Presseeinblick – und Geburtstagsfeier: Nachrichtenagentur ČTK wird 90 Jahre alt

Herzlich Willkommen zum Medienspiegel. Heute berichten wir über eine tschechische Presse-Institution, mit der auch Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, bei uns immer wieder Bekanntschaft machen. Die Nachrichtenagentur ČTK feiert ihren 90. Geburtstag. Zunächst aber unser Blick in die Tagespresse der auslaufenden Woche.

Das Fiasko der regierenden Bürgerdemokraten bei den Kreiswahlen am vergangenen Wochenende, das überspringen wir mal. Stimmen und Berichte dazu haben Sie in dieser Woche zu Genüge gehört. Also, dál, wie die Tschechen sagen – weiter!

Beim Thema Wahlen bleiben wir allerdings. Am Mittwoch war nicht das Volk am Zug, sondern die Abgeordneten sollte wählen, ob sie die Regierung Topolánek weiterhin wollen oder nicht. Das vierte Misstrauensvotum, angestrengt von den oppositionellen Sozialdemokraten. Die „Lidové noviny“ titelt: „Fünf Stunden Gerede. Und die Regierung überlebt. – Ansprachen versus Scherze vom Premier“. Die Kritiker in der Mitte-Rechts-Partei ODS enthielten sich, andere Koalitionspolitiker suchten vor der Abstimmung den Ausgang. Fazit: Topolánek und Co. machen weiter.

Die Regierung Topolánek soll weiter machen! Das wollen auch 21 Prozent der Bevölkerung. Jedenfalls wenn man der aktuellen Umfrage der Zeitung „Mladá fronta Dnes“ glauben darf: „Veränderungen in der Politik – Einem Drittel aller Bürger ist es egal, wer am Regierungssteuer sitzt. Politiker betrachten sie als unehrenhafte Leute“, titelt das Blatt. Das meinen vor allem die jüngeren Leute bis 24 Jahre, Menschen mit geringer Bildung und einige Kommunisten.

Schlägt man die aktuelle Ausgabe der Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ auf und blätter sich ein wenig durch, dann stutzt man: „Standing With McCain, A Real Political Outsider“ – Eine ganze Seite auf Englisch! Ganz oben liest man im bekannten Layout den Schriftzug „The New York Times“. Das tschechische Wirtschaftsblatt hat wieder einmal die Nase vorn, was die in Tschechien ohnehin knappe Berichterstattung über die Welt betrifft. Diesmal mit einem Gemeinschaftsprojekt mit der bekanntesten und renommiertesten Tageszeitung der Welt. Bis zur amerikanischen Präsidentschaftswahl veröffentlicht die „Hospodářské noviny“ regelmäßig zu diesem Thema eine Originalseite aus der Times. Mit einer kleinen Beigabe: Vokabelerläuterungen am unteren Rand. Eine interessante Idee, bei der man gleich mehrere Fliegen mit einer Zeitungsseite schlägt.


Schnelligkeit, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit. Das sind die Attribute, die sich die tschechische Presseagentur ČTK auf ihre Fahnen geschrieben hat. 370 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass täglich 700 Pressemeldungen, 400 Fotos sowie Bild- und Tonaufnahmen an die tschechischen Medien weitergeleitet werden. Die ČTK wird immer wieder auch in den Nachrichten von Radio Prag zitiert. Und in diesem Jahr gibt es einen Grund zu feiern: Die Nachrichtenagentur ČTK wird 90 Jahre alt. Genauso alt, wie die Tschechoslowakei, gegründet im Oktober 1918. Aufgebaut wurde die ČTK von Emil Čermák, einem renommierten Journalisten, der Ende des 19. Jahrhunderts wegen seiner anti-österreichischen Artikel nach Bulgarien fliehen musste, wie Jan Stejskal aus der heutigen Führungsetage der ČTK berichtet:

„Mit der Gründung des tschechoslowakischen Staates wurde Emil Čermák von Premier Kramář zurückgerufen, um den Aufbau der ČTK vorzubereiten. Der Anfang war chaotisch, aber 1920 ging es dann richtig los.“

Die ČTK von damals war mit der heutigen allerdings kaum zu vergleichen, sagt Jan Stejskal:

„Die ČTK hatte damals im Vergleich zu späteren Zeiten verhältnismäßig wenige Mitarbeiter. Und auch die Struktur war eine andere als heute. Die ČTK war damals eine zweisprachige Nachrichtenagentur. Im gleichen Umfang wurden Nachrichten auf Tschechisch und auf Deutsch herausgegeben. In der Tschechoslowakei erschienen damals viele deutschsprachige Zeitungen und eine Reihe von ČTK-Büros hat Nachrichten ausschließlich auf Deutsch veröffentlicht. Vor allem die Büros in den damaligen Sudetengebieten.“

Mit der deutschen Okkupation der Tschechoslowakei wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Es stand eine Zeit lang im Zeichen des Widerstands. Damals gelang es dem Pressechef des Regierungsrates, Zdeňek Šmoranc, dem die ČTK direkt unterstellt war, in die nationalsozialistischen Zensurstellen ehemalige tschechoslowakische Spione zu setzen, erzählt ČTK-Mitarbeiter Stejskal.

„Dieser Dienst erwies sich ungefähr bis zum Überfall auf Polen als ein sehr effektives Instrument, um wichtige Informationen zu gewinnen. Die wurden dann in den Westen weitergeleitet, vor allem zur Exilregierung von Edvard Benes. Das funktionierte so lange, bis das ganze verraten wurde. Šmoranc selbst wurde hingerichtet und viele andere kamen ins KZ.“

Nach 1945 folgten nur drei Jahre freier Berichterstattung. Als die Kommunisten 1948 die Macht übernahmen, war es damit vorbei. Präsident Klement Gottwald hatte schnell begriffen, dass die Agentur ČTK ein starkes Instrument war, um die Presse zu beherrschen. Und das sollte sich bis zum Fall des eisernen Vorhang auch nicht ändern. Mit Ausnahme des Jahres 1968, wie Jan Stejskal berichtet:

„Das war eines der leuchtensten Kapitel in der Geschichte der ČTK. In den dramatischen Augusttagen nach der Invasion der Warschauer-Pakt-Staaten ging man davon aus, dass die ČTK moskautreue Informationen verbreitet. Damit sollte die Reformbewegung gestoppt und die so genannte Normalisierung unterstützt werden. Die ČTK-Mitarbeiter haben diese Meldungen aber nur zum Schein verschickt, so dass man diese Berichte dann von Moskau aus verbreiten musste. Das reduzierte aber ihre Glaubwürdigkeit und ihre politische Wirksamkeit.“

Die Mitarbeiter der ČTK wurden dafür zur Rechenschaft gezogen. Und die ČTK wurde wieder zur Nachrichtenagentur eines totalitären Regimes. Bis zu Wende 1989. Die ČTK erhielt den Status einer öffentlich-rechtlichen Agentur. Das ist im Pressebereich eher selten, meint Jan Stejskal:

„Der Grund, warum der öffentlich-rechtliche Status gewählt wurde, ist im Nachhinein nicht ganz klar. Tatsache ist, dass im dazugehörigen Gesetz der Hinweis steht, dass die ČTK langfristig privatisiert werden soll. Dazu ist es bisher nicht gekommen und die ČTK wartet seitdem vergeblich darauf.“

Ob staatlich, privat, genossenschaftlich oder öffentlich-rechtlich – Radio Prag gratuliert der Nachrichtenagentur ČTK zum 90. Geburtstag.