Selcherkämpfe: Tschechen fürchten slowako-europäischen Speckwurst-Imperialismus
Mitteleuropa, drei Jahre nach dem EU-Beitritt, drei Monate vor der Schengen-Erweiterung. Grenzen verblassen, Regionen entstehen - und das Nationalempfinden sucht sich neue Räume. Den Fußball, zum Beispiel. Oder das Lebensmittelrecht. Nachdem zuletzt bei der Frage, wem die Karlsbader Oblaten gehören, eine bewaffelte Auseinandersetzung gedroht hatte, werden nun erneut die Gulaschkanonen auf die gegnerischen Stellungen gerichtet: Es geht um nichts Geringeres als um die Wurst.
"Die Slowakei hat die tschechische Seite aufgefordert, sich an dem Prozess zu beteiligen, damit diese Schutzmarke anerkannt und auch von tschechischen Herstellern benutzt werden kann. Das würde natürlich heißen, dass auch die Rezeptur eingehalten werden muss, die schon seit 25 Jahren benutzt wird und die genau den alten, gemeinsamen tschechoslowakischen Normen entspricht."
Nur, dass diese Rezeptur eben nun von der Slowakei eingereicht werden würde. Und genau darin liegt offensichtlich das Problem:
"Diese Produkte müssten, wenn sie wirklich geschützt werden, in Tschechien dann nach slowakischer Rezeptur hergestellt werden",
empört sich der tschechische EU-Parlamentarier Jan Brezina ohne viele Umschweife. Vom kleinen Bruder Slowakei an die Wurstkette gelegt zu werden, das ist offensichtlich so ziemlich die schlimmste Vorstellung für den tschechischen Nationalstolz. Bleibt die Flucht nach vorne. Jan Katina vom Verband der tschechischen Fleischindustrie spricht aus, was viele Verbraucher angesichts nicht immer ungetrübten Bissvergnügens schon längst geahnt haben:
"Wir meinen nicht, dass es sich bei den Produkten um Spezialitäten handelt. Genau darum geht es bei der Registrierung: um den Schutz garantiert traditioneller Spezialitäten. Worüber wir hier reden, das sind ganz normale Produkte, die man überall in Mitteleuropa findet. Kurzum: nichts Besonderes - weder in der Herstellungsweise, noch in den Zutaten."Sollte es sich bei den Speckwürsten aber unerwarteter Weise doch um Spezialitäten handeln, dann auf jeden Fall um tschechische, setzt Miroslav Toman von der tschechischen Lebensmittelkammer nach. Und als solche wolle man sie dann auch registrieren lassen - ganz seriös, natürlich:
"Hier geht es um seriöse Verhandlungen, und wir bemühen uns um ein seriöses Vorgehen - und selbstverständlich erwägen wir auch diesen Schritt."
Der slowakischen Metzger Ladislav Urban ist ein Mann der Praxis. Das Gezerre um die Wurst ist ihm Wurst:
"Wir haben hier unsere Stammkunden, und die kommen wegen der Qualität."
Qualität. Auch ein Aspekt. Darüber könnte man ja mal nachdenken, wenn man lange genug in der eigenen Wurstbrühe gedümpelt ist.