Skifahren in Rübezahls Reich – Wintersportort Spindlermühle
Tschechien ist ein ausgesprochenes Wintersportland. Von nirgendwo dauert es mehr als zwei Stunden, bis man in den Bergen ist. Als erste Adresse landesweit gilt dabei Špindlerův mlýn / Spindlermühle. Warum der Ort im Riesengebirge solch einen Ruf hat, davon haben sich vier Redakteure von Radio Prag selbst ein Bild gemacht.
Das kleine Städtchen hat übrigens eine lange Wintersportgeschichte, ist aber relativ jung. Sylvie Dlouhá ist beim Stadtamt für den Tourismus zuständig:
„In Svatý Petr siedelten früher vor allem Bergarbeiter. Ab Anfang des 16. Jahrhunderts wurde dort Erze, Kupfer, Bauxit und viel Silber geschürft. Als die Bergbausiedlung ausgeweitet wurde, zogen manche Leute weiter runter ins Tal. Einer der ersten war ein Müller namens Spindel, die Bewohner waren damals vor allem deutschsprachig. Dass sein Name auf den Ort überging, hat mit einem Gesuch an Kaiser Joseph II. im Jahr 1784 zu tun. Die Bewohner wollten eine neue Kirche bauen. Die Antwort war positiv. Sie war aber nicht an den Müller Spindel adressiert, sondern an den Ort Spindlermühle. So ist es zum heutigen Namen gekommen. Derzeit haben wir etwas über 1000 Einwohner. Die Zahl der Gästebetten liegt aber bei 8000 bis 9000. Das heißt, dass die Zahl der Menschen hier in der Saison immer um ein Mehrfaches anwächst.“
Ein Gesuch an den Kaiser
Der Wintersport beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts zu boomen. 1910 entsteht in Spindlermühle der erste Skiklub. Der Gründer ist Josef Rössler-Ořovský. Und Graf Harrach, dem ein Großteil der Ländereien gehört, kümmert sich um die Skiausrüstung für die örtlichen Bewohner. Zugleich ist Spindlermühle auch ein beliebter Luftkurort für den Sommer. Daher entstehen in den 1920er Jahren die ersten großen Hotels, in denen sich vor allem deutsche Touristen einquartieren. Sylvie Dlouhá:„Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sind es dann vor allem Tschechen. Da ist Spindlermühle erst einmal ein beliebtes Skisprungzentrum. Der große Boom kommt dann zu kommunistischen Zeiten, weil der tschechische Verband für Körpererziehung stark ins Skifahren investiert. Nach der Wende kommt es erst einmal zu einer Stagnation. Und erst in den vergangenen Jahren geht es wieder nach oben, seitdem ein Privatunternehmen das Skiareal auf 20 Jahre vom Verband für Körpererziehung gepachtet hat. Durch die neuen Investitionen nähern wir uns dem Niveau der Skizentren in den Alpen an.“
Das würde auch René Hroneš so sagen. Der sportliche Mann ist Marketingchef für das Skigebiet Spindlermühle und breitet den Faltplan mit den Pisten vor uns aus. Seit fünf Jahren ist seine Firma verantwortlich für Pflege und Ausbau von Liften, Pisten und dem Angebot drumherum. Und das noch für mindestens 15 weitere Jahre.„Spindlermühle wird als bestes Skigebiet in Tschechien bewertet. Die 25 Kilometer Piste bieten für alle etwas, vom Anfänger bis zum Könner. Wir haben fünf Sessellifte, darunter einen absolut modernen Sechsersessellift mit Sitzheizung und Schutzhaube. Dazu kommen elf Schlepplifte. Da der Ort im Tal liegt, erstreckt sich das Skigebiet über zwei gegenüberliegende Hänge, Svatý Petr und Mědvedín. In den vergangenen Jahren haben wir fast alle Gelder in die künstliche Beschneiung investiert. In drei Tagen können wir bei entsprechenden Temperaturen das gesamte Skigebiet präparieren. Deswegen kann bei uns schon ab Mitte Dezember Ski gefahren werden, auch wenn kein Schnee fällt“, so Hroneš.
Im Sessellift mit Sitzheizung
Bestes Skigebiet bedeutet aber auch die höchsten Preise in Tschechien. An der Kasse zahlt man 890 Kronen (rund 33 Euro) für die Tageskarte. Außerdem bewegt sich Spindlermühle zu bestimmten Zeiten an der Belastungsgrenze. Dann sind alle Betten belegt. Stauen sich dann nicht die Menschen an den Liften? René Hroneš:„Im gesamten vergangenen Jahr haben wir eine halbe Million Menschen mit unseren Liften befördert. Natürlich wollen mittlerweile die meisten auch unseren neuen Sechsersessellift ausprobieren. Dann steht man dort manchmal eine Viertelstunde. Am Sessellift um den Berg herum sind aber keine Schlangen. Wenn man eben das Beste will, dann muss man ab und zu etwas warten.“
Laut Sylvie Dlouhá vom Stadtamt kommen viele Besucher auch zum Langlaufen her. Für sie beginnen die Loipen bereits im Stadtzentrum und führen das Elbtal hoch. Weitere Strecken, besonders für sportliche Läufer, sind oben in den Bergen gespurt. Dazu kommen viele weitere Möglichkeiten abseits von Loipen und Pisten:
„Zum Beispiel eine lange Schlittenbahn, eine Bobbahn und Eislaufflächen. Außerdem kann man Ausflüge auf Schneescootern machen oder mit der Pferdekutsche fahren. Wer draußen genug hat, mag vielleicht eines der vielen Wellnesszentren besuchen. Und für das Leibliche ist auch gesorgt. Das reicht von regionalen bis zu internationalen Spezialitäten, auch ausländische Besucher werden sicher bei der großen Bandbreite an Restaurants fündig“, so Sylvie Dlouhá.
Drei Kilometer Schlittenfahrt
Für die Schlittenbahn zum Beispiel muss man mit einem Bus zur sogenannten Spindlerbaude fahren, einem Berghotel am Hauptkamm des Riesengebirges, 500 Meter oberhalb von Spindlermühle. Dort kann der Wind auch ziemlich pfeifen. Das hat aber Paul aus Berlin und seine Familie nicht davon abgehalten, die Schlitten zu testen:„Wir haben uns gut vorbereitet. Unsere Kinder haben Skianzüge an, Helme, Schals, Mützen und Handschuhe – wir sind also gut eingepackt.“
Die Familie bleibt sechs Tage in Rübezahls Reich. Und es gibt auch einen Grund, warum die Wahl auf Spindlermühle gefallen ist:
„Meine Eltern, die früher in der DDR großgeworden sind, kannten das und haben uns den Tipp gegeben hierherzukommen – und wir haben es nicht bereut.“
Die Schlitten werden an einem Lkw ausgegeben – einer der beiden jungen Männer, die sich darum kümmern, spricht auch etwas Deutsch:„Die Schlittenbahn ist drei Kilometer lang und geht 400 Meter nach unten. Heute ist die Bahn schnell, weil es stark friert. Aber es ist perfekt.“
In vier Abschnitten gelangt man mit dem Schlitten ins Elbetal. Zwischendurch muss man jeweils zu Fuß die Straße überqueren, die sich den Berg zur Spindlerbaude hinaufwindet. Am Ende der Schlittenbahn ist eine Bushaltestelle. Entweder lässt man sich von dort in den Ort zurückfahren – oder man geht eine halbe Stunde gemächlich zu Fuß.
Im Ort kommt es zufälligerweise erneut zu einem Treffen mit Paul aus Berlin und seiner Familie: Wie war die Schlittenfahrt?
„Es war total schön. Erst hat man ein bisschen Angst gehabt, weil es ja doch ziemlich abgeht und man ganz schön Geschwindigkeit drauf hat. Aber es hat gut geklappt mit dem Bremsen. Hat Spaß gemacht, den Kindern auch. Weil es so schön war, sind wir sogar zweimal gefahren.“Die zweite Fahrt ist übrigens vergünstigt. Der Normalpreis liegt bei 240 Kronen (8,90 Euro) pro Person und Fahrt, verbilligt sind es 150 Kronen (5,60 Euro).
Die Idee der Skischaukel
Für die Zukunft liegt der Hauptakzent aber darin, das Skifahren selbst noch attraktiver zu machen. Es bestünden Pläne für eine Skischaukel nach Vorbild der Alpen, sagt René Hroneš:„Daran arbeiten wir seit vier Jahren. Wir wollen Svatý Petr und Mědvedín miteinander verbinden. Derzeit beenden wir eine Umweltstudie dazu. Die Naturschützer haben bereits ihr Einverständnis gegeben. Im Frühjahr 2018 soll dann der Ausbau beginnen. Am Ortseingang entsteht dann ein großes Parkhaus, von wo zwei neue Lifte zu beiden Seiten des Tals hochführen. Bisher sind beide Teile des Skigebiets nur mit dem Skibus miteinander verbunden. Dadurch bekommen wir drei neue Abfahrtsstrecken, und insgesamt wächst die Pistenlänge auf 40 Kilometer. Das wird auf so kleinem Raum konkurrenzlos in Tschechien sein.“
Laut René Hroneš hat sich im Übrigen der Trend beim Skifahren in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Schuld sind auch die Carvingski. Während früher die Pisten so steil und schwierig wie nur möglich sein sollten, würden heute die Besucher die einfachen blauen oder mittelschweren roten bevorzugen.