Regierungskampagne zur EU-Verfassung erhitzt die Gemüter

Erst in der letzten Ausgabe unseres Tagesechos haben wir über die Meinungsverschiedenheiten berichtet, die es im politischen Spektrum Tschechiens bezüglich der Europäischen Verfassung gibt. Auf der Kabinettssitzung am Mittwoch hat die Auseinandersetzung neue Nahrung bekommen. Gerald Schubert berichtet:

Soll das Parlament oder das Volk über die Ratifizierung der EU-Verfassung entscheiden? In 24 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es auf diese Frage bereits eine Antwort, nur in Tschechien nicht. Zwar sind alle Parteien in dieser Frage eher für ein Referendum, aber die chronisch zerstrittenen Politiker des Landes können sich auf keinen Modus einigen: Ein allgemeines Referendumsgesetz muss in die Verfassung, sagen die einen. Kommt nicht in Frage, wir machen lieber ein eigenes Gesetz für jedes einzelne Referendum, sagen die anderen.

Obwohl also über die Form der Ratifizierung noch gar nicht entschieden ist, hat das Kabinett am Mittwoch ein Team zur Ausarbeitung einer Kampagne eingesetzt. Die Opposition wittert Propaganda auf Kosten der Steuerzahler:

Pavel Bém
"In den Materialien der Regierung ist nicht von einer Informationskampagne die Rede, sondern von einer Werbekampagne. Mich erinnert das ein wenig an George Orwell. Da nehmen wir Geld von den Steuerzahlern, damit wir es danach in die Beeinflussung ihrer eigenen Meinungen investieren. Das geht doch nicht! Die Kampagne muss rein informativen Charakter haben", sagt Pavel Bém, stellvertretender Vorsitzender der Demokratischen Bürgerpartei ODS und im Hauptberuf Oberbürgermeister von Prag.

Die Finanzierung von meinungsbildenden Kampagnen aus öffentlichen Geldern ist aber freilich auch Teil des politischen Alltags. Wenn Bém hier gleich den "Großen Bruder" bemüht, dann begibt er sich rhetorisch auf recht dünnes Eis. Denn wo genau die Grenze zwischen Werbung und Information verläuft, das kann gerade in der aufgeheizten politischen Atmosphäre in Prag nur schwer beurteilt werden. Der sozialdemokratische Vizepremier Zdenek Skromach jedenfalls steht hinter der geplanten Grundausrichtung der Kampagne:

"Der Standpunkt der Regierung ist klar: Sie unterstützt die Europäische Verfassung, und daher wird die Kampagne sicher einen positiven Charakter haben. Aber es sollen auch die Vorbehalte erläutert werden, die es gegenüber der Verfassung gibt."

Ein Nebenschauplatz der Streitigkeiten findet sich übrigens innerhalb der Regierung selbst: Das christdemokratisch geführte Außenministerium hätte die Kampagne gerne selbst organisiert, am Mittwoch wurde diese aber zur Chefsache erklärt. Also zur Sache von Premierminister Stanislav Gross und damit der Sozialdemokratie.