„Empathie für die Ukraine ist wichtig“ – Der Dichter Serhij Zhadan auf der Prager Buchmesse

Serhij Zhadan

Eine Rekordzahl von rund 60.000 Menschen hat in diesem Jahr die internationale Prager Buchmesse „Svět knihy“ besucht, die von Donnerstag bis Sonntag in der tschechischen Hauptstadt stattfand. Zu den wichtigsten Gästen gehörte der international bekannte ukrainische Schriftsteller, Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan.

Serhij Zhadan - Internát | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Dichter Serhij Zhadan wurde in den vergangenen Jahren mit mehreren Preisen ausgezeichnet. So erhielt er vergangenes Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zudem wurde er mit dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken geehrt. Zhadan lebt in Charkiw, wo er sich als Freiwilliger engagiert. Bei der Buchmesse nahm er an einer stark besuchten Diskussion teil. Anschließend fand eine Autogrammstunde mit dem Autor statt. Hunderte von Lesern warteten in der Schlange vor dem Stand auf eine kurze Begegnung mit Serhij Zhadan. Die meisten ließen sich von ihm den Roman „Internat“ unterschreiben, der vor kurzem in tschechischer Übersetzung erschien. Am Abend stellte sich Zhadan mit seiner Band als Rocker auf der Buchmesse vor. Der Erlös vom Konzert ging auf das Konto der von ihm gegründeten karitativen Organisation Chartija.

Buchmesse Svět knihy Praha 23 | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Martina Schneibergová hat während der Buchmesse mit dem Schriftsteller gesprochen.

Serhij Zhadan  (links) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Herr Zhadan, Sie wurden bereits mit mehreren Literaturpreisen geehrt. Im vergangenen Jahr erhielten Sie unter anderem den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Was bedeuten die Preise nicht nur für Sie, sondern auch für Ihr Land?

„Ich habe schon mehrfach gesagt, dass heute jeder Literaturpreis oder jede Übersetzung der Werke ukrainischer Autoren vor allem eine Geste der Solidarität mit der Ukraine ist. Es geht nicht um unsere Schriftstellerkarriere, sondern um die Empathie für das Land. Ich habe in den vergangenen Jahren einige Literaturpreise bekommen. Auch andere ukrainische Autoren wurden mit Preisen gewürdigt. Für uns bedeutet das eine Möglichkeit, etwas über die Situation unseres Landes zu erzählen und den Kontakt zum europäischen Publikum aufzubauen. Das ist für die heutige Ukraine sowie für ihre Zukunft sehr wichtig.“

Serhij Zhadan - Internát | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Krieg muss mit einem gerechten Frieden enden. Wie finden Sie, dass aktuell manchmal im Ausland Stimmen laut werden, die für einen heuchlerischen, falschen Pazifismus eintreten?

„Wir müssen kämpfen: für unsere Freiheit, für unser Land. Natürlich wollen wir diesen Krieg nicht, wir möchten in einem friedlichen Land leben und unsere Städte wiederaufbauen. Leider müssen wir heute mit oder ohne Waffen kämpfen und alles für unser Land und für unsere Freiheit tun.“

Serhij Zhadan  (links) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Gleich nachdem Russland den Krieg gegen die Ukraine entfesselt hatte, war zu erkennen, dass Staaten wie Tschechien, Polen und die baltischen Länder mehr Verständnis für die Situation der angegriffenen Ukraine zeigten als andere Staaten…

„Diese Länder waren schon einmal in unserer Situation. Sie gehörten zum Ostblock und erlebten, was eine sowjetische Okkupation bedeutet, was sowjetische Panzer in ihren Städten bedeuteten. Ich bin mir sicher, dass man sich das in Prag sehr gut gemerkt hat.“

Haben Sie als Dichter den Eindruck, dass sich Ihre Sprache durch den Krieg verändert?

„Ich denke, dass unsere Sprache derzeit eine sehr große Transformation erlebt. Wir alle kommen aus diesem Krieg mit einer anderen Intonation, mit einer anderen Dichtersprache. Aber wichtig ist, in dieser Zeit etwas zu schreiben, etwas zu machen, aktiv zu sein.“

Serhij Zhadan | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Sie weilen gerade zu Besuch in Prag, nahmen an der Buchmesse teil und trafen mit vielen Menschen zusammen. Tschechien unterstützte die Ukraine von Anfang. Inwieweit ist die Solidarität bemerkbar?

„Ich erlebe in allen europäischen Ländern eine große Unterstützung für die Ukraine. Damit meine ich nicht nur die Politiker, sondern auch die ,Normalbürger‘. Dabei haben auch sie ihre eigenen Probleme. Ich sehe in Tschechien, Polen, Deutschland und anderen Ländern, dass viele Menschen der Ukraine helfen und etwas für sie unternehmen.“

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