Praxisgebühren: Zahlen bis der Arzt kommt
Seit dem Jahreswechsel müssen tschechische Patienten vor dem Arztbesuch oder im Krankenhaus selbst in die Tasche greifen. 30,60 oder 90 Kronen – umgerechnet zwischen einem und drei Euro bewegt sich die Zuzahlung, die derzeit sicht- und spürbarste Neuerung des Reformpaktes der Regierung. Und auch die umstrittenste: Kritiker werfen der Koalition Verfassungsbruch vor. Die garantiert nämlich das Recht auf kostenlosen Zugang zur medizinischen Versorgung.
In den tschechischen Praxen und Klinken begann das neue Jahr mit Verwirrung: Wer soll wo wieviel wofür zahlen? Die Verordnung sagt: Einen Euro für die ärztliche Untersuchung, drei Euro in der Ambulanz, zwei Euro für jeden Tag im Krankenhaus und wiederum einen Euro für jedes verschriebene Medikament: Gesundheitsminister Tomáš Julínek will so die statistisch bewiesene Liebe der Tschechen zum Arztbesuch und zu überquellenden Medikamentenschränkchen bremsen. Was die Mitte-Links-Opposition nicht im Parlament verhindern konnte, das soll nun die Justiz zu Fall bringen:
„Das Verfassungsgericht betrachtet diesen Fall als dringend und berät sehr intensiv darüber“,
bestätigte Gerichtssprecher Michal Spáčil bereits im Dezember. Inzwischen ist klar: Ein Urteil ist nicht vor dem Sommer zu erwarten. An dem Hauptkritikpunkt dürfte sich damit vorerst nichts ändern: Die Gebühren gelten nämlich genauso auch für Rentner und Kleinkinder – und das unterschiedslos bis zu einem Deckelbetrag von 5000 Kronen jährlich, also etwa 190 Euro. Was für Normalverdiener tragbar sein mag, das kann in den ohnehin angespannten Budgets von Pensionisten und Familien ein tiefes Loch hinterlassen, beklagt sich auch diese Patientinnen eines Prager Krankenhauses:
„Ich meine, das ist wirklich unverschämt! Den Arzt brauche ich einfach. Ich renne da doch nicht zum Spaß hin – einmal im Monat muss ich wegen den Medikamenten zum Arzt.“„Die Reform kann ich soweit akzeptieren, wie sie den Missbrauch des Gesundheitssystems durch die erwerbstätige Bevölkerung verhindern soll. Aber ich zum Beispiel bin allein erziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern, die sich jeden Monat irgendwo anders anstecken. Ich finde es wirklich unsolide, auch für Kinder die Zuzahlungen zu kassieren, genauso auch für Rentner – das sind beides Gruppen, wegen denen die Reform eigentlich nicht gemacht worden ist.“
Im Protest gegen die Reformen ergeben sich derzeit die interessantesten Koalitionen. Erst vor kurzem haben in Prag Rentner und Anarchisten Hand in Hand gegen die Gebühren demonstriert. Im Allgemeinen aber herrscht auch unter den am meisten betroffenen Pensionisten gelassener Fatalismus:
„Man muss doch sowieso zahlen – wenn es vorgeschrieben ist, geht es halt nicht anders. Und an der Gesundheit soll man schließlich nicht sparen!“