Prager Frühling in Bilder gebannt – Österreichisches Kulturforum zeigt Fotografien von Franz Goëss

Prag 1968

Tschechoslowakei 1968: Im August beenden die Truppen des Warschauer Paktes die Hoffnungen auf einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Diese Zeit des Umbruchs und Aufruhr wird uns heute – genau 40 Jahre danach – vor allem in Fotografien nochmals gegenwärtig. Franz Goëss war als Korrespondent der französischen Illustrierten „Paris Match“ im Jahr 1968 in Prag und Bratislava. Am Donnerstag wurde eine Ausstellung des Fotojournalisten eröffnet, die die Szenen des Aufruhrs dokumentiert.

Prag 1968
„Ich war gerade in Bratislava. Als ich dort in der Hotelbar sitze, werden wir hinauf gerufen: ‚Die Russen sind oben auf der Straße!’ Das war elf Uhr abends, am 20. August. Die Welt hat geschlafen und ich bin da hinaufgestürmt und sehe tatsächlich einen russischen Panzer neben dem Hotel stehen. Ich bin dann schnell zum Auto, hab meinen Fotoapparat mit dem Blitz genommen und habe ein Foto von ihm geschossen. Das hat er nicht so gern gehabt und ist dann herunter gesprungen, mir mit der MP nachgerannt. Ich bin ins Hotel geflüchtet. So habe ich die Russen empfangen.“

In der Nacht zum 21. August 1968 marschieren sowjetische, polnische, bulgarische, ungarische und DDR-Truppen in die Tschechoslowakei ein und besetzen das Land innerhalb weniger Stunden. Franz Goëss wird mitten in das Niederwalzen des Prager Frühlings hinein katapultiert. Wie im Affekt fotografiert er, was er sieht. Es sind die Bilder dieses Österreichers, die als erste die westliche Welt jenseits des Eisernen Vorhangs erreichen.

Karel Schwarzenberg
„Es war nicht einfach, die Bilder ins Ausland zu bringen. Ich hatte Gott sei dank in Bratislava einen Freund, den ich gebeten habe, sofort nach Wien zu fahren und die Bilder abzuliefern. Bereits am 21. zum Mittag hin waren sie da. Die gingen dann um die Welt.“

Die Bilder des erbitterten Bruderstreits erreichen so auch Österreich, wo damals Karel Schwarzenberg, heutiger Außenminister Tschechiens, im Exil lebt.

„Vor allem für jüngere Leute ist es manchmal eine Überraschung, weil sie gar nicht ahnen, wie diese Atmosphäre damals war: Wie die Volksmilizen, wie die Politiker damals ausgeschaut haben.“

Goëss’ Bilder leben von der Nähe zu den Ereignissen, von seinem Gespür für Situationen und seinem ganz persönlichen Blick auf die Menschen. Goëss selbst wohnt damals im Prager Hotel Jalta und beobachtet oft vom Balkon aus das Geschehen. Er ist eben „nur“ passiver Berichterstatter, ein Fotograf.

“Ja, man kommt sich immer ein bisschen wie ein Dieb vor. Man hat einen ausländischen Pass und kann damit über die Grenze hinaus fahren. Und die wirklichen Helden werden festgehalten, eingekerkert, umgebracht…“, so Goëss.

Der ehemalige tschechische Botschafter in Deutschland František Černý ist auch zur Ausstellung im Österreichischen Kulturforum erschienen. Lange betrachtet er die schwarz-weiß Fotografien und meint schließlich:

„Ich glaube, das war wichtig für die Außenwelt. Diese bekannten Fotos, wo ein junger Tscheche den Panzern entgegen schreitet. Praktisch jede Woche im Stern gab es viele Fotos vom 21. August ’68 aus Prag. Eine Sensation! Leider Gottes nur im westlichen Ausland und weniger in dem Ausland, wo es wirklich darauf angekommen wäre, zum Beispiel in der DDR oder in Polen oder selbst in der Sowjetunion.“

Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Juni 2008 im Österreichischen Kulturforum am Jungmannovo náměstí 18 zu sehen.