"Respekt" hat neuen Chefredakteur - Gespräch mit Martin M. Simecka
Wochenlang hat er sich hingezogen, der Streit um die Neukonzeption der Zeitschrift Respekt, die wie kaum eine andere in Tschechien für kritischen und investigativen Journalismus steht. Wie kaum eine andere Zeitschrift schreibt Respekt aber auch seit Jahren rote Zahlen - Hintergrund für die Debatte um ihre Neuausrichtung. Aus Protest gegen eine befürchtete inhaltliche Beschneidung des Blattes durch den neuen Investor Zdenek Bakala hatte im September nahezu die gesamte Respekt-Redaktion gekündigt. Seit Anfang des Monats nun hat Respekt einen neuen Chefredakteur: Martin M. Simecka, zuvor Leiter der renommierten slowakischen Tageszeitung SME. Die Respekt-Redakteure haben ihre Kündigung zurückgezogen, die Wogen scheinen sich geglättet zu haben. Wofür steht Martin M. Simecka? Silja Schultheis hat mit ihm über seine Pläne für Respekt gesprochen.
Man muss wissen, dass ich sowohl von der Redaktion als auch vom Herausgeber des Blattes, Fürst Karl Schwarzenberg in Übereinstimmung mit dem neuen Investor, Herrn Bakala, darum gebeten wurde, den Posten des Chefredakteurs zu übernehmen. Weil beide Seiten sich darin einig waren, habe ich das Angebot auch angenommen - in der Hoffnung, Respekt damit aus der Krise helfen zu können. Zu meinen Plänen mit Respekt: Ich habe darüber lange mit der Redaktion und dem Herausgeber gesprochen. Ich möchte im Grunde nichts Wesentliches an der Zeitschrift verändern. Respekt hat sich in den 17 Jahren seiner Existenz zu einer Qualitätszeitschrift mit einer eigenen Ausrichtung etabliert und ich möchte lediglich einige Dinge weiterverbessern. Im Einzelnen ist das der Kulturteil, der ausgebaut werden soll. Zum anderen wollen wir künftig regelmäßig Essays von Autoren veröffentlichen, über die gerade international diskutiert wird - so wie dies heute auch andere Zeitschriften machen. Wir wollen sozusagen den intellektuellen Diskurs, der gegenwärtig in der Welt geführt wird, in unsere Zeitschrift holen und in einer neuen Rubrik jede Woche zwei bis drei solcher Texte veröffentlichen - von Umberto Eco, Salman Rushdie und anderen. Weiter soll Respekt ab April 2007 als Magazin erscheinen und nicht mehr wie bislang im Zeitungsformat. Aber das war ja schon zuvor beschlossen und ein veränderter diesbezüglicher Entwurf wird jetzt ausgearbeitet.
In Ihrem ersten Editorial schrieben Sie vergangene Woche, dass Respekt für Sie nicht nur eine Zeitschrift, sondern eine "nationale Institution" ist. Was meinten Sie damit?
Ja, meiner Meinung ist das eine nationale Institution, wenn auch eine inoffizielle. Respekt ist eine einzigartige Zeitschrift, die sich seit 17 Jahren bemüht, den Dingen auf den Grund zu gehen und dabei sehr stark auf ihre Unabhängigkeit bedacht ist. Sie fühlt sich den besten journalistischen Traditionen verpflichtet, indem sie die Leser nicht bevormunden, sondern ein bisschen erziehen und mit ihnen einen Dialog führen will - mit dem Ziel, unser Leben und die Gesellschaft zu verbessern und die Werte zu betonen, die wir für richtig halten. In dieser Hinsicht ist Respekt eine Ausnahme und deshalb hat die Zeitschrift für mich den Charakter einer nationalen Institution, weil sie über Werte wacht, die heute in Tschechien häufig in Vergessenheit geraten.
Nationale Institution - trotz einer zahlenmäßig vergleichsweise geringen Leserschaft....
Das ist verständlich, dass eine solche Zeitschrift heute nicht die Massen anzieht. Aber einerseits hoffe ich, dass sich die Zahl der Leser durch die graphische Umgestaltung erhöht. Und auf der anderen Seite glaube ich, dass die tschechische Gesellschaft allmählich aus dem Rausch des Massenkonsums erwachen und zunehmend nach Werten suchen wird, die nicht nur oberflächlich sind. Ich bin zuversichtlich, dass die Entwicklung in diese Richtung gehen wird.
Bevor Sie bei Respekt angefangen haben, waren Sie sieben Jahre lang Chefredakteur der renommierten slowakischen Tageszeitung SME und haben in dieser Eigenschaft auch mehrfach Artikel in Respekt veröffentlicht, die sich mit der Lage in der Slowakei beschäftigen. Wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation der Medien in der Slowakei - im Vergleich zu Tschechien? War die veränderte politische Lage in der Slowakei und ihre Auswirkung auf die Medien der Grund dafür, dass Sie von SME weggegangen sind?
Nein, auf keinen Fall. Allgemein lässt sich sagen, dass die Lage der Medien in Tschechien und in der Slowakei in etwa ähnlich ist. In beiden Ländern überwiegt der Boulevard beziehungsweise die leichte Unterhaltung und in beiden Ländern gibt es einige seriöse Zeitungen und Zeitschriften. Meine Erfahrung ist die, dass es in Tschechien eine größere Auswahl an qualifizierten Journalisten gibt - auch wenn daran letztlich ein Mangel herrscht, wie im übrigen ja überall. Es gibt in Tschechien mehr Journalisten auf Spitzenniveau. Was die Mittelklasse anbelangt, gibt es keinen Unterschied. Und was meinen Weggang von SME anbelangt: der hatte völlig andere Gründe, die ziemlich kompliziert sind. Kurz gesagt habe ich nicht mehr genügend Unterstützung seitens des Herausgebers gespürt. Und da eine Zeitung letztlich dem Herausgeber gehört und nicht dem Chefredakteur, habe ich mich entschlossen zu kündigen, weil unsere Ansichten immer häufig auseinander gingen.
Welche Ihrer Erfahrungen aus der Zeit bei SME wollen Sie jetzt insbesondere bei Respekt einbringen?Ich habe nicht das Gefühl, dass die Redaktion selbst in irgendeiner Weise geändert oder geführt werden muss, es sind alles sehr professionelle Journalisten. Eher glaube ich meine Erfahrungen mit Marketing einbringen zu können und damit, wie die Zusammenarbeit zwischen Herausgeber und Redaktion funktioniert, welche Möglichkeiten eine Zeitschrift dieses Formats auf dem Medienmarkt hat - das sind alles Dinge, mit denen ich mich sieben Jahre lang beschäftigt habe. In diesem Sinne wird meine Rolle wohl eher pragmatisch als ideologisch sein.
Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass Respekt künftig stärker mit slowakischen Zeitungen zusammenarbeitet?
Ich denke, Respekt hat bereits zuvor vergleichsweise gute Artikel über die Slowakei veröffentlicht - und das soll natürlich auch so bleiben. In dieser Hinsicht ist keine wesentliche Verbesserung notwendig. Was verstärkt werden soll, ist sicherlich die Berichterstattung über Mitteleuropa insgesamt. Ich habe das Gefühl, dass wir die Entwicklung in dieser Region - in Polen, Ungarn, der Slowakei - aufmerksamer beobachten sollten. Denn vieles von dem, was sich hier abspielt, steht in einem direkten Zusammenhang zur Entwicklung in Tschechien.