Sommerprogramm in Wien: alte Menschen aus Prag und junge Stars der Klassik

Martin Suchánek: Hände von Geraldina Muchová (Zyklus Falten)

Im Tschechischen Zentrum in Wien geht so langsam das erste Halbjahr 2012 zu Ende. Doch auch im Sommer bleibt tschechische Kunst und Kultur an der Donau präsent. Mehr dazu in einem Interview mit dem Leiter des Zentrums in Wien, Martin Krafl.

Herr Krafl, es geht so langsam auf die Sommerferien zu. Aber das Tschechische Zentrum in Wien hat weiterhin offen und bietet auch einige Ausstellungen und Veranstaltungen an. So wird zum Beispiel kommende Woche eine Design-Ausstellung eröffnet. Das Besondere dabei ist, dass im Hintergrund eine Firma steht, die sich anscheinend nicht hauptsächlich mit Kunst, sondern wohl vor allem mit dem Recycling beschäftigt. Stimmt das so?

„Man sollte vielleicht eher sagen, dass es sich um einen Mix von Kultur und Recyclingmaterialen handelt. Trash made, so heißt die Ausstellung, ist ein einzigartiges Projekt. Es hat sich auf die Produktion von Design-Gegenständen aus Materialien spezialisiert, die bereits in Elektronik- und Elektrogeräten Verwendung fanden. Das Ergebnis sind Schmuck, Mode und Wohnungsaccessoires aus den unterschiedlichsten Teilen der elektronischen Mikro-Welt, mit einer unendlichen Vielfalt. Die Ausstellung haben die jungen Designkünstlerinnen Anna Kozová, Jana Chaklosh und Linda Čihařová vorbereitet. Die Vernissage findet in der Galerie des Tschechischen Zentrums Wien am Donnerstag kommender Woche, dem 28. Juni, um 19 Uhr statt. Es handelt sich um eine Österreich-Premiere. Das Projekt erhielt 2009 drei Nominierungen für den Preis der tschechischen Design-Akademie. Und nach Wien kommt Schmuck, der - inspiriert von Ausstellungen in Naturkundemuseen - in Glasflaschen und Glaskisten nach dem Vorbild biologischer Exponate präsentiert wird. Außerdem wird auch eine eigene Wiener Kollektion entworfen, deren Exponate zum Kauf angeboten werden.“

Eva Jamníková und Tomáš Jamník
Und eine der Künstlerinnen ist auch bei Vernissage zugegen…

„Genau, wir werden Linda Čihařová bei der Vernissage zu Gast haben.“

Anfang Juli wird dann ein sehr virtuoses tschechisches Ehepaar in Österreich gastieren: die Violinistin Eva Jamníková und der Cellist Tomáš Jamník. Sie schreiben von Jungstars der Klassik, wie alt sind die beiden denn?

Stift Klosterneuburg  (Foto: Saibo,  Creative Commons 3.0)
„Beide wurden 1985 geboren. Ihr Auftritt findet im Rahmen der Konzertreihe ‚Jungstars der Klassik aus Tschechien’ statt. Wir erleben das Musikerehepaar Jamník erstmals als Duo in Wien. Das Konzertprogramm umfasst unter anderem Duos und Solostücke der tschechischen Komponistengröße Bohuslav Martinů und des italienischen Violinevirtuosen Niccolo Paganini. Zu den größten Erfolgen von Tomáš Jamník gehört ein Sieg beim internationalen Musikwettbewerb Prager Frühling im Jahr 2006, der Cellist tritt regelmäßig mit den Berliner Philharmonikern auf. Eva Jamníková ist zweifache Siegerin des renommierten Prague Junior Note. Sie hat an den Musikhochschulen in Dresden und Graz studiert. Seit 2008 ist sie Mitglied der Dresdner Philharmonie. Der musikalische Abend findet in Zusammenarbeit mit dem Stift Klosterneuburg und dem tschechischen Musik-Label Supraphon statt. Der Eintritt kostet 16 Euro und ist gleichzeitig auch ein Gutschein für ein Ticket des Stifts, das die Teilnahme an allen angebotenen Touren an einem beliebigen Tag einschließt. Das Stift ist wunderschön. Klosterneuburg wurde 1114 von Leopold III., dem Heiligen, gegründet und gehört seit fast 900 Jahren zu den bedeutendsten sakralen und kulturellen Zentren Österreichs.“

Martin Suchánek: Eva Bajerová  (Zyklus Falten)
Ebenfalls im Stift Klosterneuburg wird zudem zwei Tage vor dem Konzert auch eine Ausstellung eines tschechischen Künstlers eröffnet, und zwar des Fotografen Martin Suchánek. Gezeigt werden alte Menschen aus dem alten Prag. Warum haben Sie diese Ausstellung nach Österreich geholt?

„Ich denke oft daran, dass wir an jedem Kiosk heute Zeitschriften mit jungen Körpern in erotischen Posen auf den Titel- und Innenseiten finden – als ob das ein Ausdruck der Lebenshöhepunkte ist und der Werte, die geschätzt werden. Sucháneks vielleicht befremdlich wirkende Fotografien sind in dieser Hinsicht ein Wegweiser für das Erkennen der Schönheit von Porträts und Körpern entgegen der gängigen Vorstellungen. Martin Suchánek richtet eigentlich einen ungewohnten, neuen Blick auf das Thema Schönheit mit dieser Ausstellung im Stift Kosterneuburg. Und sein Zyklus ‚Vrásky“ – Falten – feiert in Österreich Premiere. Es handelt sich um einen Beitrag des Tschechischen Zentrums Wien zum diesjährigen internationalen Jahr des aktiven Alterns. Die Ausstellung zeigt 30 Porträts von den ältesten und interessantesten Bewohnern des Prager ersten Bezirks – Praha 1 – sowie von Menschen, deren Leben, Schicksal oder Beruf mit der Altstadt Prags verbunden ist.“

Martin Suchánek: Hände von Geraldina Muchová  (Zyklus Falten)
Bis wann ist die Ausstellung zu sehen?

„Die Ausstellung ist im Café Estorial im Stift Klosterneuburg täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, und zwar bis zum 15. September.“

Und wann startet bei Ihnen das neue Programm im zweiten Halbjahr 2012?

„Während des Sommers haben wir eben diese Pause mit zwei Ausstellungen und einer Veranstaltung. Am 10. September werden wir dann wieder ein neues Programm anbieten.“

Autor: Till Janzer
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