Revolution, Atomraketen und Fehlurteile: CIA-Akten zur Tschechoslowakei
UFOs, Agenten und die großen Verschwörungen – das alles versuchen Interessierte in den seit vergangener Woche zugänglichen Dokumenten der CIA zu finden. Die Papiere sind aber auch für tschechische Historiker interessant. Sie zeigen nämlich, wie vorbereitet oder unvorbereitet die Amerikaner auf die Aktivitäten der Sowjetunion in der Tschechoslowakei waren.
Der mächtige Auslandsgeheimdienst der USA, die CIA, ahnte davon nichts. Das geht zumindest aus den rund 13 Millionen Seiten Akten hervor, die in der vergangenen Woche ihren Stempel „Geheim“ verloren haben. Ein Erstarken der Kommunisten sei in der Tschechoslowakei nicht zu erwarten, geht aus den Dokumenten hervor. Die Bevölkerung sei dafür politisch zu reif, wirtschaftlich zu entwickelt und liebe die Freiheit zu sehr, bewerteten die US-Agenten die Lage im Land.
Anders aber im Jahr 1968. Dass im Zuge des Prager Frühlings ein Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei bevorsteht, wussten die Amerikaner schon vorher. Entsprechende Informationen hat Jan Kalous in den nun zugänglichen Papieren gefunden. Der Historiker leitet das Institut zum Studium totalitärer Regime in Prag:„Die Sowjets haben die Amerikaner über ihre Absichten informiert, noch bevor es zu der Intervention gekommen ist. Washington hätte sich darauf vorbereiten und eine entsprechende Reaktion auf die Ereignisse abwägen sollen.“
Diese Schlussfolgerungen sieht sein Historikerkollege Pavel Žáček jedoch kritisch. Die US-Regierung habe das Weltgeschehen lediglich in einem bestimmten Kontext bewertet:„Aus den Dokumenten wird nicht ersichtlich, was die US-Geheimdienste tatsächlich über die Vorbereitungen zu einer Besetzung des Landes wussten. In den Akten wird vor allem der damals aktuelle politische Standpunkt der USA festgehalten. Ganz besonders im Licht des laufenden Vietnam-Kriegs.“
Für Pavel Žáček haben die ehemals geheimen Akten der CIA in einem anderen Bereich große Bedeutung. Denn deutlich werden bisher ungeahnte Bedrohungen für das westliche Europa in der Zeit nach 1968 – Stichwort Raketen-Flugabwehrsystem „Vega“ in der mittelböhmischen Hügellandschaft Brdy. Dem Historiker zufolge war die Wirkung der Anlage nicht zu unterschätzen:
„Die Raketen waren selbstverständlich auf Deutschland gerichtet und hatten eine Reichweite weit über die Grenze.“Noch interessanter ist aber die Artillerie-Anlage im ostböhmischen Žamberk / Senftenberg in Böhmen. Dort vermutete die CIA nämlich den ersten sowjetischen Atomwaffenstützpunkt außerhalb der UdSSR. Pavel Žáček sieht diese Erkenntnisse als Herausforderung für sein Fach
„Wenn da etwas dran sein sollte, müsste man noch genauere Untersuchungen vornehmen. Nichtsdestotrotz wissen wir jetzt aber, was diese konkrete Analyse-Abteilung der CIA über den Stützpunkt dachte.“