Regierungsentwurf zum Referendum-Gesetz im Kreuzfeuer der Kritik

Wie in vielen europäischen Demokratien, so hat auch in Tschechien die Politikverdrossenheit zuletzt immer mehr zugenommen. Unterem anderen auch, um den Bürgern zu zeigen, dass man die Stimmungslage in der Bevölkerung durchaus ernst nehme, wird in den Politstuben deshalb wieder vermehrt über die Einführung eines Gesetzes über Referenden diskutiert. Am Mittwoch hat nun die Regierung Nečas ihren Entwurf zu diesem Thema auf den Tisch gelegt – ein Entwurf, an dem sich schon jetzt die Geister scheiden.

In der fast 20 Jahre alten Tschechischen Republik hat es bisher eine einzige Volksabstimmung gegeben. Sie fand im Jahr 2003 statt und sollte eine wegweisende Frage beantworten: Wollt ihr in die EU oder nicht? Ein Jahr später, am 1. Mai 2004, trat Tschechien der Europäischen Union bei.

In dieser wichtigen Frage also durfte die Bevölkerung mitreden, ansonsten muss sie sich auf das Geschick und die Fähigkeiten ihrer Volksvertreter verlassen, dass anstehende Entscheidungen zügig getroffen und in eine von der Mehrheit akzeptierte Richtung geschoben werden. Gerade in jüngerer Vergangenheit aber gab und gibt es immer wieder Dinge, bei denen die Bürger gehört und ihre Meinung respektiert haben wollen. Sei es bei der inzwischen hinfälligen Frage über die Errichtung einer US-Radaranlage in Böhmen, der Frage zum Ausbau des AKW Temelín und anderes mehr. Die Bemühungen der Sozialdemokraten, dafür ein Gesetz über das allgemeine Referendum auf den Weg zu bringen, wurden bisher immer abgeschmettert. Nun trat die Regierung mit einem eigenen Entwurf auf den Plan. Der sieht unter anderem vor, dass für die Durchführung einer Volksabstimmung eine Petition notwendig sei, die von mindestens einer Viertelmillion Leuten unterzeichnet ist. Dazu sagte Vizepremierministerin Karolína Peake:

Karolína Peake  (Foto: ČT 24)
„Die Bedingungen zur Einforderung eines Referendums sind sehr weich. Zum Vergleich möchte ich nur anführen: In der Slowakei, wo die Bevölkerung nur halb so groß ist, sind 300.000 Unterschriften nötig.“

Die Aussage von Karolína Peake ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn selbst, wenn sich hierzulande 250.000 oder mehr Menschen zusammentun, um zu einer gewichtigen Frage eine Volksabstimmung zu veranlassen, zieht das nicht automatisch eine solche nach sich. Dann bedarf es nämlich noch der Zustimmung des Parlaments, um das Referendum tatsächlich durchzuführen. Das sei absurd, kritisiert der sozialdemokratische Vizechef und Senator Jiří Dienstbier:

Jiří Dienstbier
„Das, was die Regierung verabschiedet hat, ist kein Gesetz über das allgemeine Referendum, sondern ein Hohn. Das ist vielmehr ein Gesetz darüber, wie man Referenden verhindern kann.“

Ein weiterer Kritikpunkt der Opposition ist der, dass ein Referendum nach Vorstellung der Regierung erst dann ein gültiges Ergebnis hat, wenn sich an der Abstimmung mindestens 50 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung beteiligt hat. Ein Gegenvorschlag der Sozialdemokraten, der erst vor zwei Wochen im Abgeordnetenhaus zurückgewiesen wurde, sah vor, dass es für die rechtskräftige Aussage einer Volksabstimmung ausreiche, wenn die Stimmbeteiligung bei 35 Prozent liegt. Dennoch wollen die Sozialdemokraten den Regierungsvorschlag bei der ersten Lesung im Abgeordnetenhaus passieren lassen. Das aber habe nur einen nachvollziehbaren Grund, so Jiří Dienstbier:

Illustrationsfoto
„Ohne Zweifel werden wir darüber im Abgeordnetenhaus verhandeln, doch wir werden Änderungsvorschläge anbringen. Wir wollen erreichen, dass das willkürliche Recht für die Regierungskoalition entfällt, aufgrund ihrer Mehrheit im Parlament entscheiden zu können, ob ihr ein Referendum in den Kram passt oder nicht.“

Die Sozialdemokraten, die längere Zeit kaum in Erscheinung getreten waren, wollen also offenbar wieder punkten in der Bevölkerung. Was aber hat eigentlich die Regierung dazu bewogen, einen Entwurf zum Gesetz über das allgemeine Referendum auszuarbeiten? Dazu sagte Ministerpräsident Petr Nečas:

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
„Das, was wir ausgehandelt haben, ist ein Kompromiss der Koalition. So wurde es vereinbart bei der Regierungsbildung im Sommer 2010, so wurde es im Koalitionsvertrag festgehalten, und so steht es auch in der Programmerklärung der Regierung. Dieser Entwurf respektiert die Koalitionsvereinbarung.“

Premier Nečas vergaß dabei nicht zu betonen, dass der Kompromiss vor allem seiner Partei, der ODS, zu verdanken sei. Schließlich sei sie es gewesen, die von ihrer Position, keine Referenden zuzulassen, abgewichen sei. Aus ersten Reaktionen von Bürgerinitiativen aber ist bereits herauszuhören, dass der Regierungsentwurf auf keine Gegenliebe stößt. „Das, was da verabschiedet wurde, ist eine schändliche Vorführung der Demokratie, aber keineswegs ein Vorschlag für ein Referendum“, sagte der Sprecher der Initiative ProAlt, Jiří Šteg. Vieles spricht also dafür, dass sich die Regierung mit ihrem Entwurf eher ein Eigentor geschossen hat.