Soundcheck: Die tschechischen Präsidenten in Originalaufnahmen
Beherrschendes Thema in diesen Tagen sind die Präsidentschaftswahlen in Tschechien. Für uns der Anlass für einen Streifzug durch das Tonarchiv des Tschechischen Rundfunks. Hören Sie in einer Sonderausgabe der „Kapitel aus der Tschechischen Geschichte“ Originalaufnahmen aller zehn Staatsoberhäupter aus nunmehr 90 Jahren tschechischer und tschechoslowakischer Geschichte.
"Um den Frieden bemüht sich jeder, der ehrlich und solid in seinem Wirkungskreis arbeitet. Achten wir jeden, der seine Arbeit gewissenhaft und energisch leistet, ob Arbeiter, Bauer, Lehrer und Beamter, wer immer und jeder."
So der Staatsgründer und erste Präsident der Tschechoslowakei Tomas Garrigue Masaryk, in einer Ansprache an deutschböhmische Kinder aus dem Jahr 1932. Der glücklose Nachfolger Masaryks wird 1935 sein langjähriger Weggefährte Edvard Beneš.
„Allen Menschen, die guten Willens sind, wünsche ich Ruhe und Frieden und unserem Staate ein schönes Jubiläumsjahr.“
Statt Feiern zum 20. Jahrestag der Staatsgründung bringt das Jahr 1938 aber das Münchener Abkommen und die Abtretung der Sudeten. Beneš tritt zurück, sein Nachfolger wird der Jurist Emil Hácha. Obwohl er Verbindungen zum Widerstand hält, wird Hácha in Tschechien bis heute vor allem mit dem erzwungenen Kniefall vor Hitlerdeutschland in Verbindung gebracht. Hören Sie eine Aufnahme aus dem März 1939:
„Nach einem längeren Gespräch mit dem Herrn Reichskanzler und der Klärung der Situation habe ich mich entschieden, das Schicksal des tschechischen Volkes mit vollem Vertrauen in die Hände des Führers des deutschen Volkes zu legen.“
Nach dem Krieg kehrt nochmals Edvard Beneš aus dem Exil an die Staatsspitze zurück. Am 25. Februar 1948 überlässt er den Kommunisten die Macht. Von diesem Tag stammt die berühmteste Aufnahme seines späteren Nachfolgers, des Kommunistenführers Klement Gottwald:„Gerade komme ich von der Burg, vom Präsidenten der Republik. Der Herr Präsident hat allen Vorschlägen genau so, wie wir sie eingereicht haben, zugestimmt.“
Gottwald stirbt 1953, nur wenige Tage nach seiner Rückkehr von Stalins Begräbnis. Sein Nachfolger wird der gelernte Steinmetz Antonín Zápotocký. Der kommunistische Umbau der Gesellschaft geht weiter, und auch das Christkind bleibt davon nicht verschont. Hören Sie Antonin Antonín Zápotocký in einer Weihnachtsansprache für Kinder, gehalten 1952, noch als Ministerpräsident:„Das Jesuskind ist gewachsen, hat einen Bart bekommen und aus ihm ist Väterchen Frost geworden. Er ist nicht mehr nackt und in Windeln gewickelt, sondern ordentlich gekleidet in Schafspelz und Leder. Und auch unsere Arbeiter und ihre Kinder müssen heute nicht mehr nackt und zerrissen gehen.“
Nach Zápotockýs Tod folgt 1957 Antonín Novotný. Seine Reden stehen bis heute für den grauen Alltag der Planwirtschaft:
„Genossinnen und Genossen, ich danke allen Betrieben und Arbeitskollektiven, die mir zum Ende des Jahres eine Meldung über ihre Planerfüllung im Jahre 1966 geschickt haben.“
1968 wird Novotný gegen Ludvík Svoboda ausgetauscht. Obwohl er zu Zeiten des Prager Frühlings ins Amt kommt, gilt er als einer der treuesten Anhänger Moskaus. Die folgende Aufnahme entstand nach der Rückkehr von einem Staatsbesuch in der UdSSR im Oktober 1969:
„Die Eindrücke aller Mitglieder unserer Partei- und Staatsdelegation waren groß und tief. Wir hatten Gelegenheit zu erfahren, wie schrecklich gern uns das sowjetische Volk hat.“
Gustav Husák ist 1975 der erste Slowake an der Spitze des Staates. An den Sozialismus, wie Husak ihn propagiert, glauben immer weniger Tschechoslowaken. Hier eine Aufnahme aus den frühen siebziger Jahren.
„Der Sozialismus soll für den arbeitsamen Menschen ein freieres, demokratischeres und in sozialer Hinsicht nach allen Seiten auch glücklicheres Umfeld in einer glücklicheren Gesellschaft sein, und ich glaube, er ist es auch. Die Menschen davon zu überzeugen, das ist die große Kunst unserer politischen Arbeit.“
Eine Kunst, von der die Tschechoslowaken 1989 endgültig genug haben. Das kommunistische System bricht zusammen, der Dissident Václav Havel wird auf die Burg gewählt. Er knüpft an die Werte von Staatsgründer Tomas Garrigue Masaryk an. So auch hier, in der Neujahrsansprache zum Jahr 2003.
„Die tschechische Frage ist eine menschliche Frage, hat Masaryk gesagt. Ich glaube, wir müssen nicht in jedem Satz über Nation und nationale Interessen reden, aber umso mehr sollten wir uns mit unseren Nächsten beschäftigen – sei es in unserer Straße oder am anderen Ende der Welt.“
Die Nachfolge von Václav Havel trat vor fünf Jahren Václav Klaus an – unter anderem als Mahner beim EU-Beitritt Tschechiens im Mai 2004:„Gegenüber unseren Vorfahren sind wir verpflichtet, die tschechische Staatlichkeit zu bewahren. Der Europäischen Union dürfen wir nicht als Individuen beitreten, nicht als einzelne Institutionen, Gemeinde, Kreise und Regionen. Der Europäischen Union treten wir als Tschechische Republik bei.“
Soweit unsere Klangprobe der zehn tschechischen und tschechoslowakischen Präsidenten aus neun Jahrzehnten. Am Freitag ist Václav Klaus für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Wie es in den nächsten Jahren von der Prager Burg klingt, liegt nun in seiner Hand.