Sonderserien und Selbstversuche: Woche der Nachhaltigkeit beim Tschechischen Rundfunk
Am Mittwoch hat die Europäische Nachhaltigkeitswoche begonnen. Beim Tschechischen Rundfunk liegt aber schon seit Montag der Fokus auf verantwortungsbewusstem und klimafreundlichem Handeln. Dazu gibt es sowohl Programmschwerpunkte bei den einzelnen Sendern, als auch Angebote und spezielle Aufrufe an die Mitarbeiterschaft. Denn nachhaltiges Wirtschaften ist im Prager Funkhaus noch nicht selbstverständlich.
Im Hauptgebäude des Tschechischen Rundfunks in der Prager Vinohradská-Straße arbeiten etwa 1200 Menschen. Strom, Heizung, Licht, Wasser – der Verbrauch in solch einem großen Unternehmen ist riesig. Aber es gibt Einsparungspotentiale. Und um diese zu nutzen, ist Nachhaltigkeit vor zwei Jahren als eines von sieben Hauptzielen in die aktuelle Strategie 27 des Medienhauses aufgenommen worden. Martina Májíček Poliaková ist Leiterin der Abteilung für strategische Entwicklung:
„Seitdem haben wir zweimal den CO2-Fußabdruck des Tschechischen Rundfunks errechnen lassen. Dabei kam heraus, dass die deutlichste Spur durch den Energieverbrauch entsteht. Also haben wir ihn von Grund auf untersucht. Im Folgenden wurden die Mittelwellensender abgestellt, die energetisch sehr anspruchsvoll waren. Zudem haben wir angefangen, den Energieverbrauch im Rundfunkgebäude genau zu messen. Die Beleuchtungen wurden ausgetauscht, und jetzt konzentrieren wir uns auf alte elektronische Geräte. Dank dieser Sparmaßnahmen konnten wir den Energiebedarf innerhalb eines Jahres um zehn Prozent senken. Das halten wir durchaus für einen Erfolg. Außerdem verringern wir den Wasserverbrauch. Im Gebäudekomplex in der Vinohradská-Straße konnten wir dadurch schon 50 Prozent Abwasser einsparen.“
Neben diesen internen Maßnahmen soll dem Thema Klimaschutz nun auch in der Außendarstellung mehr Raum gegeben werden. Darum hat sich der Tschechische Rundfunk in diesem Jahr erstmals der Nachhaltigkeitswoche angeschlossen, die hierzulande vom Umweltministerium koordiniert wird. Dazu gibt es spezielle Serien, die seit Montag im Radioprogramm laufen. Eine davon dokumentiert, wie drei Moderatoren ihr Privatleben eine Woche lang besonders nachhaltig gestalten. Neben Jan Pokorný vom Radiožurnál und Adéla Gondíková vom zweiten Programm (Dvojka) ist die mit Abstand Jüngste in der Runde Hana Řičicová vom Jugendsender Wave:
„Ich komme vom Land. Für mich ist es darum ganz normal, zum Blumengießen oder für die Toilettenspülung Regenwasser zu benutzen und nicht Trinkwasser. Eine meiner Aufgaben für die Serie war also, Wasser zu sparen beziehungsweise meinen Verbrauch zu messen. Eine weitere Aufgabe war – und auch diese knüpft an meine Herkunft an –, in der Stadt das Kompostieren auszuprobieren. Mit beidem will ich danach weitermachen. Darum handelt es sich für mich nicht nur um eine Aktionswoche, sondern hoffentlich um Nachhaltigkeit bis zum Lebensende.“
Nachhaltigkeits-Strebertun und Klimakummer
Im Gegensatz zum Kollegen Jan Pokorný, der etwa statt des Autos nun den Motorroller zur Arbeit nimmt, hat sich das Leben von Hana Řičicová in der Nachhaltigkeitswoche kaum verändert. Sie ernähre sich sowieso komplett fleischlos oder kaufe Kleidung im Secondhand, so die Redakteurin. Trotzdem lerne auch sie dazu:
„Überrascht hat mich unsere Lektorin mit der Bemerkung, dass ich manchmal besser etwas abbremsen sollte, weil ich eine Art Nachhaltigkeits-Streberin sei. Sie riet mir, lieber an meinem Klimakummer zu arbeiten. Ich habe nämlich immer Angst, dass ich mich noch nicht genug einsetze. Es war für mich eine gute Nachricht, dass ich tue, was ich kann. Und dass ich deswegen nicht immer Bedenken haben muss.“
Grund für Řičicovás Klimakummer ist offenbar auch ein Bewusstsein dafür, dass alle persönlichen Bemühungen immer nur einen begrenzten Effekt haben…
„Nachhaltigkeit als solche spielt in meinem Leben eine große Rolle. Mit dem Begriff ist es allerdings schon etwas problematisch, denn er taucht überall auf. Multinationale Konzerne, die für knapp 73 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, reagieren darauf allerdings gar nicht. Sie nehmen sich dieses Begriffs nicht an. Darum liegt es an den restlichen 27 Prozent der Menschen, für Nachhaltigkeit in ihrem Alltagsleben zu sorgen. Sie trennen also Müll, leben möglichst autark und effizient. Allerdings wissen wir alle, dass dies eine trügerische Angelegenheit ist, denn wir allein retten den Planeten nicht.“
Dies ist auch Jan Kaliba bewusst. Der Redakteur und Analytiker betreut eine weitere Serie, die der Tschechische Rundfunk für die Nachhaltigkeitswoche produziert. Diese habe eher Nachrichtencharakter, knüpfe aber an das Selbstversuchsprojekt der drei Moderatorenkollegen an, erläutert Kaliba:
„Uns war klar, dass die drei Gesichter ein sehr großes Publikum haben werden. Sie beleuchten aber nur die individuelle Ebene. Diese ist zwar nicht von geringer Bedeutung, aber trotzdem nicht das Wichtigste bei den Bemühungen um eine Lösung für die Klimakrise. Also konzentrieren wir uns bei unserer Berichterstattung auf die Notwendigkeit eines Systemwandels. Dabei geht es um eine Bewertung, wie es um die klimapolitischen Verpflichtungen Tschechiens steht, oder auch darum, inwiefern die größten Emissionsproduzenten hierzulande überhaupt zu einer Entkarbonisierung bereit sind. Zudem beschäftigen wir uns mit einigen Unterthemen der Klimakrise, über die nicht so häufig geredet wird. Wir erläutern etwa, dass auch Methan ein sehr starkes Treibhausgas ist. Meist wird ja über Kohlenstoffdioxid diskutiert, daher auch der Begriff Entkarbonisierung. Aber Methan einzuschränken wäre ein schneller Weg zur Emissionssenkung und zu einer effektiven Bekämpfung des Klimawandels.“
Der Tschechische Rundfunk hat einen Klima-Berichterstatter
Jan Kaliba ist der erste Klima-Berichterstatter des Tschechischen Rundfunks. Diese Position gibt es erst seit Monatsbeginn. Sie ist quasi ein Import, den Kaliba selbst aus seiner sechsjährigen Zeit als USA-Korrespondent ins Rundfunkhaus nach Prag mitgebracht hat:
„In den Vereinigten Staaten habe ich mich viel mit der Klimaagenda beschäftigt. Ich fand auch interessant, dass andere ausländische Medien Klimaredaktionen eingerichtet haben. Das habe ich also theoretisch verfolgt. Beim Tschechischen Rundfunk gab es dann die Bereitschaft, sich systematischer mit Klimathemen zu beschäftigen, und so floss das alles in der Position eines Klima-Berichterstatters zusammen. Ich denke, dies ist eine natürliche Entwicklung. Wir haben uns nichts Neues ausgedacht, sondern tun es unseren Partnerunternehmen innerhalb der Europäischen Rundfunkunion gleich.“
Kaliba hat sicher keine leichte Aufgabe übernommen. Der Tschechische Rundfunk betreibt zwölf überregionale Stationen, und jede von ihnen hat ihr eigenes Publikum mit seinen speziellen Interessen. Er wolle das abstrakte Thema des Klimawandels auf emotionale Weise in den Alltag der Menschen übertragen, schildert Kaliba sein Ziel:
„Alles steht miteinander im Zusammenhang, und der Klimawandel wird unser Leben konkret beeinflussen. Etwa bei der Frage, ob in zehn Jahren noch Pilze gesammelt werden können. Oder ob in 20 Jahren noch Rasen besprengt werden kann, um darauf Fußball zu spielen, den viele Menschen so mögen. Oder aber wie in 30 Jahren wohl das Bier schmecken wird. Es ist also wichtig, diese Verbindungen zum Alltagsleben zu finden, um das Thema Klimawandel unter die Leute zu bringen und verständlich zu erklären.“
Diese Querverweise seien schon regulärer Bestandteil des Programms des Tschechischen Rundfunks und würden nicht nur während der Nachhaltigkeitswoche thematisiert, betont Martina Májíček Poliaková. Neben den Sonderserien für die Hörerschaft wende sich die Aktionswoche jedoch auch an die eigenen Mitarbeiter:
„Intern bieten wir unseren Kollegen verschiedene Aktionen an. Dazu gehört die September-Challenge mit einer Liste von Veranstaltungen in ganz Tschechien. Die Mitarbeiter sollen allein oder im Team daran teilnehmen, dann den Kollegen davon berichten und Fotos teilen. Außerdem hat sich die Managementebene angeschlossen. Dort hat man sich zum Ziel gesetzt, den Dienstwagen diese Woche in der Garage zu lassen. Einige Chefs haben noch weitere Herausforderungen angenommen: Sie schränken den Fleischkonsum ein, beginnen mit dem Kompostieren oder schalten die Dusche zwischendurch beim Einseifen aus.“
Des Weiteren würden in der Kantine Einwegverpackungen reduziert und im Bistro Mehrwegbecher für Kaffee angeboten. Darüber hinaus findet ein Kleider-Swap statt und ein Seminar zum verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln. Am Samstag könnten die Rundfunkmitarbeiter zudem an öffentlichen Baumpflanzungen der tschechischen Forstverwaltung teilnehmen, berichtet Poliaková weiter. Und was hält die Radiobelegschaft von all dem?
„Es gibt natürlich positive wie auch eher zurückhaltende Reaktionen. Manchmal wenden die Kollegen ein, dass sie dies alles doch längst tun und darüber nicht extra reden müssen. Dann heißt es, dass es keine Woche für Nachhaltigkeit braucht, um sich als Mensch verantwortungsbewusst zu verhalten. Allgemein wird aber für gut befunden, wenn im Unternehmen beispielsweise Einwegverpackungen eingeschränkt und verschiedene neue Wege aufgezeigt werden.“
Erst der Anfang
Mit ihren unterschiedlichen Reaktionen spiegeln die Mitarbeiter im Prager Rundfunkgebäude die gesamte tschechische Gesellschaft wider. Jan Kaliba, der gerade erst aus den USA zurückgekehrt ist, kann mit einem gewissen Abstand auf die allgemeine Stimmung hierzulande blicken – und auch die beiden Länder miteinander vergleichen:
„Ich würde sagen, dass die öffentliche Diskussion in Tschechien noch nicht besonders weit fortgeschritten ist. Hier wird etwa kaum über den Klimawandel als Frage für die nationale Sicherheit gesprochen. In der US-amerikanischen Armee hingegen ist dies aktuell ein großes Thema – wenn auch fraglich ist, inwiefern sich dies verantwortungsbewusst und der Notwendigkeit entsprechend gestaltet. Die öffentliche Debatte in Tschechien hat sich in den vergangenen Jahren aber dennoch vorwärtsbewegt. Ein primitives Leugnen wurde bereits überwunden. Die Menschen erkennen, dass es sich um ein echtes Problem und eine reale Bedrohung handelt.“
Auch Martina Májíček Poliaková weiß, dass es für echte Nachhaltigkeit im Radiogebäude einen langen Atem braucht – und viel mehr als eine Aktionswoche im Jahr…
„Der Tschechische Rundfunk ist sich sehr bewusst, dass er nicht in der Spitzenliga der technologischen Innovationen spielt und auch nicht zu den Topfirmen gehört, die voll verantwortungsbewusst und nachhaltig arbeiten. Wir fangen gerade erst an, aber wir wollen weitermachen. Ebenso ist uns klar, dass der Rundfunk als öffentlich-rechtliche Einrichtung – und finanziert durch Gebührengeldern der Menschen – eine deutlich größere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hat, solche Themen aufzugreifen und sich dementsprechend auch zu verhalten. Angesichts der Inhalte unserer Berichterstattung und Sendungen wäre es heuchlerisch, nicht auch den Blick auf uns selbst zu richten und zu versuchen, die Dinge zu verbessern.“