Queer-Festival Mezipatra mit märchenhafter Doku von Tim Lienhard

Film „OneZeroOne“

Ob weiblich oder männlich - nicht alle Menschen können sich eindeutig zuordnen. Um die Frage nach geschlechtlicher Identität geht es derzeit beim Prager Queer-Filmfestival „Mezipatra“. Jenseits des heterosexuellen Mainstreams lockt die Veranstaltung mit ganz unterschiedlichen Streifen. Am Donnerstagabend wurde Tim Lienhards neuer Kinofilm „OneZeroOne“ im Kino Lucerna vorgeführt. Dieser Dokumentarfilm beschreitet unter anderem ganz neue künstlerische Wege. Im Folgenden mehr zum Film und dem Festival.

Film „OneZeroOne“
Mal schillernd schräg oder grotesk und rührend - Lienhards Film ist in jedem Fall außergewöhnlich. Für die Geschichte um zwei körperlich und psychisch benachteiligte Travestie-Künstler kreierte er ein eigenes Genre, die sogenannte „Doku-Tale“. Dazu der Regisseur:

„Es geht um eine märchenhaft erzählte Dokumentation über zwei schwerbehinderte Drag-Performer. Sie verkörpern keine klassische Drag-Queen oder Kopien von Whitney Houston oder Madonna, wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Beide Künstler sind eigenständige Selbstfindungen und auch Erfindungen, Cybersissy und BayBjane. Sie führen ein beschwerliches Leben. BayBjane ist nur 1,48 Meter groß, schwerstbehindert und hat einen Körper mit vielen Defekten. Der niederländische Darsteller von Cybersissy, Antoine, hat eine Psychose und war sehr lange in der Psychiatrie. Dagegen setzten sie einen ganz glamourösen Selbstentwurf.“

Tim Lienhard  (Foto: Archiv von Tim Lienhard,  CC BY-SA 3.0)
Der Hauptdrehort war ein privates Berliner Schloss. Dessen Kulisse rahmte die Inszenierung und führte letztlich zur hybriden Form aus Märchen und Dokumentation. Tim Lienhard bezeichnet sich selbst als „Fairytale-Figur“ und verkleidet sich auch mal gerne. Es sei seine persönliche Leidenschaft zu körperlicher Gestaltung und Kostümierung gewesen, die Ihn dazu brachte, diesen Film zu drehen.

Wie weit die tschechische Gesellschaft offen für sexuelle Minderheiten ist, beschreibt der Direktor des Queer-Festivals, Aleš Rumpel:

„Als wir mit dem Festival begannen, gab es noch keine eingetragene Partnerschaft. In Medien und Politik wurde darüber gerade eine scharfe Debatte geführt. Es gab auch noch nicht die großen und erfolgreichen Umzüge der ‚Prague Pride’. Die Lage hat sich seitdem entschieden gewandelt, das Thema ist mehr in der Öffentlichkeit zu sehen, und das ist das Wichtigste.“

Regisseur Lienhard zeigt sich vom Prager Queer-Festival begeistert und auch vom offenen Umgang mit dem Thema hier in Tschechien:

„Was ich bisher mitbekommen ist zunächst, dass das Festival einen exzellenten Ruf hat. Es wurde mir sehr ans Herz gelegt, hier herzukommen, es sei ein wunderbares Festival - und ich kann das nur bestätigen. Ich finde es für die Gesellschaft ganz wichtig, dass diese Vielfalt geboten wird. Das ist in Prag und Tschechien sehr zu begrüßen. Alleine, dass es dieses Festival gibt, in zwei großen Kinos mitten in der Stadt, die bekannt sind für ein gutes Programm, ist wunderbar beim Mezipatra.“