Prager Buchmesse - ein bunter Reigen extravaganter Gäste und Themen

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Verehrte Hörerinnen und Hörer, herzlich willkommen wiedereinmal zu einem Kulturspiegel, der sich vordergründig rund um Bücherwelten und um noch viel mehr drehen wird. Am Mikrophon begrüßt Sie Marcela Pozarek.

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Die Prager Frühsommertage sind heiß und das bekamen die diesjährigen Buchmessebesucher Mitte Mai zu spüren. In den wunderschönen gläsernen Jugendstilhallen der Messe wandelten Verleger, Journalisten und Buchbegeisterte zwischen Ständen von einem Sprachland zum anderen und ließen sich in die Buchwelt, der Messetitel hieß bezeichnenderweise "Svet knihy" entführen.

Die amerikanische Schauspielerin und nicht minder passionierte Autorin, Jackie Collins, gab während der Prager Buchmesse unumwunden zu, dass sie Schauspielerkolleginnen, die sich damit brüsteten in der Drehpause Shakespeare zu lesen, nicht gern habe. Neben süffig leichter Lektüre für jedes Gemüt, tauchte aber an der diesjährigen Buchmesse vor allem exquisite Literaturkost aus den europäischen Randzonen auf. Wie kompliziert und schön zugleich das Europäertum sein kann, bewies auf köstliche Weise der Baske Bernardo Atxaga Er war ausgesprochen glücklich in Prag an seine Lesung zu kommen, war er doch durch den Streik der Lufthansapiloten gezwungen gewesen, 15 Stunden lang über Europa zu kreisen, um dann doch noch in der tschechischen Metropole mit seinen Anekdoten und schönen Gedichten zu landen. In seinem kurzen Auftritt nahm er gleich auf das Thema der Übersetzerkonferenz "Literatur über Grenzen hinweg" bezug, in dem er über die Situation seiner Muttersprache Eskuera und dem Spanischen folgende Parabel erzählte.:

"Ein guter Freund von mir sagte einmal: Wenn man einen Vogel möchte, muss man in einen Garten gehen, will man einen Fisch, geht man zu einem Fluss und wenn sie an einem bilingualen Schriftsteller interessiert sind, dann müssen sie an eine Grenze, alle Grenzen sind voll von bilingualen Schriftstellern...."

Gast an der diesjährigen Buchmesse war die Schweiz, gewissermaßen ideales Sinnbild für Mehrsprachigkeit. Ruth Schweikert, geboren in Deutschland, seit Jahren in der Schweiz lebend, beschreibt in ihrem Roman "Augen zu" übrigens auch Prag aus der Ferne, wie es dazu kam...

Auf der Suche im Reich komplizierter Identitätsmuster sind zur Zeit die ostmitteleuropäischen Staaten auf ihrem Gang gen Europäische Union. Darüber machte sich an der Messe der schweizerische Politologe Urs Altermatt so seine Gedanken. Er ist ein guter Kenner nicht nur des sogenannten "Sonderfalles" Schweiz, sondern beschäftigt sich auch eingehend mit europäischen Integrationsfragen. Mit dem Wunsch Tschechiens in die EU aufgenommen zu werden, der Tendenz sich über nationale Interessen hinwegzusetzen, etwas Gemeinsames im Haus Europa zu schaffen, gehen Phänomene einher, die Isolation und manchmal allzu chauvinistische Rückbesinnung auf innere Werte im Auge haben. Dazu Professor Urs Altermatt.

Wie verschieden und doch strukturell ähnlich menschliche Erfahrungen und geschichtliche Prozesse sein können, davon konnte man sich auf höchst angenehme Weise an der Messe überzeugen. Die lettische Autorin Nora Ikstena meinte zum Thema Frauenliteratur.:

"Ich hasse diese Unterteilung in Männer- und Frauenliteratur, wenn Literatur existiert, dann ist es einfach Literatur. Was natürlich verschieden ist, ist die menschliche Erfahrung, die man beschreibt und dadurch den Umstand, dass Frauen näher sind an Leben und Tod, weil sie physisch näher an diesen Sachen dran sind. Deshalb schreiben Frauen vielleicht so oft über Grenzen..."

Zum Schluss unserer heutigen Sendung über Sprachgrenzen und Bücherwelten möchten wir Ihnen ein besondere literarische Kostprobe nicht vorenthalten. In diesem Frühling kam der neue Roman von Milan Kundera in deutscher Sprache heraus. Hören Sie einen kurzen Ausschnitt aus "Die Unwissenheit", bei dem Sie sofort wissen werden um was es geht...:

"Im August 1968 war die russische Armee in das Land einmarschiert; eine Woche lang brüllten die Strassen aller Städte vor Wut. Nie war das Land so sehr Vaterland gewesen, die Tschechen so sehr Tschechen. Rasend vor Hass war Josef bereit, sich den Panzern entgegenzuwerfen. Dann waren die Staatsmänner des Landes verhaftet, mit Begleitkommando nach Moskau gebracht und gezwungen worden, einen schludrigen Kompromiss abzuschließen..."

Autor: Marcela Pozarek
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