Verfassungsänderung bereits in dritter Lesung behandelt und beschlossen haben. Danach sollen auch die Senatoren das Gesetz durchpeitschen, das eine zeitnahe Durchführung von Neuwahlen ermöglicht. Aber wird es im Parlament auch die dafür erforderliche Stimmenmehrheit geben? Die Vizevorsitzende der Bürgerdemokraten (ODS), Miroslava Němcová, hat da zumindest noch leise Zweifel:
„Ich rechne nicht damit, dass die Verhandlungen von Seiten unserer Partei blockiert werden könnten. Aber es könnte ein Argument dafür sorgen, das in diesen Tagen fortlaufend diskutiert wird: das drohende Haushaltsprovisorium für den Fall, wenn die Wahlen nicht zeitnah erfolgen. Da wird man diskutieren, ob man diesem noch besser entgegnen kann als mit dem Entwurf der Verfassungsänderung, der vor uns liegt.“
Wegen des drohenden Haushaltsprovisoriums hat gerade Sozialdemokratenchef Jiří Paroubek lange hartnäckig auf der Einhaltung des ursprünglichen Wahltermins bestanden. Aber vielleicht springt den von der Beschwerde des Abgeordneten Melčák nervös gewordenen Politikern ja ausgerechnet noch das Verfassungsgericht zur Seite. Am Donnerstag will es die Beschwerde in einer öffentlichen Sitzung behandeln. Sollte sie von den Richtern abgewiesen werden, könnten die Wahlen wie vorgesehen am 9. und 10. Oktober stattfinden.