Schloss Sychrov (II)
Bis zum 19. Jahrhundert wechselte Sychrov mehrmals den Besitzer. Dann diente das Schloss 125 Jahre lang der Adeligenfamilie Rohan als Familiensitz. Vor zwei Wochen haben wir Sie mit der Geschichte von Sychrov bekannt gemacht und versprochen, die Führung durch das Schloss fortzusetzen.
„Fürst Karl Alain Rohan hat viele Leute damit beauftragt, in Frankreich nach jenen Kunstwerken zu suchen, die zuvor der Familie gehört hatten und sie zu kaufen. Dadurch kamen viele Archivalien nach Sychrov, die sogar aus dem 12. und 13. Jahrhundert stammen. Diese werden nicht mehr hier, sondern im Archiv in Děčín / Tetschen aufbewahrt. Zudem gelang es den Rohans, eine Reihe von Porträts – die so genannte ´Rohan-Galerie´ - nach Sychrov zu bringen. Diese insgesamt 248 Gemälde hatten eine bewegte Geschichte. Noch bevor die Französische Revolution begann, haben die Rohans die Porträts auf dem Dachboden des Palais Soubise in Paris versteckt.“
Nachdem die Bourbonenmonarchie wieder hergestellt war, holten die Rohans ihre Porträtsammlung in Paris ab und brachten sie nach Böhmen. Die Gemälde ließen sie vom tschechischen Maler Karel Javůrek restaurieren. Er malte in Sychrov zudem einige weitere Porträts, auf denen die legendären Vorfahren der Rohans dargestellt wurden. Die Porträts können die Schlossbesucher während der Führung besichtigen. Auf den Gemälden begegnen sie einigen Persönlichkeiten, die sie bereits aus der Literatur kennen. Der Kastellan:„Wir haben hier unter anderem das Porträt von Kardinal Louis René de Rohan. Er war in den 1780ern als wichtiger Akteur in die Halsbandaffäre um Marie-Antoinette verstrickt. Diese Affäre schadete natürlich dem Ruf der Familie Rohan. Obwohl Louis de Rohan Beichtvater des Königs war, saß er einige Tage lang in der Bastille. Die Familie musste noch mehrere Jahre nach seinem Tod die Schulden für das Halsband abzahlen und erinnerte sich nur ungern an diesen Verwandten. Sein Porträt, das zur Rohan-Galerie gehörte, wollten die Rohans jedoch nicht vernichten. Auf dem Gemälde tauchte aber zwischendurch die Notiz auf, dass es sich nicht um Kardinal Louis René Rohan handele, sondern um den Bischof von Strassburg, Armand Gaston de Rohan. Damit haben die Rohans den Kunsthistorikern die Identifizierung der Personen auf den Porträts erschwert. Aber im Laufe der Zeit gelang es, das Rätsel zu entziffern.“
Die Liebhaber der Romane von Alexandre Dumas des Älteren kennen Kardinal Louis René von Rohan übrigens aus dem Romanzyklus „Memoiren eines Arztes“. Jener Halsbandaffäre ist der zweite Teil dieser Serie gewidmet. In der Rohan-Galerie begegnet man noch einer weiteren Romanheldin: Im Schloss hängt das Porträt von Marie de Rohan, der geheimnisvollen Herzogin de Chevreuse aus den „Drei Musketieren“.Schloss Sychrov ist heutzutage ungefähr so eingerichtet wie unter den Rohans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seit den 1990er Jahren haben sich die Denkmalschützer bemüht, das Interieur des Schlosses so zu gestalten, wie es in seinen Blütezeiten ausgesehen hat. Kastellan Kadlec:
„Es sind sehr ausführliche Inventarverzeichnisse aus dem 19. Jahrhundert erhalten geblieben. Auf deren Grundlage wurde eine Studie erarbeitet, die die einzelnen Schlossräume so beschrieben hat, wie sie ausgesehen haben, als Fürst Kamil Rohan starb. Es gelang uns, 95 Prozent der Originalmöbel sowie der Kunstgegenstände zusammenzutragen. Nicht alle Gegenstände befanden sich zu der Zeit in Sychrov. Mehrere Teile der Originaleinrichtung von Sychrov waren in anderen Schlössern zu sehen. Die Gemälde hängen heutzutage wieder dort, wo sie in den Zeiten von Kamil Rohan hingen. Auch die Möbel sind wieder vorwiegend an ihrem ursprünglichen Platz. Als der Holzschnitzer Petr Bušek die Möbel für das Schloss herstellte, notierte Fürst Rohan immer genau, für welches Zimmer das konkrete Möbelstück bestimmt war. Anhand der Notizen wussten wir, wohin wir die einzelnen Schränke, Tische und andere Möbel stellen sollten.“Miloš Kadlec ging bei der Gestaltung des Schlossinneren nicht nur von den Inventarverzeichnissen und anderen Archivmaterialien aus. Er hatte auch die Gelegenheit, von zwei adeligen Damen mehr zu erfahren.
„Ich habe sowohl Baronin Johanna von Herzogenberg, als auch Marguerite Rohan-Kottulinsky gefragt. Marguerite war Tochter des letzten Schlossbesitzers. Die Erinnerungen der beiden Damen, wie es im Sychrov ihrer Kindheit ausgesehen hat, unterschieden sich natürlich schon davon, wie das Schlossinterieur im 19. Jahrhundert ausgesehen hat. Der Geschmack hatte sich natürlich zwischendurch geändert. In den 1920er und 1930er Jahren war ein Teil der neogotischen Möbel in der so genannten ´Galerie´ gelagert. Die Familie nutze Möbel, die damals modern waren und die wir aus den Filmen der 1930er Jahre kennen. Einige der Räume wurden erneut umgebaut, nicht aber die Repräsentationsräume. An denen wurde nichts geändert.“ Der Kastellan fand insbesondere die Erinnerungen der beiden Damen an den Alltag in Sychrov interessant. Unsere Vorstellung vom Leben einer Prinzessin auf einem Schloss gehe, so Kadlec, oft von Filmmärchen aus:„Diese Vorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts. Insbesondere die letzten Rohans haben hier ein ganz gewöhnliches Familienleben geführt. Dies dokumentieren zahlreiche Familienfotos, die hier geschossen wurden. Von Johanna weiß ich, dass die Kinder hier am liebsten Indianer gespielt haben, auch wenn die Mädchen in der Überzahl waren. Es sind mehrere Fotos erhalten geblieben, auf denen die Prinzessinnen in dem kleinen Häuschen im Schlosspark gemeinsam spielen oder auf einem Kocher Palatschinken zubereiten. Sie haben auch Tennis gespielt, fuhren Rad und spielten gern Theater.“
Die Erinnerungen der Zeitzeugen, aber auch das im Schloss seit 1820 geführte Gedenkbuch inspirierten den Kastellan dazu, Sonderführungen durch das Schloss zu organisieren. Bei den Führungen versucht er, seinen Besuchern eine Zeitepoche oder ein besonderes Ereignis aus der Geschichte des Schlosses näher zu bringen. Dabei kann es um den Besuch des französischen Exilkönigs Karl X. oder von Kaiser Franz Josef in Sychrov gehen."An die Zeit der Ersten Republik erinnern wir beispielsweise mit Führungen unter dem Motto ´In Sychrov pulsiert immer das Leben´. Es wurde hier viel musiziert. Die letzte Fürstin war eine große Musikliebhaberin und hervorragende Pianistin. Oft besuchte der Violinvirtuose Jan Kubelík das Schloss. Während der Führung werden wir einige Geschichten erzählt, die wir gehört haben: Beispielsweise wie der hiesige Kutscher zum Chauffeur wurde und sich nur ungern an ein Auto gewöhnen wollte.“
Das Gedenkbuch ist eine bislang unausgeschöpfte Inspirationsquelle, sagt der Kastellan. Familien mit kleinen Kindern können an einer kürzeren Führung teilnehmen. Für Schulklassen bereitet der Kastellan spezielle Unterrichtsprogramme vor, die Geschichte mit Kunsterziehung und Botanik kombinieren.Die staatliche Denkmalschutzbehörde, die Sychrov verwaltet, hat dieses Jahr zum Jahr der Pernsteins (Pernštejn) erklärt. Voriges Jahr stand im Zeichen der Rosenberger (Rožmberk). 2013 sollen das Hauptthema Frankreich und französischer Adel sein, sagt Kadlec:
„Natürlich wird die Familie Rohan im Mittelpunkt stehen. Dazu werden mehrere Veranstaltungen vorbereitet. Höhepunkt wird eine große Ausstellung Ende des Jahres 2013 auf der Prager Burg sein. Darauf freuen wir uns sehr, denn Sychrov wird mal wieder Aufmerksamkeit wecken.“Schloss Sychrov ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Vom November bis März von 10 bis 14 Uhr, in der Hauptsaison vom Mai bis August finden die Führungen von 9 bis 16.30 Uhr statt.