Premier Gross erwägt Rücktritt
Zu der schweren Regierungskrise, die derzeit die politische Landschaft der Tschechischen Republik erschüttert, schien sich in den letzten Tagen noch eine gewisse Lähmung hinzuzugesellen. Die Situation war verfahren, tragfähige Lösungen schienen kaum in Sicht. Nun aber ist wieder Bewegung in die Diskussion gekommen: Der sozialdemokratische Premierminister Stanislav Gross hat erstmals die Möglichkeit seines Rücktritts in den Raum gestellt. Gerald Schubert berichtet:
"Wenn dieses Projekt verwirklicht werden soll, dann müssen politische Stabilität, Prosperität und die europäische Zukunft Vorrang haben vor persönlichen und parteipolitischen Partikularinteressen."
Vor allem das Attribut pro-europäisch hat Gross zuletzt immer wieder genannt, wenn es um die politischen Prioritäten bis zu den regulären Parlamentswahlen im Jahr 2006 ging. Das ist auch konsequent, denn die Eingliederung des Landes in die EU war von Anfang an eine der stärksten Klammern um dieses ideologisch recht breit gefächerte Drei-Parteien-Bündnis.
Der konservative Präsident Václav Klaus hält von der europäischen Integration bekanntlich wenig, dennoch steht er dem Vorschlag des Premierministers positiv gegenüber:
"Ich bin bereit, eine solche Lösung nicht nur zu ermöglichen, sondern auch zu unterstützen. Sie sollte jedoch ohne lange Verzögerung beschlossen werden."Die Koalitionspartner der Sozialdemokraten sind ebenfalls bereit, über eine Neuauflage des sozialliberalen Projekts zu verhandeln. Frantisek Pelc, stellvertretender Vorsitzender der liberalen Freiheitsunion:
"Ich begrüße diese Lösung. Und zwar vor allem deshalb, weil dadurch ein Weg aus der Krise gesucht wird, der weder auf die versteckte noch auf die offene Zusammenarbeit mit den Kommunisten angewiesen ist."
Wer die Regierungskrise in Tschechien bereits seit längerer Zeit verfolgt, der wird vielleicht sagen: Eine Fortsetzung der Koalition ohne Gross hätte man auch schon vor Wochen haben können. Die Christdemokraten, die Gross undurchsichtige Privatgeschäfte vorwerfen, hatten ja zuletzt genau das gefordert. Neu am Vorschlag von Gross ist aber: Auch die anderen beiden Parteien sollten darauf verzichten, ihre Spitzenvertreter in das neue Kabinett zu entsenden. Damit würde er als Chef der Sozialdemokraten ein wenig das Gesicht wahren. In der Politik keine unwichtige Kategorie.