Prítomnost feiert 80-jähriges Jubiläum

Die Zeitschrift Prítomnost - zu Deutsch sowohl Gegenwart als auch Anwesenheit - feiert am Wochenende ihre Gründung vor 80 Jahren. Das Quartalsheft, das sich mit politischen, historischen und publizistischen Kontroversen im Tschechien der Gegenwart befasst, blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück und freut sich heute über eine englischsprachige Schwesterausgabe. Mehr dazu in einem Bericht von Daniel Satra.

1924, das Jahr der Gründung der Prítomnost, liegt mitten im geschäftigen Treiben der 1. Tschechoslowakischen Republik. Demokratische Aufbruchstimmung führte in den 20er Jahren zu einer Reihe von publizistischen Neuerscheinungen. Insbesondere politische Zeitschriften hatten Konjunktur, doch nur wenige konnten sich lange halten. Die Pritomnost ist - mit Unterbrechungen - bis heute eine davon. Doch welche Rolle spielt die vierteljährlich erscheinende Schrift in der gegenwärtigen publizistischen Landschaft Tschechiens. Diese Frage stellte ich Martin Jan Stránský, der seit 1995 Herausgeber der Prítomnost ist:

"Ich glaube, dass sie in dieser Art ihrer Zeit voraus ist. Denn es geht darum, dass Fragen, Diskussionen und Themen in einer bestimmten Weise neu angesprochen werden, und dies in einem Stil, der in der Tschechischen Republik noch nicht eingeführt worden ist."

Der Zeit im Stil voraus, doch mit Themen, die für viele Tschechen bereits in Vergessenheit geraten sind. So auch der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe der Prítomnost: Die so genannte Normalisierung. Die Phase also, die auf die politische Tauwetterstimmung des Prager Frühlings 1968 und seine Niederschlagung durch die militärische Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten folgte.

"Wir konnten beweisen, bzw. haben uns auf bereits bewiesene Tatsachen erneut berufen, die zeigen, dass in dieser Zeit immer noch gemordet und gefoltert wurde, dass Menschen immer noch in den Rücken geschossen wurden. Und das hatte sehr ernste Folgen sowohl hinsichtlich einzelner Bürger, als auch auf die gesamte Nation. Und wir haben gezeigt, dass dies im Grunde eine ungelöste Frage ist, die heute neu gestellt werden sollte."

Ungelöste Fragen und Tabus der tschechischen Gesellschaft hat auch das Schwesterblatt der Prítomnost - die englischsprachige The New Presence - im Blick. Die Hälfte der englischen Beiträge ist aus der Pritomnost übersetzt, die andere Hälfte liefern Autoren englisch ab. Und wie ist Martin Jan Stránský, Enkel des Politikers und Publizisten Jaroslav Stránský, an seine Zeitschrift geraten? Der 46-Jährige hat zwei Antworten:

"Das ist wohl eine Frage, die mit den Genen und meiner Familie zusammenhängt. Mein Urgroßvater hat die Tageszeitung Lidové Noviny gegründet, und mein Großvater war der erste Herausgeber der Prítomnost. Und auch wenn ich eigentlich Arzt bin, ist dies wieder in mir hochgekommen. Und ein konkreter Grund war zudem, dass ich nach meiner Rückkehr aus den USA nach Tschechien 1990 keine Publikation des Typs Prítomnost vorgefunden habe. Das hat mich sehr gestört, denn als Mensch, der in Amerika aufgewachsen ist und gelebt hat, war ich Veröffentlichungen gewohnt, die sich mit Themen besser auseinander setzen, als es hier der Fall war."

Die beiden Zeitschriften Prítomnost und The New Presence, zählen heute jeweils rund 5000 Leser. Tendenz steigend, so Stránský. Dies sei aber nicht erstes Ziel, sondern nur Zeichen für ein wachsendes politisches Interesse im Land.