Halík für tschechisch-deutschen Dialog geehrt
Tomáš Halík ist katholischer Priester, Religionsphilosoph und Professor für Soziologie an der Prager Karlsuniversität. Der 71-Jährige ist nun vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) für seine Verdienste um die tschechisch-deutsche Versöhnung geehrt worden. Halík erhielt das Bundesverdienstkreuz. Die Übergabe fand am Montag in der Deutschen Botschaft in Prag statt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlieh Halík das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurden nicht nur die Verdienste des Priesters um die tschechisch-deutsche Versöhnung gewürdigt, sondern auch sein langjähriges Engagement für Humanismus und interreligiösen Dialog. Halík nahm den Verdienstorden am Montag aus den Händen des deutschen Botschafters Christoph Israng entgegen.
Unter den Gratulanten war auch der tschechische Außenminister Tomáš Petříček (Sozialdemokraten). Er sagte bei dieser Gelegenheit gegenüber Radio Prag.„Professor Halík gehört zu jener Generation, die bedeutend zur Versöhnung zwischen den Tschechen und Deutschen beigetragen hat. Er hat geholfen, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden. Ich schätze ihn sehr als Schriftsteller, Soziologen sowie Priester. Während meines Studiums habe ich seine Sonntagsgottesdienste für Studierende besucht. Bis heute empfinde ich dies als ein tiefes spirituelles Erlebnis. Ich habe Professor Halík auch jetzt gesagt, dass er einer jener Menschen ist, die mich zu einem spirituellen Leben geführt haben. Die Studentenmessen waren oft für diejenigen inspirierend, die in unserer immer stärker materiell ausgerichteten Welt nach einer geistlichen Dimension gesucht haben.“
Nach der Übergabe des Verdienstordens entstand das folgende Interview mit Tomáš Halík.
Herr Professor, zunächst einmal Gratulation zum Bundesverdienstkreuz. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
„Es ist für mich eine große Ehre und Freude. Ich bin seit meiner Jugend eng verbunden mit Deutschland, deutscher Philosophie, Theologie, Literatur und Musik. Nach der Wende von 1989 habe ich vor allem zusammen mit der Ackermann-Gemeinde die sogenannten Marienbader Gespräche organisiert, um den Dialog zwischen den vertriebenen Sudetendeutschen und den tschechischen Christen zu pflegen. Das war ein wirklicher Prozess der Heilung von Wunden der Vergangenheit. Einige Gedanken aus diesen Gesprächen waren auch eine Inspiration für den Briefwechsel zwischen der Deutschen und der damaligen Tschechoslowakischen Bischofskonferenz sowie später für die Deutsch-Tschechische Erklärung. Ich bin sehr dankbar, dass die Zusammenarbeit Früchte getragen hat. Heute ist ein besonderer Tag, denn genau vor 41 Jahren wurde ich heimlich in Erfurt zum Priester geweiht. Ich erinnere mich daran, dass auf dem Bahnhof in Erfurt damals ein rotes Plakat mit einem Zitat von Lenin hing: ‚Aus einem Funken entsteht die Flamme.‘ Ich habe mir damals gedacht, dass dies ein gutes Motto wäre für unsere Arbeit in der Untergrundkirche. Gestern habe ich das meinen Studenten in der akademischen Pfarrei in Prag erzählt. Ich habe gesagt: ‚Ihr seid die Flamme, Ihr müsst scheinen und Licht bringen‘.“Wie erklären Sie sich als Soziologe die Welle des politischen Populismus, die nicht nur hierzulande, sondern auch in anderen Ländern an Stärke gewonnen hat?„Ich glaube, dass die Globalisierung ihren Höhepunkt erreicht hat. Es ist eine Gegenkultur entstanden, die gegen die globale Elite gerichtet ist. Unter den Menschen herrscht viel Angst und Unsicherheit. Die Populisten wissen diese Befürchtungen zu nutzen. Sie präsentieren sich als Retter. Dies ist nicht nur bei uns gefährlich, sondern genauso in Deutschland oder in Großbritannien – denn der Brexit ist eine Frucht des Populismus. Auch in den USA ist der Populismus stark geworden. Es ist eine Krankheit der Zeit. Ich bin überzeugt davon, dass die Kirchen, Universitäten und freien Medien wie ein Immunsystem gegen diese moralischen Krankheiten unserer Zeit wirken sollten.“
Unter den tschechischen Spitzenpolitikern ist klar, wer zu den Populisten gehört. Können Sie sich vorstellen, dass in Tschechien einmal jemand wie die slowakische Präsidentin Čaputová zum Staatsoberhaupt gewählt wird?
„Wir hoffen darauf. Ich merke jedoch an, dass ich kein Optimist bin. Denn in Tschechien sagt man, ein Optimist sei ein Mensch, dem die Informationen fehlen. Ein Optimist ist vielleicht aber eher ein Mensch, der Illusionen hat.“