Radiomachen 1939 – Eine Reportage aus der Tabaksfabrik Joachimsthal
Die kleine Stadt Jáchymov, zu deutsch: Joachimsthal liegt im Nordwesten Tschechiens im ehemaligen Sudetenland. Vor allem als Kurort mit dem ältesten Radiumheilbad der Welt zieht sie die Menschen an. Früher aber war die Stadt außerdem noch Menschen ein Begriff, die ihr „Heil“ nicht im Radiumwasser, sondern im blauen Dunst fanden.
Vor allem Rauchern war der Name Joachimsthal ein Begriff. Denn mit ihrer Tabaksfabrik trug die Stadt erheblich zur Produktion von Zigaretten, Zigarren und Pfeiffentabak bei. Das war Grund genug für einen Reporter von Radio Prag, sich im Mai 1939 dorthin aufzumachen. Zu einer Zeit also, in der nicht nur das Sudetenland schon von Hitler-Deutschland annektiert worden war, sondern auch die so genannte „Rest-Tschechei“. Das interessierte unseren Reporter allerdings nicht. Er berichtete über die verschiedenen Produktionsprozesse der Tabaksfabrik. Zu dieser Zeit waren die Radiominuten noch länger und der Reporter konnte alles genauestens beschreiben. Hören Sie einen Auszug aus seiner Reportage.
„Hallo, Hallo. Wir bringen Ihnen heute einen Hörbericht aus der Tabaksfabrik in Joachimsthal. Unser Mikrofon befindet sich auf einem großen, gepflegten und weiten Werkshof. Vor uns liegt das Fabrikgebäude. Ein schöner, robuster Bau, der, wie mir mitgeteilt wird, schon aus dem Jahre 1860 stammt.“
Dieser Bau hatte viele Abteilungen und Maschinen, die es zu erklären galt. Angefangen beim Lagerraum:
„Hier ist also das Lager. Wir stehen in einem großen, geräumigen und lichten Raum. Bis an die Decke hinauf sind große Ballen aufgestapelt. In denen wird der Tabak aufbewahrt.“
Danach wirft sich der Radio-Prag-Reporter ins Produktionsgeschehen. Dabei war der Lärm in der Fabrik nervenzehrend, aber unser Reporter schlug sich tapfer:
„Jetzt wollen wir uns diese Wundermaschine, die einem komplizierten Uhrwerk gleicht, näher ansehen. Der Lärm im Maschinensaal ist natürlich sehr groß und wird immer größer, je näher wir zu einer solchen Maschine gehen. Hier halte ich Ihnen das Mikrofon an den Teil der Maschine, der die Zigaretten schneidet. Und jetzt schießen, wie aus einem Maschinengewehr geschossen, die einzelnen schon abgeschnittenen Zigaretten aus einer Öffnung. Der weisse Strang ist wie ein weisser Faden. Man sieht überhaupt nicht, wie das Messer arbeitet, so rasch gehts das.“
Ganze 45 Minuten hatte sich der Radio-Prag-Reporter durch das Innenleben der Fabrik gekämpft. Danch war nicht nur die Reportage am Ende angelangt, sondern auch er und seine Nerven waren es. Ganz im Gegensatz zum Werksleiter.
„In Joachimsthal haben wir ein großes Verschleißmagazin. Dazu wird uns leider keine Zeit mehr bleiben. Oder zum Beispiel unsere sozialen Einrichtungen, die Kinderanstalt, die Arbeiterbäder. Das wäre alles sehr interessant, aber leider wird uns die Zeit nicht mehr ausreichen.“