Puppentheaterstück in tschechisch-deutscher Einstudierung

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Vor neunzig Jahren starb der deutsche Lyriker Christian Morgenstern an den Folgen seiner Lungenkrankheit. Seine abstrakte Poesie scheint jedoch zeitlos. "Morgenstern und Abendstern" heißt ein Puppentheaterstück, das Ende Januar im Prager Goethe Institut Premiere feierte. Es erweckt die Morgensternschen "Galgenlieder" zu neuem Leben und ist darüber hinaus eine deutsch-tschechische Koproduktion. Hören Sie mehr dazu von Lena Hammerschmidt:

Morgenstern a vecernice - Morgenstern und Abendstern. Zwei Trichter wandern durch den Wald. Ihr Ziel ist Sibenicni vrch - der Galgenberg. Auf dem Weg dorthin erleben sie Abenteuer, treffen auf eine nervöse Kartoffelmaus, eine Schnecke, deren Haus sich selbständig gemacht hat und kurz vor dem Ziel auf einen bösen Zauberer, doch sie erreichen ihr Ziel und erleben dort eine Überraschung. Die Puppenspieler Ralf Lücke und Michaela Bartonova führen die Figuren auf der tischgroßen Bühne, die frei im Raum steht. Im Hintergrund hängt der schwarze Nachthimmel mit vielen Sternen und dem Mond, der mit den Figuren wandert. Im schwarzen Frack mit Trichtern auf dem Kopf wechseln die beiden Darsteller immer wieder die Rolle zwischen Puppe und Puppenspieler. Ihre Sprache ist minimalistisch und so phantastisch wie die Wanderung:

Zwischen jedem neuen Abenteuer der beiden Trichter ertönen Gedichte aus Morgensterns Galgenliedern aus dem Off, vorgelesen von Radim Vasinka in der tschechischen Übersetzung von Josef Hirschal. Morgenstern und Abendstern ist bereits die dritte Koproduktion zwischen dem Kobalt Theater Berlin und dem Tineola Theater aus Prag. Von der Musik bis zum Bühnenbild - alles ist liebevolle Handarbeit. Die Holzfiguren, die Tineola Mitglied Antonin Muller gefertigt hat, passen perfekt zu Morgensterns Gedichten: Sie sind absurd und fröhlich. Vor einem Jahr bekam Michaela Bartonova die Idee, ein Puppenspiel mit Morgenstern - Gedichten zu inszenieren. Ihre Begeisterung für den deutschen Schriftsteller kam schon früher.

"Ich habe ihn in meiner Jugend entdeckt, er war hier sehr beliebt in den sechziger Jahren. Seine Werke wurden nicht besonders stark veröffentlicht in der Tschechoslowakei, erst in den Sechzigern. Damals habe ich die Nonsens- Gedichte entdeckt, als etwas sehr Schönes, Humorvolles und Inspirierendes."

Im April nächsten Jahres soll Morgenstern und Abendstern in Berlin zu sehen sein. Im Prager Goethe Institut war jeder Platz besetzt. Kinder waren nur wenige unter den Zuschauern, doch Christian Morgenstern widmete die Galgenlieder "Dem Kind im Manne". Im Vorwort zu seinem Gedichtband schrieb er 1913: "In jedem Menschen ist ein Kind verborgen, denn dieses ´Kind im Menschen´ ist der unsterbliche Schöpfer in ihm." Der Saal im Prager Goethe Institut war also eigentlich voller Kinder.