Prager Jugendliche diskutieren über bizarren Blob-Bau

Entwurf der Nationalbibliothek von Jan Kaplický

Blob oder nicht Blob? Das ist derzeit in Prag die Frage. Krake, Qualle oder Ufo – so wird der futuristische Blob-Bau der geplanten Nationalbibliothek in Prag im Volksmund genannt. Ein Entwurf, der für viel Aufregung in der alten, goldenen Stadt sorgt. Auch die Prager Jugend diskutiert über dieses Thema. Beim Stadtfinale des Wettbewerbs „Jugend debattiert international“ zum Beispiel, das jetzt im Thomas-Mann-Gymnasium stattfand.

Die tschechischen Schüler sitzen jeweils zu zweit vorne an einem Tisch und sind in eine Pro- und eine Contra-Gruppe aufgeteilt. Sie haben nur eine gewisse Zeit, um ihre Argumente vor den Augen der dreiköpfigen Jury vorzutragen. Es geht um den Blob-Bau des tschechisch-britischen Architekten Jan Kaplický.

An dem Bau scheiden sich die Geister. Und das seit über einem Jahr. Kaplickýs futuristischer Entwurf für die neue Nationalbibliothek wurde im März 2007 aus über 400 Ideen ausgewählt. Kunst- und Architekturexperten waren sich relativ einig, dass das Gebäude eine Bereicherung für die Stadt sei. Doch Politiker und Bürger streiten seitdem über den Bau, der aussieht wie eine riesige Krake oder Qualle oder wie ein Ufo mit großen, violett schimmernden Bullaugen. Auch die Jugendlichen der Stadt sind sich über die Ästhetik des Entwurfs uneins.

„Mir persönlich gefällt das Gebäude. Ich denke, Prag sollte solch ein modernes Gebäude haben. Ich verstehe auch nicht, warum so viele Leute dagegen sind“, meint Joana Skalická vom Thomas-Mann-Gymnasium.

Dahingegen sagt die 16-Jährige Veronika Vřešťálová vom Johannes-Kepler-Gymnasium:

„Mir gefällt das Gebäude überhaupt nicht, und auch wenn es mir gefallen würde, wäre ich auch nicht dafür, weil es zu viele technische Probleme gibt.“

Die Schönheit der Kunst liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Ein Dorn im Auge vieler Betrachter ist auch die Lage der Nationalbibliothek. Die Letná-Fläche liegt direkt neben der Prager Burg und ist für alle Touristen sichtbar:

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich einmal die Prager Burg besichtigen werde und daneben steht ein riesiges, grünes Dingsda, das aus den Bäumen herausragt“, meint die 17-Jährige Daria Drozdová.

Anderer Meinung ist Karel Kabelík:

„Ich meine nicht, dass es den Blick auf die Prager Burg stört. Ich stimme aber der Meinung zu, dass die Verkehrsanbindung sehr schlecht ist.“

So gibt es beispielsweise keine Metrostation in der Nähe. Blob ja – auf der Letná-Fläche nein. Das ist mittlerweile die Meinung vieler Prager – auch vieler Jugendlicher. Die nutzen den Park vor allem in ihrer Freizeit, um zum Beispiel Skateboard zu fahren. Auf der anderen Seite sieht die Jugend Bedarf für moderne Gebäude im alten Prag. Auch Alžběta Rubriciusová von der Deutschen Schule:

„Der Bau wäre gut, weil Kaplicky ein bekannter Architekt ist, der schon in London viel erreicht hat. Dieses Gebäude könnte Prag helfen, weil es sich viele Touristen anschauen würden. Es wäre im 21. Jahrhundert auch etwas Neues. Das Tančící dům, das Tanzende Haus, wurde vor seinem Bau auch oft kritisiert und ist heute sehr bekannt.“

Bei der Jugend verhält es sich also nicht anders als bei den Erwachsenen in Prag: sie sind sich uneins. Die drei besten Prager Debattierenden sind in die nächste Runde des Wettbewerbs „Jugend debattiert international“ eingezogen. Sie alle haben gegen den Blob-Bau argumentiert. Ob das ein Wink mit dem Zaunpfahl ist?