Regisseur Bille August als Gast: Festival skandinavischer Filme in Prag

Filme aus Skandinavien erfreuen seit Jahren in Tschechien besonderer Beliebtheit. Eine Auswahl neuer Produktionen aus Nordeuropa sowie einige legendäre Filme werden ab Mittwoch beim Festival Scandi in 36 Kinos in ganz Tschechien gezeigt.

Das Filmfestival Scandi findet in Tschechien zum zehnten Mal statt. Das Programm jedes Jahrgangs werde schon lange vorher zusammengestellt, sagt der Kreativdirektor des Festivals, Dominik Hronec, und merkt an:

Dominik Hronec | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Mit der Auswahl der Filme beschäftigen wir uns auch einige Jahre lang. Ich kann schon jetzt sagen, dass wir schon drei Produktionen für die nächste Auflage von Scandi ausgesucht haben. Die Namen möchte ich noch nicht verraten. Als Festivalveranstalter und Filmverleiher interessieren wir uns für Filme in der Phase, wenn diese erst gedreht werden. Auf diese Weise haben wir auch den Großteil der neuen Produktionen für dieses Jahr besorgt. Wir besuchen immer das Festival in Göteborg, das für die skandinavische Filmbranche wichtig ist. Aber auch bei den Filmfestivals in Berlin, Venedig und Cannes halten wir nach geeigneten Filmen Ausschau. Es ist eigentlich ein langer Prozess. Wir konzentrieren uns auf diejenigen skandinavischen Filme, die derzeit im Angebot sind.“

Zu den Hauptmagneten des Festivals gehört der Film „The Kiss“ des renommierten dänischen Regisseurs Bille August. Dominik Hronec:

Foto: Scandi

„Bille August gewann zweimal die Goldene Palme in Cannes. Dies ist bisher nur neun Regisseuren in der Welt gelungen. Er wurde zudem mit einem Oscar für seinen Film ,Pelle, der Eroberer‘ ausgezeichnet. August ist ein sehr aktiver Regisseur, der fast jedes Jahr einen abendfüllenden Film dreht. Augenscheinlich fühlt er sich im Genre Historiendrama sehr wohl. Dies ist auch der Fall seiner neuesten Produktion mit dem Titel ,Der Kuss‘. Als Vorlage diente Stefan Zweigs Roman ,Ungeduld des Herzens‘. Bei August spielt die Geschichte jedoch in Dänemark. Der Film ist ein vielschichtiges romantisches Historiendrama. Bille August kommt nach Prag. Denn jedes Jahr sprechen wir einige der Regisseure an und laden sie zum Festival ein. Ich bin sehr froh, dass Bille August zweimal nach den Filmvorstellungen mit den Zuschauern diskutieren wird.“

Dem dänischen Regisseur können die Filmfans am 22. Januar im Kino Lucerna und einen Tag später im Kino Edison Filmhub begegnen.

„Songs of Earth“ – „Lieder der Erde“ heißt der Film, in dem die norwegische Regisseurin Margreth Olin die Zuschauer unter der Führung ihres 84-jährigen Vaters durch die norwegische Landschaft führt. Olin ist eine der vier Festivalgäste, die sich online mit dem Prager Publikum in Verbindung setzen. Olins neueste Produktion sei Norwegens Kandidat für den Oscar geworden, merkt Dominik Hronec an:

Dominik Hronec,  Denisa Nováková und Ivan Hronec | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Es ist eine außerordentlich sensible Meditation darüber, wie sich die Natur ändert und wie die Haltung der Eltern der Regisseurin zur Landschaft ist. Margreth Olin treffen wir digital im Kino Edison.“

Auch der schwedische Regisseur Lukas Moodysson wird über Zoom mit dem Prager Publikum diskutieren. Beim Festival wird seine Produktion „Zusammen 99“ gezeigt. Dies ist laut Hronec eine Fortsetzung des älteren Films „Zusammen“.

„Moodysson erzählt über die kleinste Kommune der Welt, die nur aus zwei Mitgliedern besteht. Nach Jahren laden die beiden ihre ehemaligen Freunde ein, um sich an alte Zeiten zu erinnern. Daraus ergeben sich sehr lustige und absurde Situationen. Des Weiteren schließt sich uns der dänische Regisseur Michael Noer über Zoom an, nachdem wir seinen Film ,Birthday Girl‘ gezeigt haben. Die Handlung spielt auf einem großen Kreuzfahrtschiff. Die Mutter, dargestellt von der renommierten Schauspielerin Trine Dyrholm, nimmt ihre Tochter zu einer Kreuzfahrt mit, um ihren Geburtstag zu feiern. Während der Feier verschwindet die Tochter. Die Mutter findet sie später und stellt fest, dass die Tochter vergewaltigt wurde. Auf dem Schiff gibt es keine Polizei, das Personal kehrt den Fall unter den Teppich, und die Mutter übernimmt quasi die Rolle eines Ermittlers. Es beginnt ein Thriller auf einem Schiff, das eine Welt für sich ist.“

Der schwarzweiße Film „Driving Mum“ vom isländischen Regisseur Hilmar Oddsson kann als absurdes Roadmovie bezeichnet werden. Dazu Dominik Hronec:

„Oddssons Vater war Dramatiker und schrieb Theaterstücke, die vom absurden Theater ausgingen. Es ist faszinierend, dass in Island, das knapp 400.000 Einwohner hat, jedes Jahr mehrere Filme entstehen, von denen mindestens zwei international Erfolge feiern und bei Festivals punkten. Ich finde das bewundernswert. Im Vergleich sind auch Länder mit viel mehr Einwohnern – wie Tschechien oder die Slowakei – oft nicht in der Lage, einen Film zu produzieren, der eine derartige globale Stärke wie die isländischen Produktionen hat und auch das internationale Filmpublikum anspricht.“

Oddssons Film erzählt von einem 50-jährigen Mann, der sein ganzes Leben lang mit seiner Mutter lebte. Nach ihrem Tod will er ihren Wunsch erfüllen, einen bestimmten Ort auf Island zu besuchen. Der Mann setzt die Tote ins Auto und unternimmt mit ihr eine Reise über die ganze Insel.

Das Festival wird mit dem dänischen Kandidaten für den Oscar, dem Historiendrama „Der Bastard“ von Regisseur Nikolaj Arcel, eröffnet.  Hauptdarsteller Mads Mikkelsen erhielt vergangenes Jahr dafür den Europäischen Filmpreis. Das Historiendrama beschreibt die Geschichte eines verdienten dänischen Soldaten, der sich im 18. Jahrhundert bemüht, die Heide von Jütland fruchtbar zu machen.

Skandinavische Filme erfreuen sich in Tschechien vor allem in den letzten Jahren großer Beliebtheit. Dominik Hronec denkt, dass Skandinavien derzeit nicht nur im Kino, sondern auch in der Literatur, Architektur und im Design fast allgegenwärtig ist. Im Norden Europas werden seinen Worten zufolge jedoch nicht sehr viele Filme produziert.

Foto: Scandi

„Wenn wir Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland und Island zusammenrechnen, handelt es sich um etwa 100 bis 150 Filme jährlich. Allein in Frankreich entstehen etwa 800 Filme pro Jahr. Von den französischen Produktionen sind wirklich die allerbesten – rund zehn Prozent der Filme – international bekannt. Aber bei den skandinavischen Produktionen sind es rund 50 Prozent, die auch im Ausland Erfolg feiern. Dabei handelt es sich um die unterschiedlichsten Filmgenres: Thriller, Historiendrama und Komödie. Skandinavier sind sehr flexibel, und die Vielfalt der Filmproduktion ist faszinierend.“

Neben Filmpremieren werden beim Festival im Übrigen auch drei ältere Filme gezeigt.

Das Filmfestival Scandi findet vom 17. bis 24. Januar in einigen Prager Kinos statt. Eine Auswahl der Filme wird in weiteren tschechischen Städten gezeigt. Mehr über das Festival erfahren Sie unter: https://scandifest.cz/en/.

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