Religionsphilosoph Halík: Ehrendoktortitel von Oxford ist Verpflichtung

Tomáš Halík (Foto: Martina Schneibergová)

Professor Tomáš Halík ist katholischer Priester, Soziologe und Religionsphilosoph an der Prager Karlsuniversität. Er gehörte zu den Beratern von Präsident Václav Havel, und er ist Träger mehrerer Auszeichnungen. 2014 wurde er in London mit dem Templeton-Preis geehrt. Am Dienstag gab die Universität Oxford bekannt, dass sie Halík den Ehrendoktortitel verleihen wird. Aus diesem Anlass hat Radio Prag am Mittwoch mit Tomáš Halík gesprochen.

Tomáš Halík  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Professor, Sie sagten auf der heutigen Pressekonferenz, dass der Ehrendoktortitel der Universität Oxford nicht nur Ihnen viel bedeute, sondern für das ganze Land sehr wichtig sei. Warum?

„Ich bin für diese Ehrung sehr dankbar und hoffe, dass sie auch für andere tschechische Intellektuelle eine Ermutigung darstellt, und dass sie auch dem ganzen tschechischen Volk Freude macht. Mit der Auszeichnung begebe ich mich zudem in gute Gesellschaft: In der tschechischen Geschichte haben nur drei Tschechen den Ehrendoktortitel in Oxford bekommen. Das waren Präsident Tomáš Garrigue Masaryk, während des Zweiten Weltkriegs Präsident Edvard Beneš und schließlich Präsident Václav Havel. Ich verstehe den Titel darüber hinaus als Verpflichtung, meine Arbeit fortzusetzen. Und hier vor allem bei meiner Arbeit an internationalen Forschungsprojekten zum Thema, wie man den Prozess der Globalisierung in einen Prozess der kulturellen Kommunikation verwandeln kann. Ich bin der Meinung, dass die Religionen eine große Rolle in der heutigen Welt spielen. Und zwar eine ambivalente Rolle: Die Religion in der Politik ist heute eher eine Drohung, aber die Religion stellt auch eine Quelle für spirituelle und moralische Inspiration dar. Die postmoderne Philosophie ist zudem offen für spirituelle Impulse. Dies will ich theologisch, soziologisch und auch philosophisch reflektieren.“

Sie haben die Absicht, ein Zentrum für politische Philosophie, Ethik und Religion an der Karlsuniversität zu errichten. Werden Sie dazu auch mit der Universität Oxford oder anderen ausländischen Universitäten zusammenarbeiten?

„Ja. Wir an der Karlsuniversität arbeiten mit der Universität Oxford zusammen. Dort entsteht jetzt auch ein ähnliches Zentrum. Wir bereiten an der Universität Oxford eine große Konferenz über die Rolle der Religionen im öffentlichen Leben vor. Wir versuchen ein Netz für die intellektuelle Zusammenarbeit mit Harvard und mit anderen Universitäten auszubauen. Ich besuchte letztes Jahr beispielsweise die Universität ´Notre Dame´ in den USA. Viele Universitäten in den Staaten bekunden das Interesse, mit uns zu kooperieren. Die Ehrung von Oxford kann also auch ein Impuls für eine interkulturelle Zusammenarbeit sein.“

Foto: ČTK
Wie ist Ihre Meinung zur aktuellen Flüchtlingskrise? Gelingt es den tschechischen Christen, die Solidarität mit den Flüchtlingen vor der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen?

„Ich bin sehr unglücklich, wenn ich die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Flüchtlingskrise sehe. Es gibt Hysterie und Panik. Das muss Gründe haben. Dahinter stehen nach meiner Meinung h Frustrationen oder Minderwertigkeitskomplexe in den Seelen der Menschen, und die Populisten nutzen das aus. Das ist die Stunde für Populisten wie Donald Trump, unseren Präsidenten Miloš Zeman und andere Politiker. Die Angst vor den Flüchtlingen und Muslimen wird insbesondere in Mittelosteuropa von den Populisten geschürt. Die Angst wird missbraucht, und dieser Missbrauch stellt eine Bedrohung für die demokratische Kultur dar. Ich bin überzeugt, dass es die Pflicht der Kirche ist, gegen derartige Demagogen kritisch aufzutreten. Ich jedenfalls mache das, aber es ist nur eine einsame Stimme.“

Der Ehrendoktortitel wird Tomáš Halík am 22. Juni an der Universität Oxford verliehen.