Regisseurin Herrmann: Ständetheater könnte zum internationalen Mozart-Zentrum werden

Foto: www.narodni-divadlo.cz

Während der Jahrhunderte hat das Theatergebäude seinen Namen einige Mal gewechselt. Einst war es das Nostitz-Theater, damals wurden dort sogar zwei Opern von Wolfgang Amadeus Mozart uraufgeführt: Don Giovanni und La clemenza di Tito. Heute gehört das Gebäude zum Prager Nationaltheater, und auf der Bühne werden sowohl Schauspiele, als auch Opern oder Ballettvorstellungen aufgeführt. Für viele Opernfans ist das historische Haus vor allem ein Mozart-Theater.

Ursel Herrmann  (Foto: Autorin)
Vor etwa zwei Jahren haben sie im Prager Ständetheater Mozarts Oper „La clemenza di Tito“ inszeniert. Ursel Herrmann hatte die Regie und ihr Mann Karl-Ernst entwarf das Bühnenbild und die Kostüme. Die Inszenierung der Oper in dem Theater, in dem sie 1791 uraufgeführt wurde, hat nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Musikkritiker begeistert. Für diese Inszenierung wurde das Künstler-Ehepaar mit dem renommierten tschechischen Alfred- Radok-Theaterpreis ausgezeichnet. Es war das Ständetheater, das das Künstlerpaar damals nach Prag gezogen hat, räumte Ursel Herrmann ein:

“Das Theater haben wir uns angeschaut. Man stellt sich vor, dass Mozart dort war, dass er durch die Räume gegangen ist. Das war alles sehr wichtig.“

Nach zwei Jahren kehrte das bekannte Regisseursehepaar im Herbst letzten Jahres nach Prag zurück. Nach dem Erfolg der Titus-Inszenierung haben Ursel Herrmann und ihr Mann die Einladung des neuen Opernintendanten des Nationaltheaters Prag, Jiří Heřman, angenommen, um diesmal das in Tschechien noch wenig bekannte Frühwerk Mozarts – die Oper „La finta giardiniera“ – zu inszenieren. Mozarts Oper „La finta giardiniera“ könnte einem auf den ersten Blick nur wie ein Rokokospiel erscheinen. Das Werk enthält jedoch viel mehr, schildert die Regisseurin:

„Das finde ich schon. Natürlich hat es nicht die dramatische Schwere von Don Giovanni. Aber es ist im Wirklichen ein Drama giocoso. Er sollte nur eine Opera buffa komponieren, aber hat daraus ein Drama giocoso gemacht. Das bedeutet, dass sowohl die Komik, als auch die Tragik darin vertreten sind. Das merkt man vielleicht nicht gleich am Anfang, aber im Laufe der Geschichte zeigt sich das doch ziemlich klar.“

Ständetheater
Sie haben Mozart unter anderem aus dem Grund bewundert, dass er in seinem Alter schon so viel über die zwischenmenschlichen Beziehungen wusste und dies in der Oper bearbeitete. Wie erklären Sie sich das?

„Das verstehe ich sowieso nicht. Das habe ich noch nie verstanden und werde es nie verstehen. Man weiß, dass er schon sehr früh angefangen hat, zu komponieren und sehr früh schon Geld verdient hat und überall Aufmerksamkeit geweckt hat. Er war ja ein Wunderkind. Aber wie er schon so früh so viel über Liebe wissen konnte, das ist für mich ein Mysterium. Und sein Wissen war wirklich tief, es war nicht oberflächlich. Er wusste über Verletzungen, Kränkungen, Hass und Ängste – alles kannte er schon. Er war mindestens doppelt so alt. Er hat doppelt schnell gelebt, glaube ich. Deswegen musste er vielleicht so früh sterben.“

Während ihrer Arbeit in Prag plädierte Ursel Herrmann dafür, dass das Ständetheater zu einem Mozart-Theater gemacht wird, in dem besondere Mozart-Produktionen aufgeführt werden könnten. Denn für Mozart-Stücke gebe es kein idealeres Theater.

“Ich weiß, was es für organisatorische Schwierigkeiten für die Oper gibt: Immer wieder etwas zu spielen, etwas aufzubauen und dann wieder abzubauen. Aber das wäre ein unglaublicher Gewinn, wenn man das Theater dafür bereitstellen würde. Es ist eine politische und finanzielle Geschichte. Aber ich glaube, dass sich das wirklich lohnen würde. Was mich wirklich traurig macht, ist, dass dieses Theater oft irgendwelche Aufführungen bringt, die einfach zu Touristenattraktion werden – wie beispielsweise der komische Don Giovanni, der in den Ferien gezeigt wird. Das kann man eigentlich Mozart nicht antun. Ich finde, diese Art von Stücken dürfte man in diesem Theater nicht zeigen. Da tut einem das Herz weh, wenn man das hört und sieht. Deswegen würde ich sehr dafür plädieren, dass man dieses Theater wirklich hochschätzt und anders benutzt.“

Könnten Sie sich vorstellen, dass daraus ein internationales Mozart-Zentrum wäre?

„Natürlich. Prag ist so ein Ort. Ich meine, man sieht ja in der Stadt genug Touristen, genug Billigtourismus und genug von diesen Souvenirläden, von diesem Zeug, dass die Stadt kaputt macht. Vielleicht bringt es ein wenig Geld, das mag ja gut sein, aber die Atmosphäre dieser Stadt – dieses Juwels – wird dadurch echt beschädigt. Und genauso auch im Ständetheater. Das finde ich wirklich schade und verstehe die Kulturpolitik nicht, dass sie da nicht mehr engagiert, weil zur Kultur in Prag Mozart gehört. Salzburg lebt beispielsweise von Mozart – das wünschen wir uns vielleicht in Prag nicht unbedingt, dass Prag von Mozart lebt wie Salzburg. Aber zumindest was die Möglichkeiten, hier zu arbeiten, betrifft, könnte man mit jungen Sängern in diesem Theater wunderbare Sachen machen.“

enauso wie Sie mit Ihrem Mann wegen Mozart und Ständetheater gekommen sind, würden vielleicht auch bekannte junge Künstler nach Prag kommen.

Jiří Heřman  (Foto: ČTK)
„Ja, genau. Man könnte hier auch Haydns Opern aufführen. Dafür ist es ein wunderbarer Ort. Haydn ist so unentdeckt. Ich davon überzeugt, dass man ihn hier sehr gut aufführen könnte. Da gibt es ein ganz tolles Programm, was alles man hier machen könnte.“

Haben Sie über diese Idee inzwischen mit jemand in Prag gesprochen? Vielleicht mit Opernintendant Jiří Heřman?

„Ja, so andeutungsweise. Aber ich glaube, dass diese Idee schon in den Köpfen ist. Aber Leute, die darüber entscheiden, müssen das verstehen und wollen.“