Schloss Sychrov

Schloss Sychrov (Foto: Martina Schneibergová)
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Es gehört zu den schönsten neogotischen Schlössern Böhmens. Sychrov liegt acht Kilometer nordwestlich der Stadt Turnov. Das Schloss diente dem Adeligengeschlechts Rohan 125 Jahre lang als Familiensitz und ist heute noch mit Originalmöbeln aus dem 19. Jahrhundert ausgestattet. Sehenswert ist zudem der große Schlosspark, den Fürst Kamil Rohan, ein passionierter Botaniker, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichten ließ.

Schloss Sychrov  (Foto: Martina Schneibergová)
Die ersten Erwähnungen jenes Ortes, an dem das Schloss heutzutage steht, stammen aus dem 14. Jahrhundert. Damals stand dort eine mittelalterliche Festung, die im Besitz der Böhmischen Königskammer war. Im 15. Jahrhundert gab es dort schon ein aus Stein erbautes Gebäude. Zu der Zeit taucht auch zum ersten Mal der Name Sychrov auf, erzählt der Kastellan des Schlosses, Miloš Kadlec:

„Der Name wurde vom alttschechischen Verb ´sychrati´ abgeleitet. Es bedeutet so viel wie ´vor Kälte zittern´. Das Haus wurde ´Sychrův dvůr´, also Sychras Hof genannt. Zum Haus gehörte noch das Nachbardorf Svojkov. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurden der Hof und seine Umgebung ausgeplündert. Das Herrschaftsgut wechselte danach oft den Besitzer. Sein bekanntester Besitzer war Albrecht von Wallenstein. Er hat an diesem Ort aber nie gelebt. Ende des 17. Jahrhunderts ließ die französische Ritterfamilie Lamotte von Frintropp in Sychrov ein kleines Barockschloss bauen. Die Familie kam nach Böhmen, um den Habsburgern bei der Unterdrückung des Aufstands der Böhmischen Stände zu helfen.“

Foto: Martina Schneibergová
Das Schloss gehörte damals der Familie Waldstein. In Sychrov wohnte die Adeligenfamilie jedoch nicht, das Schloss diente nur als Kanzleigebäude und Unterkunft für das Personal. Zu einer radikalen Änderung kam es 1820. Damals kaufte der französische Adelige Fürst Karl Alain Gabriel de Rohan das Schloss. Mit den Rohans sei die Blütezeit von Sychrov verbunden, so der Kastellan.

„Die Familie Rohan kam im Zusammenhang mit der Französischen Revolution und dem Aufstieg von Napoleon nach Böhmen. Zuerst flüchtete die Familie nach Belgien, später kämpften Rohans gegen Napoleon auf der Seite Österreichs. Als sie Sychrov kauften, befand sich das verhältnismäßig kleine Schloss schon in einem erbärmlichen Zustand. Das Schloss entsprach weder dem Geschmack, noch der damaligen Stellung der Adeligenfamilie. Das Geschlecht der Rohan hat eine lange Geschichte. Die älteste Erwähnung des Namens stammt aus dem Jahr 951 aus der Bretagne. Viele der Familienangehörigen hatten führende Posten in der Armee und bekleideten hohe Kirchenämter. Die Rohans hatten immer eine wichtige Rolle am französischen Königshof gespielt. Sie waren zudem mit mehreren Herrscherdynastien in Westeuropa verwandt.“

Miloš Kadlec  (Foto: Archiv der staatlichen Denkmalschutzbehörde)
Gleich der erste Besitzer von Sychrov, Fürst Karl Alain Rohan, fing begann, das Schlosses im damals beliebten klassizistischen Stil umzubauen. Die Bauarbeiten wurden 1835 beendet. Zu der Zeit besuchte der französische Exilkönig Karl X. mit seiner Begleitung die Familie Rohan in Sychrov. Aus den Archivdokumenten geht hervor, dass in der Umgebung des Schlosses sowie im Wildgehege von Žehrov damals besonders große Jagden zu Ehren des Königs veranstaltet wurden.

Fürst Karl Rohan hatte nur eine Tochter und keinen männlichen Nachkommen. Darum adoptierte er seinen Neffen Kamil, der 1800 in Brüssel zur Welt kam. Der Kastellan:

„Auch wenn Kamil im Exil zur Welt kam, hatte er eine tiefe Beziehung zu Frankreich. Als Kind weilte er eine Zeit lang bei seiner Großmutter auf einem Schloss in der Nähe von Paris. Die Großmutter war übrigens Erzieherin der Kinder von Ludwig XVI. und Marie Antoinette. Mit 18 Jahren übersiedelte Kamil Rohan nach Böhmen und begann hier zu studieren. Er widmete sich der Ökonomie und den Naturwissenschaften, hauptsächlich der Botanik. Er wurde später zu einem anerkannten Botaniker. Und das war später für die Gründung und Gestaltung des Schlossparks von Sychrov ausschlaggebend.“

Als Kamil Rohan das Schloss übernahm, begann er, es im Stil der Neogotik umzubauen. Dieser Baustil war unter den Adeligen zu jener Zeit sehr beliebt, weil er sie an den Ruhm ihrer Vorfahren erinnerte. Denn Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich das Bürgertum immer stärker durch.

„Der Umbau des Schlosses wurde nach einem Entwurf des Architekten Bernhard Grueber durchgeführt. Eine wichtige Persönlichkeit, die bei der Beschreibung des Umbaus früher oft zu Unrecht vergessen wurde, war der fürstliche Baumeister Josef Pruvot. Sein Vater war Franzose, der mit den Rohans nach Böhmen gekommen ist. Er hat eine Tschechin geheiratet und sich hier niedergelassen. Josef Pruvot studierte bei Professor Franz Anton Gerstner und beteiligte sich am Bau der Pferdeeisenbahn, die aus Budweis nach Linz führte. Bei der Eisenbahn war er aber sehr unzufrieden. Sein Vater besorgte ihm darum Arbeit beim Umbau des Schlosses in Sychrov. Es sind viele Entwürfe und Zeichnungen von Pruvot erhalten geblieben, die die Gestaltung der Inneneinrichtung des Schlosses betreffen.“

Schloss Sychrov  (Foto: Archiv der staatlichen Denkmalschutzbehörde)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Sychrov sogar eine Bauhütte, in der tschechische Handwerker arbeiteten. Dies war etwas Besonderes, denn meistens suchte auch der böhmische Adel Architekten und Handwerker im Ausland, vor allem aus Italien oder Frankreich. Sychrov ist da fast eine Ausnahme. Fürst Rohan bewunderte das Können der tschechischen Handwerker sehr. Von den Handwerkern, die sich an der Gestaltung des Schlosses beteiligten, ist der Holschnitzer Petr Bušek besonders hervorzuheben. Er arbeitete insgesamt 38 Jahre lang an den Verzierungen im Interieur der Schlossräume und habe natürlich viele Mitarbeiter – Tischler und Maler – gehabt, so Kadlec:

Foto: Martina Schneibergová
„Wie sehr Fürst Rohan die tschechischen Handwerker bewunderte, davon zeugt beispielsweise die folgende Episode: Der berühmte Komponist Antonín Dvořák hat Sychrov oft besucht. Der hiesige Verwalter Alois Goebel war ein Freund des Komponisten. Als Dvořák zum ersten Mal nach Sychrov kam, führte ihn Goebel durch das Schlossareal. Da er wusste, dass der Komponist ein großer Naturliebhaber war, zeigte er ihm auch den Schlosspark. Von dort aus bot sich ein schöner Blick auf den Bahnviadukt von Sychrov. Dvořák war ja, wie bekannt ist, auch ein großer Bewunderer der Eisenbahn. An diesem Ort begegnete Goebel zusammen mit Dvořák dem Fürsten. Der Verwalter hat dem Fürsten begeistert den ´großen Meister´ vorgestellt. Es wird erzählt, dass der Fürst, der damals schon 77 war, gleich aufmerksamer geworden ist. Er fragte strahlend Goebel: ´Meister, sagen Sie? Und was kann er? Ist er Holzschnitzer oder Schmied? ´ Der Verwalter antwortete, sein Besucher sei Komponist und hervorragender Musiker. ´Ach so´, entgegnete der Fürst enttäuscht und drehte sich um. So spielte sich das erste Treffen zwischen Fürst Rohan und dem Komponisten ab.“

Schlosspark Sychrov  (Foto: Martina Schneibergová)
Antonín Dvořák reiste trotzdem gern und oft nach Sychrov und schrieb dort auch einige seiner Kompositionen.

Die Führung durch das Schloss werden wir in einer der nächsten Ausgaben von Reiseland Tschechien fortsetzen. Schloss Sychrov ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Vom November bis März von 10 bis 14 Uhr, in der Hauptsaison vom Mai bis August finden die Führungen von 9 bis 16.30 Uhr statt.

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