Prague Writers’ Festival eröffnet seinen 23. Jahrgang
Am Mittwoch wird in Prag der 23. Jahrgang des Prague Writers’ Festival eröffnet, eines der renommiertesten Literaturfestivals in Europa. Wie jedes Jahr steht die Veranstaltung unter einem zentralen Motto, wie jedes Jahr haben namhafte Autoren ihr Kommen zugesagt. Dennoch ist diesmal einiges anders: Das Festival ist kürzer als sonst, ebenso die Liste der Autoren. Grund sind massive Kürzungen im Budget.
„Wie werden Nationen geboren, zerstört oder missbraucht? Was ist nötig, um sie zu schaffen? Hier können wir etwa auf die Entstehung der Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg zurückblicken. Und wie werden Nationen getrennt? Gewaltsam, oder friedlich wie die Tschechoslowakei am 1. Januar 1993? Dahinter steht ein großes Geheimnis. Der ökonomische und der metaphysische Aspekt, die Frage der Sprache, der Geographie, des Business. Diesen Dingen wollen wir nachgehen, ob im Zusammenhang mit Ägypten, Algerien, der Tschechoslowakei oder Nord- und Südkorea. Die Liste könnte endlos weitergehen. Es ist faszinierend.“
Wie jedes Jahr werden Lesungen und Diskussionen mit den Autoren die Schwerpunkte des Programms ausmachen. Festivaldirektor Michael March:„Wir haben Sun‛alláh Ibráhím aus Ägypten hier, der unter Nasser fünf Jahre im Gefängnis saß. Wir haben Yasmina Khadra, einen wunderbaren Geschichtenerzähler aus Algerien, der ins Exil ging und seit dem Jahr 2000 in Paris lebt. Wir haben Miguel Sousa Tavares, der in seinem großartigen Roman ‚Am Äquator’ über die portugiesischen Kolonien schreibt und über die Kriege in Angola und Mosambik. Und wir haben Mary Heimann mit ihrem Buch ‚Die Tschechoslowakei, der Staat der scheiterte’. Wir wollen mehr über das Scheitern herausfinden.“
Jedes Jahr verleiht das Festival außerdem den Spiros-Vergos-Preis für freie Meinungsäußerung. Diesmal ging der Preis an Günter Grass. Bereits im Januar hat er ihn daheim in Deutschland entgegengenommen. Michael March erinnert an Grass’ Gedicht ‚Was gesagt werden muss’, in dem der Autor voriges Jahr die israelische Außenpolitik kritisierte und sich damit, quer durch fast alle politische Lager, selbst heftige Kritik zuzog.
„Günter Grass ist einer der großen Autoren des 20. Jahrhunderts, ein Mann des Muts und des Wissens. In Israel ist er jetzt Persona non grata. Aber es ist der Traum jedes Poeten, Persona non grata zu sein. Es bedeutet, dass die Menschen lesen, was man geschrieben hat, und dass sie darüber nachdenken. Günter Grass ist ein Freund des jüdischen Volkes. Wenn man sein Werk liest, so sieht man, dass er immer auf der Seite der Juden war, und gegen die Nazis. Aber als Autor muss er sagen, was er fühlt. Im politischen Sinne. In seinem Wunsch, Fairness in der Welt zu sehen, und eine Lösung der israelisch-palästinensischen Frage.“Aufgrund empfindlicher Budgetkürzungen seitens der Stadt Prag musste das Programm diesmal massiv eingeschränkt werden. Es kommen weniger Autoren als in den vergangenen Jahren, das Festival endet bereits am Freitag.