Schlacht am Weißen Berg – der schicksalhafte Waffengang nahe Prag
Vor 400 Jahren kam es vor den Toren von Prag zur Schlacht am Weißen Berg. Damals unterlagen die Truppen der böhmischen Stände der kaiserlichen Armee und den militärischen Verbänden der Katholischen Liga. Es war die erste größere militärische Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Krieges, und sie bedeutete eine Zäsur für die bis dahin protestantischen Böhmischen Länder. In der Folge wurde diese Gegend Mitteleuropas rekatholisiert und geriet vollends unter den Einfluss des Absolutismus. Die Habsburger, die bereits seit 1526 hier herrschten, sicherten sich damit für die nächsten 300 Jahre definitiv den Königsthron in Prag und bestimmten das Geschehen hierzulande. Wie sah es also am 8. November 1620 am Weißen Berg aus, als die verfeindeten Armeen aufeinandertrafen?
Zu der Schlacht kam es, nachdem sich die böhmischen Stände gegen die Habsburger erhoben hatten. Es ging dabei um die Macht im Land und auch um das vorherrschende Glaubensbekenntnis. Die Truppen der Stände standen unter dem Befehl von Friedrich von der Pfalz, der von ihnen zum böhmischen Gegenkönig erwählt worden war. Die kaiserliche Armee wurde geführt von Kaiser Ferdinand II. und die Katholische Liga vom bayerischen Herzog Maximilian I. Wie die Schlacht am Weißen Berg ablief, darüber seien sich die Geschichtswissenschaftler im Grunde einig, sagt Marie Koldinská. Sie ist Historikerin an der Prager Karlsuniversität:
„Das militärische Aufeinandertreffen dauerte anderthalb Stunden. Zu Beginn gingen die Soldaten des Kaisers und der Katholischen Liga nur von einem größeren Scharmützel aus, heute würde man das ‚Aufklärungsschlacht‘ nennen. Niemand rechnete jedoch damit, dass es die entscheidende Schlacht werden würde. Die Truppen der böhmischen Stände wollten zwar angreifen, warteten aber zunächst ab, wie sich die Situation entwickelt. Ich denke, sie waren dann vom Angriff ihrer Gegner sehr überrascht. Die Schlacht war sehr kurz, und der Armee des Kaisers und der Katholischen Liga gelang ein vernichtender Schlag. Wie kampffähig die Truppen der böhmischen Stände aber waren, das ist – wie wir vor kurzem herausgefunden haben – immer noch ein Feld zum Erforschen.“
Überraschender Schlag der kaiserlichen Truppen
Die Truppen beider Seiten bestanden aus Söldnern, das heißt die Soldaten erhielten Geld für ihren Einsatz. Bekannt ist jedoch, dass die Zahlungsmoral der Stände schlecht war und ihre Soldaten schon länger keinen Sold mehr gesehen hatten. Dementsprechend schlecht dürfte es auch um ihre Lust zum Kämpfen bestellt gewesen sein. Denn die Söldner mussten sich selbst um ihre Ausstattung und Ausrüstung kümmern, wie Marie Koldinská erzählt.
„Die Uniformen und die Ausrüstung waren noch nicht einheitlich, aber manche Elitetruppen hatten schon eigene Uniformen. In der Schlacht am Weißen Berg traf dies zum Beispiel auf die persönliche Garde von Friedrich von der Pfalz zu, die sich direkt im Gehege nahe dem Lustschloss Hvězda befand. Als in der Schlacht die Entscheidung näher rückte, waren die Mitglieder der Garde wegen ihrer Uniformen für den Feind gut zu erkennen und erlitten schwere Verluste. In den Truppenverbänden, die keine einheitlichen Uniformen hatten, banden sich die Soldaten jeweils ein Stück Stoff in derselben Farbe um den Arm“, so die Historikerin.
In der Schlacht am Weißen Berg kämpften sowohl Infanterie als auch Kavallerie. Ihr Schutz bestand aus Helmen, Schutzschilden und einer Rüstung, als Waffen dienten ihnen lange Piken und Schwerter, aber auch Fernfeuerwaffen. Petr Havelka vom historischen Militärverein zeigt eines der Modelle, die damals benutzt wurden:
„Es handelt sich um eine sogenannte Schweizer Handkanone, so wurden diese Waffen auf Deutsch genannt. Sie ist groß und schwer und hat ein ziemliches Kaliber. Auf ihr prangen zwei Gesichter, eines oben mit Bart, und das untere sieht aus wie der Teufel. Praktisch in seinen Mund führt man eine Zündschnur ein, die dann bis zu der Kugel niederbrennt. Daneben gab es die übliche Armbrust mit Bügel. Mit dieser lernt man ziemlich leicht schießen – im Gegensatz zum Bogen oder zur Schleuder. Aus der großen Schleuder zu schießen und das Ziel auch zu treffen ist selbst für gut trainierte Männer ziemlich schwer.“
Die Schlacht am Weißen Berg endete für die böhmischen Stände mit einer vernichtenden Niederlage. Viele ihrer Soldaten wurden getötet, und weitere flohen Hals über Kopf. Selbst der böhmische König Friedrich von der Pfalz flüchtete aus Prag. Trotzdem bestehen zu der Schlacht auch mehrere Legenden über tapfere ständische Truppen, die bis zum letzten Mann gekämpft haben. Eine von ihnen erzählt vom letzten mährischen Regiment unter Joachim Andreas von Schlick.
Legende und Wahrheit
Karel Kryl hat zum Beispiel die Legende von Schlick besungen, der tschechische Liedermacher beschäftigt sich in seinen Stücken vor allem mit politischen Themen unter anderem mit historischem Hintergrund. Doch wie sah die wahre Geschichte des letzten mährischen Regiments aus? Historikerin Koldinská:
„Wir wissen, dass sie nicht bis zum letzten Mann gekämpft haben, und außerdem waren es gar keine Mährer. Die Soldaten waren nur von den mährischen Ständen für Geld angeworben worden. Auch Joachim Schlick fiel nicht im Kampf, sondern wurde festgenommen. Später wechselte er zur kaiserlichen Seite über und wurde Katholik. Dabei machte er sogar Karriere. Die Soldaten sind zum Teil wirklich gefallen, weil sie ungünstig mit dem Rücken zu den Mauern um das Wildgehege Hvězda standen und nicht zurückweichen konnten. Der Kampf endete damit, dass sich der Rest der Soldaten ergab. Die Legende ist aber schön und herzgreifend.“
So kurz die Schlacht war, so einschneidend war sie für die folgende Entwicklung in den Böhmischen Ländern. Die Mehrheit der Bevölkerung war bis dahin protestantisch. Nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen mussten sich viele entscheiden, ob sie weggehen oder katholisch werden wollten. Laut Koldinská wählte ein bedeutender Teil den Gang ins Exil. Zudem stand die Schlacht am Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der auch hierzulande schweres Leid in Dörfer und Städte brachte.
Die Schlacht am Weißen Berg wird von den Tschechen noch bis heute unterschiedlich interpretiert. Manche sehen in ihr eine nationale Tragödie, obwohl im 17. Jahrhundert noch überhaupt nicht von einer Nation im heutigen Sinn gesprochen werden konnte. Ihrer Meinung nach wurde die Habsburger Dynastie und ihre Kultur den böhmischen Ländern aufgezwungen. Die anderen wiederum sagen, dass die Habsburger einfach eine wichtige Epoche in der Geschichte der Böhmischen Länder waren.