Prager Koalition in der Krise: Vier Stadträte abberufen – Top 09 wittert Chance
Die Koalition im Prager Rathaus steckt in einer tiefen Krise. In der Nacht zum vergangenen Freitag wurden vier Stadträte bei einer Sitzung des Magistrats von ihren Ämtern abberufen. Ganz offensichtlich auch mit Stimmen aus den eigenen Reihen. Das stellt die Glaubwürdigkeit wie auch Perspektive der Koalition extrem auf den Prüfstand. Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová (Ano-Partei) ist indes überzeugt davon, dass die Koalition damit nicht am Ende sei.
Von Beginn an war das Gemenge an Interessen in der Koalition so unterschiedlich, dass Querelen nicht ausbleiben konnten. Immer wieder in der Kritik stand insbesondere der stellvertretende Oberbürgermeister und Grünen-Politiker Matěj Stropnický. Als ihm Adriana Krnáčová im August die Kompetenz für die Überarbeitung der Bauvorschriften entzog, war das Fass bereits kurz vor dem Überlaufen. Am 31. August erklärten die Sozialdemokraten, dass sie für Stropnickýs Abberufung stimmen würden, falls jemand die Vertrauensfrage stellen würde. Bei der jüngsten Magistratssitzung hat der Fraktionschef der oppositionellen Partei Top 09, Vávlav Novotný, genau das nun getan. Und er zeigte sich durchaus überrascht, dass bei dieser Abstimmung gleich vier Stadträte durch den Rost fielen:
„Mit den Stimmen der Opposition allein wäre dies nicht möglich gewesen, für die Abberufung der vier Stadträte müssen folglich auch Vertreter der Koalition gestimmt haben. Um es deutlich zu sagen, mir kommt es so vor, als wenn die Koalition ihr Urteilsvermögen verloren hat.“Mit 33 der insgesamt 65 Sitze hat die Koalition nur die knappe Mehrheit von einer Stimme im Magistrat. Und nun das: Neben Matěj Stropnický (Grüne) wurden auch die Stadträte Michal Hašek (Ano-Partei), Hana Nováková und Irena Ropková (beide Sozialdemokraten) abberufen. Der Fraktionschef der Grünen, Ondřej Mirovský, war dann auch sehr enttäuscht:
„Momentan sehe ich es so, dass der Koalitionsvertrag damit aufgekündigt wurde. Denn ich sage: Was kann eigentlich noch schlimmeres passieren, als dass der stellvertretende Koalitionschef mit den Stimmen der Koalition abberufen wird?“
Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová indes versucht seitdem zu retten, was noch zu retten ist. Nur wenige Stunden nach dem Schock der Abstimmung verkündete sie, dass die Koalition damit nicht am Ende sei. Die Aufgabenbereiche der entthronten Stadträte wurden derweil auf die übrigen sieben Mitglieder der Prager Exekutive verteilt. Dieser Zustand kann indes nicht lange halten. Deshalb trafen sich die Koalitionäre am Dienstag auch zu einer ersten Sondersitzung, um vieles zu klären. Für Ondřej Mirovský aber ist klar, wohin die Reise jetzt hingehen müsse:„Es muss zu einer kompletten personellen Umbesetzung der gegenwärtigen Koalition kommen, und die muss wirklich radikal sein.“
Ob damit auch der Stuhl der Oberbürgermeisterin wackelt, ließ der Fraktionschef der Grünen jedoch offen. Dafür hat sein oppositioneller Amtskollege Vávlav Novotný schon klare Vorstellungen, wie es weitergeht:
„Im Prinzip gibt es für mich zwei Möglichkeiten. Entweder wird die bestehende Koalition weiter bestehen mit den Veränderungen, wie sie Ondřej Mirovský beschrieben hat. Oder aber es wird eine neue Konstruktion an der Spitze des Magistrats geben, bei der die Top 09 nicht fehlen kann. Denn es ist meine feste Überzeugung, dass wir bereits die stärkste Fraktion im Magistrat haben. Sicher, die Ano-Partei hat zahlenmäßig noch mehr Abgeordnete, doch gegenwärtig dürfte niemand im Magistrat fünf Heller darauf setzen, dass die Ano-Fraktion noch zusammenbleibt.“
Im Prager Magistrat steht also weiter ein stürmischer Herbst ins Haus, und das Ende ist offen.