Schloss Plumlov: Der Zauber des Unfertigen
Das Schloss im mährischen Plumlov / Plumenau ist vor allem für seine Form bekannt. Von manch einem wird es auch als Plattenbau unter den Herrschersitzen bezeichnet. Denn das einflügelige Bauwerk in dem 2000-Einwohner-Städtchen steht einsam und verlassen auf einem Gipfel und ist von weithin sichtbar. In dieser Woche wurde das Schloss zum Nationalen Kulturdenkmal ernannt.
„Ein Schloss, schmal und bedrohlich / ungeheuer ist seine Form“, so beschrieb einst der Dichter Petr Bezruč in einem seiner „Schlesischen Lieder“ das Schloss Plumlov. Und auch heute, einige Jahrzehnte, nachdem diese Verse verfasst wurden, hat das Gebäude wohl wenig von seinem damaligen Charme verloren. Bereits von Weitem kann man das eigenartige Gebäude erblicken, das oberhalb eines Sees liegt. Pavel Zástěra ist der Kastellan der Anlage. Wenn einer weiß, warum dieser Bau so aussieht, wie er aussieht, dann er. „Das ist der Geschichte geschuldet“, sagt Zástěra. „Eigentlich sollte das Schloss eine viereckige Form bekommen. Es wurde aber schließlich nur dieser eine Flügel realisiert.“
So weit so gut. Ein viereckiges Prachtgebäude also, das nie vollendet wurde. Aber warum wurden die Arbeiten an der Anlage nicht fortgesetzt? Auch Pavel Zástěra kennt die Antwort nicht wirklich. Im Interview für Radio Prag International nennt er zumindest ein paar Gründe, die in Frage kommen könnten:
„Man hat festgestellt, dass der Ort nicht gut ausgewählt worden war. In dieser Zeit musste ein Barockschloss in der Mitte eines Parks oder einer ansehnlichen Landschaft stehen. Aber hier war das Areal von der einen Seite vom See und von der anderen von der Stadt eingegrenzt. Bei einer Burg hätte das nicht gestört, aber ein Schloss brauchte Platz und Sichtachsen.“
Man könnte erwidern, dass das Schloss Plumlov doch eigentlich so viel spannender aussehe, alles wenn der Bau komplett abgeschlossen worden wären. Doch Pavel Zástěra sieht das ein wenig anders…
„Der eine vollendete Flüge ist heute natürlich schon von Weitem aus zu sehen und wirkt sehr interessant. Wenn aber dieses massive Schloss auf dem Fels stehen würde, wäre das mit Sicherheit eine absolute Augenweide. Und das ist noch nicht alles. Wir können natürlich nur spekulieren. Aber wenn die Liechtensteiner Plumlov als Herrschersitz ausgewählt hätten, hätte der gesamte Ort eine größere Bedeutung. Dann würde man nicht von Plumlov bei Prostějov sprechen, sondern von Prostějov bei Plumlov.“
Von der Burg zum Prachtbau – und zum Gefängnis
Pavel Zástěra startet zu seinem Rundgang durch das Schloss – und auch durch die Geschichte des Baus. Bevor die Anlage einst dem Adelsgeschlecht der Liechtensteiner gehörte, befand sich auf der Erhebung eine Burg. Diese wurde 1270 errichtet. Der Komplex wechselte dann mehrmals den Besitzer, bis er 1602 schließlich von Karl I. von Liechtenstein aufgekauft wurde. Und seine Familie war es auch, die die Idee für einen Prachtbau in Plumlov hatte. Doch schon der eine Flügel – erbaut in den Jahren 1680 bis 1688 – erwies sich als zu groß und wurde eher zu Verwaltungs- als zu Repräsentationszwecken genutzt. Zur Fertigstellung der anderen geplanten Gebäudeteile kam es wie gesagt nie. Stattdessen wurden einige Räume des Schlosses im 19. Jahrhundert etwa an das örtliche Gericht vermietet…
„Nach 1850 gab es eine Gefängnisreform. Dabei wurden die jeweiligen Geltungsbereiche erweitert. Bis dahin befand sich das nächste Gericht in Brünn. Wenn nun aber jemand ein Huhn gestohlen hatte, musste er ab sofort nicht mehr nach Brünn und zurück transportiert werden. Denn in Plumlov entstand ein Gerichtshof. Dort wurden natürlich nicht die schwerwiegendsten Vergehen verhandelt, aber wenn jemand nur einige Wochen Strafe absitzen musste, konnte er das hier tun.“
Das Ende für das Adelsgeschlecht der Liechtensteiner in Plumlov brachte schließlich die Bodenreform in der Tschechoslowakei aus dem Jahr 1919. 1931 musste die Familie das Schloss abtreten. Nachdem das Schloss während der Zeit des Kommunismus mehrmals den Besitzer wechselte und von Institution zu Institution weitergereicht wurde, ging es 1994 in den Besitz der Gemeinde Plumlov über.
Nationales Kulturdenkmal
Die Stadt ist bis heute Eigentümerin des Schlosses. In dieser Woche nun wurde die Anlage von der tschechischen Regierung zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt. Für die Bürgermeisterin des Ortes ist dieser neue Status mit großen Hoffnungen verbunden. Denn die Verwaltung der Anlage sei auch eine große Belastung, sagt Gabriela Jančíková (Christdemokraten) in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Natürlich ist das Schloss für uns eine große Freude. Wir empfinden es aber auch als finanzielle Fußfessel. Im Rahmen der Möglichkeiten unseres städtischen Haushalts müssen wir immer wieder irgendwie damit klarkommen.“
Und genau dabei könnte nun auch der Status als Nationales Kulturdenkmal helfen. Pavel Zástěra sagt dazu gegenüber Radio Prag International:
„Wir freuen uns natürlich sehr darüber. Denn für uns bedeutet das zwar etwa bei Bauarbeiten eine strengere Aufsicht von oben, es werden aber auch kostenintensivere Restaurierungen möglich.“
Und erste Pläne, was nun angegangen werden soll, bestehen bereits: „Es gibt bereits Entwürfe für die Sanierung der hofseiteigen Fassade. Zuletzt wurden die Kosten allerdings auf 130 Millionen Kronen (5,3 Millionen Euro, Anm. d. Red.) veranschlagt. Dass wir nun zum Nationalen Kulturdenkmal erhoben wurden, kann uns helfen, die Mittel für das Vorhaben zu bekommen.“
Bis es aber so weit ist und die Fassade des Schlosses in neuem Glanz erstrahlt, dürften sicher noch einige Jahre vergehen. Aber womöglich ist es ja eigentlich gerade das – der bröckelnde Putz, der Zauber des Unfertigen –, durch den das Schloss Plumlov zu einem so einzigartigen Ort wird? Von Luxus gibt es nämlich auch im Inneren zumeist keine Spur.
Denn der Großteil der Räumlichkeiten wurde von den Liechtensteinern vor der Übergabe an den Staat leergeräumt. In den 1950er und 1960er Jahren befand sich im Schloss dann ein Museum, für das einige historische Möbelstücke angeschafft wurden. Doch sie hatten kein gutes Schicksal…
„Wegen Umbauarbeiten wurden die Gegenstände alle ins Erdgeschoss verfrachtet. Dort wurde aber viel davon gestohlen. Die restlichen Stücke wurden dann in ein Museum in Prostějov gebracht. Pikant ist dabei eine Sache: Ursprünglich wurden circa 5500 Exponate dokumentiert. In das Museum haben es aber nur 150 Stück geschafft.“
Sachspenden von Menschen aus der Region
In einigen der Räumlichkeiten auf Schloss Plumlov befinden sich aktuell wechselnde Ausstellungen bildender Kunst. Obwohl das ursprüngliche Inventar nicht mehr bestaunt werden kann, wird in Plumlov versucht, die Besucher in die Zeit der früheren Bewohner zurückzuversetzen. So gibt es verschiedene thematisch eingerichtete Zimmer. Und Pavel Zástěra zufolge steht man auch in Kontakt mit dem Museum in Prostějov / Proßnitz. Denn ginge es nach dem Kastellan, könnten einige der Ausstellungsstücke wieder ihren Weg zurück nach Plumlov finden und dort im Rahmen einer Barockausstellung gezeigt werden. Die Objekte, die bereits jetzt zu sehen sind, stammen oft von Menschen aus der Region, sagt Zástěra. Die Bereitschaft an Sachspenden sei groß, so der Kastellan:
„Immer wieder fragen mich Leute, ob ich nicht noch ein Klavier möchte. Aber wenn ich alle Angebote annehmen würde, hätten wir hier nur noch Klaviere stehen. Das gleiche Phänomen gibt es bei größeren Möbelstücken: Die Menschen wollen die Dinge nicht zerstören oder wegwerfen.“
Einige der Räumlichkeiten auf Schloss Plumlov werden auch für Kulturveranstaltungen genutzt. So gibt es nicht nur einen modernen Konzertsaal, sondern auch Flächen für Freilufttheateraufführungen sowie einen Saal für Trauungen. Doch das Spannende an Plumlov ist eher seine Unvollkommenheit. Und die zeigt sich auch in einer ganz besonderen Führung, die Zástěra und sein Team anbieten:
„In den 1950er Jahren wurde der alte, historische Keller in einen Bunker umgebaut. Es gibt dort Gasschutztüren, mit einem prachtvollen Schloss hat das nicht mehr viel zu tun. Um das Erlebnis dort noch zu verstärken, bieten wir Gruselführungen an. Die sind eher für Kinder gedacht und dauern deshalb auch nur 40 Minuten.“
300 Fledermäuse bewohnen den Dachboden und das Gelände
Doch um sich zu gruseln, braucht man nicht in den Keller zu gehen. Auch unter dem Dach warten Erlebnisse, die für Gänsehaut sorgen können. Denn die obersten Geschosse wurden nie fertiggebaut. Statt auf Dielen, bewegt man sich hier auf Holzplanken umher, die lose auf den tragenden Balken liegen. Pavel Zástěra führt in einen großen Raum, der auch auf der Strecke eines Rundgangs liegt. „Eigentlich sollten hier Konzerte und Bälle stattfinden“, sagt er. „Deshalb ist die Decke auch so hoch. Der Raum erstreckt sich über zwei Stockwerke.“
Aber dass hier einmal eine Festgesellschaft unter Kronleuchtern tanzen sollte? Bei den unverputzten Wänden und den staubigen Planken ist das kaum vorstellbar. Wirklich interessant wird es aber auf dem Dachboden… Pavel Zástěra hat an einen Ort geführt, an dem heute die einzigen Bewohner des Schlosses leben. Und wenn so eine Fledermaus an einem vorbeifliegt, kann man sich schon erschrecken… Pavel Zástěra erklärt:
„Vor kurzem wurden auf dem Areal 300 Exemplare gezählt. Den Fledermäusen geht es hier sehr gut. Weil es hier keine Fensterscheiben gibt, können sie ohne Probleme herein- und hinausfliegen.“