Prozedur-Streit verzögert Präsidentschaftswahl
Senat und Abgeordnetenhaus, die beiden Kammern des tschechischen Parlamentes, sind heute auf der Prager Burg zusammengekommen, um das Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu wählen. Thomas Kirschner ist für Radio Prag direkt vor Ort und fasst den Stand um Freitag, 17 Uhr, zusammen.
Wir alle hier im Pressezentrum der Prager Burg warten darauf, dass wir tatsächlich von den Präsidentschaftswahlen berichten können. Die haben aber immer noch nicht begonnen. Abgeordnete und Senatoren sind bereits heute morgen um 10 Uhr im Spanischen Saal zu ihrer gemeinsamen Sitzung zusammengekommen, aber nach einer allgemeinen Aussprache wird nun bereits seit Stunden über den Wahlmodus debattiert. Der Streit darüber, ob die Wahl öffentlich oder geheim sein soll, hatte ja bereits die letzten Tage überschattet. In der Verfassung ist diese Frage erstaunlicherweise nicht geregelt, die Parlamentarier haben das Recht darüber abzustimmen. Bleibt eben nur die Frage zu klären, wie abgestimmt werden soll: also ob die beiden Parlamentskammern getrennt oder zusammen gezählt werden, ob eine Kammer die andere überstimmen kann – davon hängt nämlich letztlich ab, ob es eine Mehrheit für eine offene oder eine geheime Wahlen geben wird, und eben darüber wird derzeit erbittert gestritten. Warum aber ist die Frage nach dem Wahlmodus so wichtig? Einziger Verfechter von geheimen Wahlen ist inzwischen die ODS mit ihrem Kandidaten Václav Klaus, und denn dort glaubt man, dass Klaus bei einer geheimen Wahl auch einige Stimmen im dem offiziellen Lager seines Herausforderer Jan Švejnar wildern könnte – also Stimmen von Abgeordneten, die Klaus offen wohl nicht unterstützen würden. Und einiges deutet in der Tat darauf hin, dass die Bürgerdemokraten im Svejnar-Lager in der Tat zumindest intensiv sondiert haben – ein Vertreter der Präsidentenkanzlei wurde in den letzten Tagen mit einem Vertrauten von Ex-Premier Miloš Zeman gesehen, der grauen Eminenz der Sozialdemokraten. Zur Erinnerung: Zeman ist vor fünf Jahren bei den Präsidentschaftswahlen gegen Václav Klaus durchgefallen, und zwar wegen fehlender Unterstützung der eigenen Partei. Sei damals hat der immer noch einflussreiche Zeman noch eine Rechnung offen mit den Sozialdemokraten, und es ist gar nicht undenkbar, dass hier hinter den Kulissen intensiv verhandelt wurde. Das war für die Grünen der Grund, sich fúr öffentliche Wahlen auszusprechen, bei denen also transparent ist, wer wer dem Stimme gibt. Und auch die Sozialdemokraten hoffen, so ihre traditionell eigensinnigen Abgeordneten unter Kontrolle zu halten. Derzeit scheint die Situation festgefahren, hinter den Kulissen hört man aber, dass die ODS zum Nachgeben bereit ist, damit die Wahl nicht zur Frace wird. Bei der Wahl selbst dürften dann die Kommunisten zum Zünglein an der Waage werden, und die bleiben in ihren Aussagen bewusst ganz unscharf. Zwar signalisiern sie deutlichen Abstand zu Klaus, zugleich aber haben sie nicht ausgeschlossen, dass sie in der dritten Runde nicht doch noch die Wahl des ODS-Kandidaten ermöglichen könnten. Hier ist also noch jede Menge Raum für Angebote von beiden Seiten, und da werden die Kommunisten sicher versuchen, aus dieser Situation so viel Profit wie möglich zu schlagen.
Wann es hier also richtig losgeht und wie der nächste Präsident heissen wird, das ist also weiter unklar. Immerhin. Der Organisationsauschuss hat sich selbst eine Frist gesetzt. Heute um 21 Uhr 22 Minuten und 23 Sekunden soll das neue Staatsoberhaupt bekannt sein. Aber zugkräftiger als solche Selbstverpflichtungen ist vielleicht ein anderes Symbol: die politischen Gremien werden nämlich im Hungerturm tagen.