„Samstage für die Nachbarschaft“ – Treffen für eine offene Grenze
In vielen Gegenden Europas verstehen die Menschen nicht wirklich, dass die Grenzen während der Corona-Pandemie einfach geschlossen wurden. Im tschechisch-deutsch-polnischen Grenzgebiet ist daher eine Initiative entstanden für regelmäßige Treffen. Sie nennt sich „Samstage für Nachbarschaft“ beziehungsweise „Soboty pro sousedství“ und „Soboty dla sąsiedztwa“.
„Die geschlossene Grenze wird zu einem Begegnungsort. Das heißt, wir drehen den Sinn um. Und jeder der Treffpunkte ist anders. Das kann auf einem Waldweg oder Wanderpfad sein, an einer Brücke oder auch an einem kleinen Grenzübergang. Es gibt keine einheitliche Form für diese Begegnungen.“
Die Idee dahinter: dass sich die Menschen sehen – Nachbarn, Kollegen, Freunde und Verwandte…
„Der Hauptgrund ist wirklich, sich zu treffen und miteinander zu plaudern. Denn viele Leute haben sich seit Monaten nicht gesehen.“
Zugleich habe man aber auch eine politische Botschaft, erläutert Jan Kvapil:
„Wir wollen symbolisch die Regierungen und Politiker ermahnen, dass geschlossene Grenzen heutzutage keinerlei Sinn haben. Es bringt epidemiologisch gar nichts. Und wir wollen, dass die Grenzen möglichst bald wieder geöffnet werden. Hinzu kommt ein mittelfristiges Ziel: Die chaotische Lage an den Grenzen in Europa sollte sich nicht noch einmal wiederholen. Das bedeutet, dass die Europäische Union und Mitgliedsstaaten gegen die Corona-Pandemie oder andere solche Herausforderungen gemeinsam vorgehen und sich abstimmen. Das war jetzt nicht der Fall. Jeder Staat hat seine eigenen Vorschriften gemacht, eigene Schritte unternommen, und die Grenzen wurden willkürlich geschlossen.“ Tschechien hält beispielsweise seine Grenze zu Deutschland und zu Polen immer noch dicht. Touristen dürfen von dort weiterhin nicht ins Land reisen, dies ist nur aus familiären Gründen erlaubt oder für berufliche Tätigkeiten. Außerdem braucht es einen Corona-Test mit negativem Ergebnis. Mussten für die Begegnungen nun spezielle Erlaubnisse der Behörden eingeholt werden?„Zum Teil. Auf der tschechischen Seite haben wir an manchen Orten probiert, die Treffen ordentlich anzumelden. In den meisten Fällen wurde uns von den zuständigen Behörden aber versichert, dass das gar nicht nötig sei. Unsere Erfahrung vom letzten Treffen ist, dass die Polizei zum Teil davon weiß, es beobachtet und toleriert. Da kommt es nicht zu Missverständnissen, und alles ist sehr friedlich.“
Auf der deutschen Seite sei die Gesetzgebung jedoch anders, betont der Wissenschaftler. Und sie unterscheide sich auch je nachdem, ob es sich um Bayern oder Sachsen handle. Allgemein gelte aber:„Demonstrationen sind erlaubt, das ist kein Problem. Auf der deutschen Seite sind die Begegnungen mal angemeldet, mal nicht – je nach den Anforderungen.“
Für den Pfingstsamstag sind noch mehr Treffpunkte geplant als bei den vorangegangenen beiden Aktionen. An insgesamt 18 Orten kommt es dann zu Begegnungen. Zwei davon liegen an der tschechisch-polnischen Grenze, inklusive dem Dreiländereck bei Zittau und Liberec. Die Hauptzahl befindet sich aber an der sächsisch-böhmischen und der bayerisch-böhmischen Grenze. Dabei habe jede der Veranstaltungen einen eigenen Charakter, versichert Kvapil.
Mehr Infos gibt es auf der Website www.hej-nachbar.webnode.com, dort befindet sich auch in Link zum entsprechenden Facebook-Auftritt.
„Es wird sehr bunt, das kann ich bereits versprechen. Einige Organisatoren haben ein tolles Programm auf die Beine gestellt – mit viel Musik. Zudem gibt es beispielsweise künstlerische Interventionen im Ascher Ländchen. An der bayerischen Grenze kommt es zu einem Konzert. Wir organisieren auch ein Waldkolloquium zum Thema ‚Grenze‘, an dem Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche teilnehmen. Dies findet in der Nähe von Ústí nad Labem statt. Es wird, denke ich, freundschaftlich, gesellig und amüsant.“
Selbst sei er auch schon gespannt, was dabei herauskommen werde, so der Germanist.