Schnell, aber nicht rasant: Tschechien und die Umsetzung seiner Digitalagenda

Bis Ende des Jahres sollen in Tschechien 95 Prozent der Behördenkommunikation digital ablaufen können. Aber ist dieses Ziel realistisch? Und wie groß ist das Interesse der Menschen am elektronischen Kontakt mit dem Amt und dem Ausweis im Smartphone?

Seit 1. Januar kann das Arbeitslosengeld in Tschechien online beantragt werden. Und auch bei vielen weiteren Angelegenheiten ist mit dem Jahreswechsel kein persönlicher Gang zum Amt mehr nötig. Das entspricht dem allgemeinen Trend, denn bis Ende 2025 will die Regierung in Prag ganze 95 Prozent der Verwaltung digitalisiert haben.

Stark gefragt ist der elektronische Kontakt mit den Behörden derzeit allerdings noch nicht. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage, die die Meinungsforschungsagentur Median für den Tschechischen Rundfunk durchgeführt hat. Zwei Fünftel der Befragten gaben darin an, gar nicht digital mit dem Amt zu kommunizieren. Allerdings sagte fast die Hälfte der Studienteilnehmer, in Zukunft häufiger online mit den Behörden in Verbindung treten zu wollen. Vojtěch Dufek arbeitet für Median und sagt:

„Die elektronische Kommunikation oder etwa den Ausweis im Handy wollen eher jüngere Umfrageteilnehmer bis 44 Jahre nutzen. Vor allem handelt es sich um Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss, die in Großstädten mit mindestens 100.000 Einwohnern leben.“

Wie oft nutzen Sie heutzutage elektronische Dokumente oder die Möglichkeit,  mit den Behörden elektronisch zu verkehren? | Foto: iROZHLAS.cz

Sei es die Benachrichtigung zum Ablauf der Fahrerlaubnis oder der Antrag auf Sozialhilfe – online läuft in Tschechien schon jetzt so einiges ab. Innenminister Vít Rakušan (Stan) informierte vor einiger Zeit, dass ab Februar über 100 weitere Angelegenheiten, die unter sein Ressort fallen, digital erledigt werden können:

„Man kann dann etwa den Verlust von Ausweisdokumenten, die Geburt eines Kindes oder den Schaden nach einem Brand auf diese Art melden. Und es sollen weitere Dienste hinzukommen.“

Robert Králíček | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Zur Digitalisierung der Verwaltung ist die Regierung derzeit gesetzlich verpflichtet. Der ursprünglich vorgesehene Termin, der Februar 2025, reicht zur Erfüllung aller Vorhaben aber nicht aus. Im Dezember hat das Kabinett deshalb einen Aufschub im Abgeordnetenhaus durchgebracht. „Fertig digitalisiert“ soll Tschechien demnach erst 2027 sein. Von der Opposition gibt es allerdings Kritik an dem Vorgehen. Der Parlamentarier Robert Králíček von der Partei Ano wirft die Frage auf:

„Warum schiebt die Regierung dieses wichtige Gesetz, also diese digitale Verfassung auf? Sie hat sie ja sogar gemeinsam mit uns in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet!“

Zudem ist da noch die vielbeachtete Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens. Das Scheitern dieses Vorhabens führte letzten Herbst zum Ausstieg der Piratenpartei aus dem Regierungskabinett. Nun soll das Online-System von Grund auf neu entwickelt werden, an den Start gehen wird es nicht vor Januar 2028. Wegen der zahlreichen Komplikationen bei der Umstellung können die Bürger und Unternehmen ihre Anträge derzeit auch analog einreichen, das heißt, so wie früher, auf Papier.

Daniel Krištof | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Und mit Unterlagen in gedruckter Form können nach wie vor noch andere Behördenangelegenheiten erledigt werden. Man wolle auch für diejenigen Menschen erreichbar bleiben, die keinen Internetzugang haben oder nicht über die Kompetenzen zur Nutzung digitaler Technologien verfügen, hieß es etwa aus der Zentrale der tschechischen Arbeitsämter. Zudem sagte deren Generaldirektor, Daniel Krištof, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„In den Gesprächen mit den Arbeitssuchenden helfen wir dabei, einen Lebenslauf zu schreiben und sich auf dem Markt zu orientieren. Zudem versuchen wir, den Menschen nach vielen erfolglosen Bewerbungsverfahren ihre Frustration zu nehmen. Diese Treffen werden weiterhin vor Ort stattfinden. Denn der menschliche Kontakt ist dabei unabdingbar.“

Autoren: Ferdinand Hauser , Kristýna Vašíčková , Lucie Machartová
abspielen