Song, der Brücken schlagen kann
Man sagt, Musik kennt keine Grenzen. So sehr banal oder abgedroschen es klingen mag, es ist eben so. Schließlich genügt es, Radio oder Fernsehen einzuschalten oder im Internet zu surfen, um mit Songs unterschiedlichster Herkunft überschüttet zu werden. Ein Beispiel, dass man dabei auch etwas mehr als bloße Melodien zu Gehör bekommen kann, hat Jitka Mladkova für Sie parat.
Wenn jemand außerhalb seines Landes eine positive Tat vollbracht hat, kann man im Tschechischen sagen, er habe “ein Loch in die Welt gemacht“. Die Frage, ob diese Redewendung auch auf einen Song zutreffen kann, erlaube ich mir jetzt zu stellen. Es geht um einen 30 Jahre alten tschechischen Titel, der dieser Tage das sprichwörtliche Loch im Nachbarland Polen gemacht zu haben scheint. Genauer gesagt ist es ein Musikvideo aus der Zeit des kommunistischen Tschechoslowakischen Fernsehens, in dem die Countrybeat-Gruppe von Ivan Mládek über ein unbekanntes Monster namens „Jožin z bažin“ singt, begleitet von einer Tanzkreation eines Bandmitglieds. Seinerzeit war es auch hierzulande ein großer Hit, den witzigen Text des Stücks lernten viele Tschechen schon als Kinder zu singen.
Dank dem Internetportal „You Tube“ haben vor kurzem auch viele Polen den in mährischen Sümpfen herumschleichenden und unbeliebte Prager fressenden „Jožin z bažin“ für sich entdeckt. Was das besungene Gespenst so alles treibt, darüber informiert die polnische Übersetzung des tschechischen Textes in den Untertiteln des Videoclips. Auf Polnisch heißt „Jožin z bažin“ im Übrigen „Józek z bagien“. Was ist das aber für ein Lied, das das halbe Land verrückt macht, stellt ein Leser des polnischen Internetservers Interia.pl eine treffende Frage, über die sich derzeit auch viele polnische Publizisten den Kopf zerbrechen. Jožin alias Józek wurde nämlich mittlerweile sogar im öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehen TVP vorgestellt und der Titel hält sich seit Wochen bereits an der Spitze der Hitparaden mehrerer Radiosender. Die Ohrwurm-Dixiemelodie haben sich außerdem viele auf ihre PCs und Handys hochgeladen.Vor kurzem haben auch tschechische Medien über das polnische Jožin-Phänomen berichtet: Viele Polen staunen, hieß es in einem Artikel, dass ein derartiger Song, in dem sich die Tschechen mit ihrem charakteristischen Humor selbst aufs Korn nehmen, in Zeiten des eisernen Kommunismus den Weg ins tschechoslowakische Fernsehen finden konnte. Dies habe meinen Kollegen sogar veranlasst, über das tschechisch-polnische Verhältnis nachzudenken: Man habe viele Erlebnisse gemeinsam, über die man lachen könne.Und dabei könne man sich neu entdecken, weil man sich immer noch kaum kenne. Dies sei ein gutes Fundament für ein besonders nahes Verhältnis innerhalb eines zu großen Europas, folgert mein tschechischer Kollege.
Ich bin mir nicht sicher, ob an dem Völker verbindenden „Jožin z bažin“ nicht noch etwas Weiteres übersehen wurde. In mehreren polnischen Städten soll an Hauswänden die Aufschrift stehen: „Józek z bagien als Präsident“. Für Tschechien kommt diese Idee aber zu spät, denn hierzulande wird das neue Staatsoberhaupt bereits in knapp zwei Wochen gewählt.