Rückkehr eines Rentners: Miloš Zeman gründet Partei der Bürgerrechte
Jahrelang hat der ehemalige Chef der tschechischen Sozialdemokraten, Ex-Premier Miloš Zeman, das politische Geschehen von der Zuschauertribüne aus kommentiert. Nun möchte Zeman wieder selbst mitmischen. Zwar nicht direkt auf dem Spielfeld, aber wenigstens von der Trainerbank aus, als Teamchef einer neuen politischen Mannschaft. Ende November hat Zeman beim tschechischen Innenministerium die „Partei der Bürgerrechte“ registriert. Wer ist dieser prominenteste Politrentner des Landes? Welche Beweggründe treiben ihn dazu an, ein Comeback zu planen? Und was kann man seiner neuen Partei bei den Wahlen im nächsten Mai zutrauen?
Irgendwann, so erzählt man sich in Prag, sollen der Konservative Václav Klaus und der Sozialdemokrat Miloš Zeman gemeinsam in ein Kleinflugzeug gestiegen sein. „Václav!“ soll Zeman gesagt haben. „Die Hälfte der Nation hasst dich, und die andere Hälfte hasst mich. Wenn wir beide jetzt abstürzen, dann sind alle glücklich.“
Klaus hat das angeblich nicht besonders lustig gefunden, Zeman schon. Das passt ins Bild. Klaus, der stets um Nüchternheit bemühte EU-Kritiker mit dem weißen, kurz geschnittenen Haar und der hohen, nasalen Stimme, und Zeman, der hemdsärmelige Draufgängertyp mit sonorem Bass und einer offenen Vorliebe für Budweiser Bier und Kräuterlikör der Marke Becherovka. Der eine, Klaus, ist derzeit Staatspräsident. Der andere, Zeman, Politrentner in seinem Landhaus auf der Böhmisch-mährischen Höhe.
Zur historischen Rolle von Zeman meint der Politologe Robert Schuster vom Prager Institut für Internationale Beziehungen:
„Man darf nicht vergessen, dass er der erste sozialdemokratische Premierminister Tschechiens war. Die Sozialdemokraten waren in den frühen neunziger Jahren eine Partei, die bei Wahlen zwischen fünf und zehn Prozent erhielt. Miloš Zeman gelang es, auch mit relativ rabiaten Methoden und einem starken Hauch von Populismus, die Partei in die Regierung zu führen, und er hat das Land vier Jahre lang – im Nachhinein muss man sagen relativ erfolgreich – regiert. Also Miloš Zeman ist neben Václav Klaus sicher eine der wichtigsten politischen Figuren des Landes.“
Eine ähnlich große Bedeutung räumt ihm der Politikwissenschaftler Jan Bureš von der Metropolitan University Prag ein, ein Experte für die Entwicklung der tschechischen Parteienlandschaft nach 1989:
„Zeman baute seine Karriere, respektive die Politik seiner Partei, auf der scharfen Kritik an den wirtschaftlichen Reformkonzepten von Václav Klaus auf. Als Anführer der immer stärker werdenden Sozialdemokratie hat er natürlich eine Schlüsselrolle gespielt. Der Höhepunkt seines Wirkens war dann die erste sozialdemokratische Regierung, mit der er erstmals nach 1989 die Linke wieder an die Macht führte.“Doch ausgerechnet mit jener Sozialdemokratischen Partei, die er einst groß gemacht hatte, ist Zeman heute spinnefeind. Der Anfang vom Ende kam 2002: Zeman kandidierte nicht mehr als Premierminister – wohl auch schon im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im Jahr 2003. Das Staatsoberhaupt wird in Tschechien vom Parlament gewählt. Zeman trat an und rechnete mit den Stimmen der sozialdemokratischen Abgeordneten und Senatoren. Diese aber verweigerten ihm in geheimer Abstimmung teilweise die Gefolgschaft. Ergebnis: Zemans langjähriger Rivale Václav Klaus zog auf der Prager Burg ein.
Der bitter enttäusche Zeman kehrte seiner Partei daraufhin den Rücken und zog sich auf sein Landhaus zurück. Von dort kommentiert er seither in unregelmäßigen Abständen das politische Geschehen. Die Bilder von Zeman in Strickweste und Filzpantoffeln, der seiner Ex-Partei vom Wohnzimmer aus mehr oder weniger gut gemeinte Ratschläge erteilt, sind seither legendär.Doch damit soll nun Schluss sein: Ende November hat Zeman beim Innenministerium die Registrierung seiner neuen „Partei der Bürgerrechte“ beantragt. Zeman zu seinen Beweggründen:
„Ein Impuls war etwa das Ergebnis von Umfragen, die gezeigt haben, dass bereits 88 Prozent der Bürger mit der Politik unzufrieden sind. Wir Tschechen sind das skeptischste Volk in Europa, also ist es kein Wunder, dass die Unzufriedenheit groß ist. Wichtig aber ist der Trend, und der ist ganz offensichtlich steigend. Die Partei der Bürgerrechte sagt aber nicht: Wählt uns, und wir erledigen dann alles. Die derzeitige Unzufriedenheit kann nämlich kein Politiker beseitigen – auch ich nicht. Das kann nur der aktive und selbstbewusste Bürger tun, und zwar dadurch, dass eine Änderung des Wahlrechts ihm mehr Rechte einräumt als heute.“
Zum Beispiel das Recht, die Reihenfolge von Namen auf den Kandidatenlisten mitzubestimmen, oder das Recht, in einer Wahl Kandidaten aus verschiedenen Parteien zu wählen. Darüber hinaus fordert Zeman die Direktwahl von Bürgermeistern, Kreishauptleuten und des Staatspräsidenten. Mit anderen Worten: Mehr direkte Demokratie.
Große Chancen bei den Wahlen im nächsten Frühjahr werden der neuen Partei derzeit jedoch nicht eingeräumt. Zumal Zeman selbst auch gar nicht fürs Parlament kandidieren will. Experten gehen aber ohnehin davon aus, dass Zeman vor allem eines möchte: Mit seiner ehemaligen Sozialdemokratischen Partei abrechnen und ihr wenigstens ein paar Prozentpunkte wegschnappen. Im Gegensatz zur konservativen Neo-Partei TOP 09, die vor allem den rechten Bürgerdemokraten Stimmen abluchsen dürften, sei Zemans „Partei der Bürgerrechte“ aber noch nicht für den Wahlkampf gerüstet, meint Politologe Bureš:
„Ich glaube, es ist nicht klar, was Miloš Zeman überhaupt anbieten kann. Höchstens vielleicht eine etwas vorsichtigere linke Politik als die der Sozialdemokratie. Darauf werden aber weder rechte Wähler hören, noch linke, die eher jene Sicherheit und Stabilität wollen, die ihnen der sozialdemokratische Parteichef Jiří Paroubek verspricht. Ich glaube also, nach einer Partei wie der von Miloš Zeman gibt es hierzulande keinerlei Nachfrage, und daher kann diese Partei auch nicht wirklich stark werden. Meiner Meinung nach geht es Miloš Zeman aber ohnehin nicht darum, Wahlen zu gewinnen, sondern eher darum, der Sozialdemokratie zu schaden. Dieses Ziel könnte er erreichen. Ansonsten aber bekommt er wahrscheinlich nicht einmal die fünf Prozent, die er für den Einzug ins Parlament braucht. Bis jetzt gibt es keine Kandidaten, kein Programm, gar nichts. TOP 09 ist bereits viel weiter, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit anzusprechen. Zemans Partei hingegen existiert formal – aber das ist auch schon alles.“ Bis zu den Wahlen ist allerdings noch ein knappes halbes Jahr Zeit, und Zeman könnte bis dahin durchaus noch Kräfte mobilisieren. So hat er etwa angekündigt, wieder mit seinem legendären Wahlkampfbus namens „Zemák“ durchs Land touren zu wollen. Außerdem hat Zeman einige prominente Unterstützer, unter anderem Minister aus seiner früheren Regierung. Warum aber tritt er selbst, das wichtigste Zugpferd der Partei, gar nicht zur Wahl an? Politologe Robert Schuster:„Das wäre ja schon mit gewissen Strapazen verbunden. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Zeman 2002 der Politik den Rücken kehrte, und jetzt haben wir das Jahr 2009. Das heißt, da liegen sieben Jahre dazwischen, in denen er kein öffentliches politisches Amt innehatte. Natürlich ist auch die politische Entwicklung im Land während dieser Zeit nicht stehen geblieben. Zeman würde wahrscheinlich eine völlig veränderte politische Landschaft und einen anderen politischen Stil vorfinden, als es zu seiner Zeit der Fall war. Ich erinnere etwa daran, dass Miloš Zeman unter anderem mit Aussagen punktete, die man als frauenfeindlich bezeichnen könnte. Ich würde meinen, dass dieser Zugang zur Politik heute, sieben Jahre später, nicht mehr möglich wäre.“
Und so wird darüber spekuliert, dass Zeman der Parteipolitik eigentlich fernbleiben möchte und nur noch ein Amt wirklich anstrebt: Das des Präsidenten. Neuerlich gewählt wird dieser 2013. Zeman will nur dann kandidieren, wenn die Verfassung geändert und das Staatsoberhaupt vom Volk gewählt wird. Einen neuerlichen Spießrutenlauf durch die Reihen der Parlamentarier tut Zeman sich nicht mehr an.