Schwierige Telecom-Privatisierung in Tschechien

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Rudi Hermann. Telecomunternehmen galten noch vor kurzer Zeit als Goldgruben, und entsprechend gross war das Investoreninteresse. Die tschechische Regierung frohlockte, denn sie hat zwei bedeutende nationale Telecomgesellschaften und zudem Lizenzen für Mobilfunk der dritten Generation zum Verkauf. Noch vor etwas mehr als einem Jahr schätzte Ministerpräsident Milos Zeman den Erlös aus den grossen Restprivatisierungen, an denen die Telecomgesellschaften einen erklecklichen Anteil ausmachen sollten, auf rund 500 Milliarden Kronen, davon fast die Hälfte aus dem Telecombereich. Inzwischen aber sind am Telecomhimmel so schwarze Wolken aufgezogen, dass das wirtschaftliche Wochenmagazin Euro schrieb, die Regierung müsse wohl die prognostizierte Ziffer des Erlöses durch einen Faktor zwei bis drei teilen, um in die Nähe der Realität zu kommen. Warum das so ist, ist Gegenstand der folgenden Minuten, zu denen ich guten Empfang wünsche.

Die Hoffnung, für den staatlichen Anteil an der nationalen Telefongesellschaft Cesky Telecom 150 Milliarden Kronen einstreichen zu können, respektive, eine Majoritätsprämie mit eingerechnet, bis zu 180 Milliarden Kronen, datiert aus der Zeit, als das tschechische Fernmeldeunternehmen noch hoch im Börsenkurs stand. Für eine Aktie von Cesky Telecom erhielt man damals fast tausend Kronen. Jetzt sind es gerade noch etwa 400. Und das bedeutet, dass der Staat seine Hoffnung auf satte Privatisierungserlöse zurückschrauben muss. Bei einer Marktkapitalisierung des Staatsanteils gegenwärtig etwa 65 Milliarden Kronen ist nicht anzunehmen, dass mit der Majoritätsprämie allein die Differenz zu den erhofften 180 Milliarden wettgemacht werden kann. Und damit der schlechten Nachrichten nicht genug. Auch bei der zweiten im Telekommunikationsgeschäft tätigen Gesellschaft, Èeské Radiokomunikace, zeichnen sich Mindereinnahmen gegenüber den Prognosen ab. Die Erwartungen sprachen von 25 bis 30 Milliarden.

Das Angebot, dem gegenwärtig die besten Chancen auf Erfolg eingeräumt werden, vorgelegt von der Deutschen Telecom und TeleDanmark, spricht eine andere Sprache. Es beläuft sich auf - an den Erwartungen gemessen - mickrige 9 Milliarden. Auch bei einer geschickten Verhandlungsführung seitens des Staates dürfte eine Summe, die höher als etwa 12 Milliarden ist, ausser Reichweite liegen. Und schliesslich gibt es auch beim dritten vermeintlichen Kronjuwel, den Lizenzen für die dritte Generation von Mobilfunknetzen, wenig Erbauliches zu berichten. Gestützt auf astronomische Summen, die bei der Versteigerung solcher Lizenzen in Grossbritannien und Deutschland erzielt wurden, erhoffte sich die Regierung von der Auktion der hier zur Verfügung stehenden drei bis vier Lizenzen Einnahmen in der Höhe von etwa 20 Milliarden Kronen. Das war damals gegenüber noch weit hochfliegenderen Schätzungen gewisser Wirtschaftsanalytiker eine relativ bescheidene Prognose. Die Wirklichkeit sieht aber erneut ernüchternd aus. Erreicht der Verkaufspreis zehn Milliarden, ist das schon als Erfolg zu werten.

Wie konnte es soweit kommen? Ein Beispiel dafür bietet die niederländische Telefongesellschaft KPN, die 1995 als strategischer Investor bei Cesky Telecom eingestiegen war. Über das zusammen mit Swisscom gebildete Konsortium TelSource erwarb KPN einen Anteil von 27 % am Aktienkapital, allein hält die Gesellschaft weitere 6.5%, was TelSource respektive KPN zu einer Sperrminorität verhalf. Noch bis vor kurzem sah es so aus, als würde sich zwar Swisscom aus TelSource und damit auch Cesky Telecom zurückziehen, KPN dafür aber seinen Anteil auf 51% erhöhen. Doch dann kamen die schon erwähnten UMTS-Auktionen in Grossbritannien und Deutschland. KPN gehörte zu den Gesellschaften, die kräftig mitmischten, sich dabei aber finanziell ausbluteten. Das Resultat: KPN muss sich entscheiden, in welchem Bereich der Schwerpunkt sein soll, umso mehr, als für den Aufbau von UMTS-Netzen weitere erhebliche Finanzmittel nötig sind. Die Verschuldung von KPN wird auf rund 20 Milliarden Dollar geschätzt. Somit beschloss die Gesellschaft, sich aus dem Festnetz-Geschäft in Osteuropa zurückzuziehen und damit auch die Option auf eine Mehrheit bei Cesky Telecom nicht wahrzunehmen. Die tschechische Regierung steht jetzt vor dem Problem, für die Telefongesellschaft zu einem Zeitpunkt einen strategischen Partner zu finden, da das Käuferinteresse so tief ist wie wohl noch nie.

Als mögliche Investoren gelten die Telecomriesen Deutsche Telekom und France Telecom. Beide haben aber ein gemeinsames Problem, nämlich Schulden in der Höhe von je über 50 Milliarden Dollar, wie das wirtschaftliche Wochenmagazin Euro unter Berufung auf die Schätzungen internationale Finanzanalytiker schreibt. Telefongesellschaften wie beispielsweise Cesky Telecom sind zwar jetzt billig zu haben, aber auf der anderen Seite müssen auch grosse Unternehmen auf ihre Finanzen schauen, da der kostspielige Aufbau der UMTS-Netze, für die man teure Lizenzen erworben hat, erst noch ins Haus steht. Wer aber sonst könnte an Cesky Telecom Interesse haben? Nach Prognosen der Zeitschrift Euro am ehesten die Nordländer, die sich bisher finanziell weniger im UMTS-Geschäft engagiert haben und, wenigstens einige von ihnen, in Tschechien in kleineren Bereichen schon präsent sind.

Die Frage stellt sich damit, welche Strategie Tschechien bei der Telecomprivatisierung verfolgen sollte. In einem Leitartikel schrieb das Wochenmagazin Euro, beim Aufbau der UMTS-Netze sollte sich das Land keine Verzögerungen leisten, auch wenn die Vorzeichen für den Verkauf oder die Versteigerung der entsprechenden Lizenzen gegenwärtig nicht die besten sind. Denn wer beim Aufbau der Mobilfunktechnologie der dritten Generation nicht Schritt halte, laufe Gefahr, die eigene Wirtschaft technologisch mittelfristig ins Abseits geraten zu lassen. Bei der Festnetzgesellschaft Cesky Telecom und dem Unternehmen Èeské Radiokomunikace, das einerseits für die Übertragung von Fernseh- und Radiosignalen zuständig ist und andrerseits bei einem von drei Mobilfunkanbietern in Tschechien beteiligt ist, rät Euro für eine Denkpause. Wer verkaufe, wenn die Aktienkurse einen langfristigen Tiefpunkt erreicht hätten, gebärde sich wie ein Alkoholiker, der bei den ersten Abstinenzerscheinungen das Familiensilber verhökere. Die Einschätzung der Entwicklung auf dem Telekommunikationsmarkt sei zwar nicht einfach, doch könne es kaum noch mehr bergab gehen.

Die von den Sozialdemokraten gestellte Minderheitsregierung hat damit ein Problem. Verschiebt sie die Telekomprivatisierungen, bringt sie sich um erhebliche Finanzmittel, die sie vor den Wahlen im nächsten Jahr noch gerne zur Erfüllung einiger Versprechen eingesetzt hätte. Denn die ausserbudgetären Fonds für Verkehrsinfrastruktur und Wohnungsbau sollten gerade aus den Einnahmen aus der Privatisierung gespeist werden. Kurzfristiges politisches Interesse gerät damit im Konflikt mit langfristigem, strategischem Denken.

Autor: Rudi Hermann
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